Reviews: Fritz Widhalm

Deutsch Fritz Widhalm: WARUM STARB DER SCHÖNE MANN? KEIN KRIMINALROMAN, VON DEM GANZ WIEN SPRICHT. Ritter Verlag, Klagenfurt-Wien 2001.

Fritz Widhalm Cover

Die Personen in ihrer Unzahl sind, einzeln wie als Gruppe, Schablonen, die gleich wieder abblättern, Statuetten, allerwunderlichste Figurinen, angesiedelt zwischen Alltag, Ortsgebundenheit (Wien) und Phantasie.
Fritz Widhalm versammelt 16 (Haupt-)Akteur/inn/en, davon als Herzstück einen Toten; mitgerechnet auch der Autor selbst.
Um den Toten “zu meinen Füßen” kreist das Buch, aber nur scheinbar, denn in Wirklichkeit wird ständig ab- und umgelenkt.

Die Stimmführung erinnert an Trivialromane, Detektivgeschichten, Mike Hammer, Baumax. Unwillkürlich erinnere ich auch “Twin Peaks” von David Lynch, beispielsweise immer dann, wenn die “Zwergin” auftaucht.
Widhalm gelingt jener eigenwillige Sprachfluß zwischen schräger, deftiger Körperlichkeit, fragiler Poetizität und einem trivialen Krimi/Porno/Science-Fiction/ Werbeslang -Singsang.

Und mit den Personen verhält es sich so: sie tauchen auf und weg, um so ganz sicher nicht verstehbar zu werden, um sich jeglicher kausaler Zuordnung zu entziehen. Sie sind in einem Augenblick da, ausgeschmückt und aufgeladen, um sich sogleich blasenartig aufzulösen und dort wieder aufzutauchen, wo man sie nicht vermutet.

Der Autor tauscht sie ab, wie es ihm beliebt, – bisweilen wird der Fokus auf Nebensächliches gelenkt, um es dadurch hauptsächlich zu machen und noch mehr zu irritieren.
Oder aber: Eigentlich existieren nur Nebenhandlungsstränge in diesem Buch; der Hauptstrang könnte allein die Existenz des Toten sein...

Konfusion und Irrfahrt, konsequent gebaut, mit allem, was das triviale wie poetische Herz begehrt: gute Unterhaltung!

Reviewed by Petra Ganglbauer, 27 November 2001

Deutsch Fritz Widhalm: zum beispiel. feldforschungen. ein gedichtzyklus mit zeichnungen von andreas leikauf. herbstpresse, Wien 2002.

"feldforschungen" benennt Fritz Widhalm seine Gedichtarbeit im Untertitel.
Tatsächlich blinken quasi hinter den Texten kontextuelle Strukturen auf, sprachlich wie optisch, denn eine Art Plan zieht sich durch, die karierte Coverfläche taucht immer wieder auf; und dort, wo sie nicht sichtbar ist, vermuten wir sie jedenfalls – als Netzwerk. Die Karos werden jedoch ausgefüllt: mit Zeichnungen von Andreas Leikauf.

Der Titel des Buches lautet "zum beispiel" – ein für den literarischen Zugang des Autors wirklich passender Titel: Scheinbar (!) beiläufig, leichtfüßig, marginal ("alles oder/zum beispiel"). Ein Kunstgriff. Dahinter jedoch steckt die massive Arbeit an und mit Sprache: Widhalms Texte strahlen etwas Brachiales aus, die Sprache stürmt den Rand des Feldes, auf dem der Autor seine Forschungen anlegt. Sexualität und Körperlichkeit als Untersuchungs-, Betrachtungs-, Erfahrungsgegenstände, – die Sprache als Instrumentarium.

Am Ende ist das Feld explizit abgeerntet, soweit "feldforschung 8" es vermuten läßt. Doch nein, vier weitere Karobilder zwingen uns, dicht an dicht zu verweilen. Wir tun es gerne.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 24 October 2002

Deutsch Fritz Widhalm: pubertät mit mädchen. visionen und versionen. Edition CH, Wien 2006.

