Exzessiv unterhaltsam: Chinas Medienlandschaft

Es gibt in China gerade keinen großen Medien-Aufruhr, es wird nicht viel mehr oder weniger zensiert als sonst, es werden künftig sogar ein paar zusätzliche ausländische Filme unterdurchschnittlicher Qualität auf den chinesischen Kino-Leinwänden zu sehen sein, nachdem Hollywood lange genug genörgelt hat. Aber auch ohne die großen Skandale kann man regelmäßig über „Anpassungen“ in der Ausgestaltung und Regulierung des chinesischen Mediensystems lesen und hören. Es gibt fast täglich Nachrichten, die die Besonderheiten der chinesischen Medien beleuchten: Gemeint sind gar nicht die medialen Aufreger wie der Rauswurf einer Al-Jazeera-Journalistin, oder das routinemäßige Blockieren vor allem internationaler Webseiten. Solche Ereignisse haben wenig bis keine Relevanz für den chinesischen Medienmarkt – in den genannten Beispielen, weil es sich im ersten Fall um Medienberichterstatter von an ausländische Nutzer orientierten Medien handelte, im zweiten Beispiel. weil die meisten blockierten Seiten von chinesischen Nutzern auch dann kaum besucht würden, wenn sie verfügbar wären (aber das ist eine andere Geschichte und soll in einem anderen Blog-Beitrag … usw.).

Jenseits dieser außergewöhnlichen Eingriffe sind es vielmehr die normalen Entwicklungen, das Alltags-Management der Medien durch die verschiedenen Regulierungsbehörden, die ein Licht auf den spezifischen Charakter und auch auf die Herausforderungen werfen, mit denen Medien und ihre Nutzer hier konfrontiert sind. Nun doch am konkreten Beispiel: Fernsehen darf seit kurzem nicht mehr „exzessiv unterhaltsam“ sein. Das ist kein Witz, sondern eine Verordnung des Regulierers, der „State Administration for Radio, Film and Television“ (SARFT), die am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Wer gelegentlich ins chinesische Fernsehen schaut, der findet diese Regelung selbst exzessiv unterhaltsam – sehr wenig wird dem Abendprogramm der großen Staatsender seltener vorgeworfen, als unterhaltsam oder gut gemacht zu sein. Aber seit einigen Jahren drängen Show- und Reality-Formate wie „Supergirl“ oder „Fei Cheng Wu Rao“, “Let’s Shake It” oder “China’s Got