Dieses Buch zieht die Lesende (den Lesenden) in seinen Bann. Es ist von einer solch atmosphärischen Dichte, wie sie synästhetische Kompositionen innehaben. Fritz Widhalm spielt aber auch bewusst mit der Trivialität, die an schlechte Heimatromane erinnert.
Wir werden hinein- und hinuntergezogen in tief Vergrabenes innerhalb der Psyche (das, was in den untersten Schubladen lagert), an Kindheit und Pubertät erinnert (diese verqueren, vertrackten Mischungen aus Unausgegorenem, Schamhaftem, Neugierigem, Banalem, Unfertigem; all das in einer Zusammenschau, die eine Eigengesetzlichkeit hat, eine Sogwirkung aus Lust und Laster.)
Der jugendliche Ich-Erzähler ist flankiert von immer denselben Personen (Großmutter; Mädchen; Herr Martin; Emma, die Lokomotivführerin...); denselben Tieren (tiefschwarze Kolkraben...); denselben Orten (Wiese.Wiese.Wiese... Das kleine Klosett am Ende der finsteren Zughaltestelle...). Dementsprechend stringent ist das Setting.
Innerhalb dieses abgesteckten Rahmens brodeln die jugendlichen Gefühle; sie schwappen nie ganz über.
Dem Autor gelingt es, jene Dosis herzustellen, wie sie symptomatisch für pubertäre Empfindungen ist: einerseits die Sehnsucht danach, endlich überzulaufen. (Wie ein überhitzter Wassertopf.) Andererseits aber auch diese Hemmung, es dann auch tatsächlich zuzulassen.
Visionen, der erste Teil des Buches, ist nahe am jugendlichen Duktus. Versionen ist schnittiger, erwachsener, kontrollierter.
Ansprechend auch die Zeichnungen des Autors, die dieses Hinüberkippen in das Heimatliche, Lauhwarme, Triviale noch unterstreichen.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 8 August 2006

Deutsch Fritz Widhalm: die nacht schluckte die dämmerung. Edition zzoo, Wien 2008.

die nacht schlucte die daemmerung Cover

Ein eigenartiges Geheimnis liegt über den Sätzen des vorliegenden Buchs. Protagonist und Autor oder auch  Alter Ego  wechseln (einander ab), kommunizieren ab und an miteinander und erzeugen so ein raffiniert konstruiertes Verwirrspiel.

Fritz Widhalm legt Fährten, um sie dann wieder zu unterminieren. Wir erfahren so vieles über den Protagonisten Konrad, da gibt es etwa mitteilsame Eltern, die Konrads Entwicklung kommentieren – zugleich entgleitet uns diese Figur gezielt Seite für Seite. Deshalb möchten wir, kaum haben wir das Buch fertig gelesen, wieder von vorn beginnen, um in diese Weltschau aus imaginierten und Realfiguren einzutauchen.

Anregend auch dieses Hereinspielen anderer Werke des Autors, wie etwa „Pubertät mit Mädchen“. Begibt man sich in den literarischen Raum Fritz Widhalms, so findet man sich in einem ebenso natürlichen wie künstlichen Kosmos aus (existierenden, erinnerten, erdachten) Figuren. Deshalb fühlt sich die Leserin während der Lektüre dieser Bücher nie alleine.

Das Buch besteht aus 3 Teilen, die Gedichte in Teil 2 wurden von einer Figur namens Berta Wieland geschrieben, sie sind eine Hommage an Konrad, ergänzt durch Selbstportraits von Konrad Berger höchstselbst!
Auch in Teil 3 geht das Pendeln zwischen den Text- und Tageswirklichkeiten weiter...

Ein reizvolles Buch.

Reviewed by Petra Ganglbauer, 16 March 2009


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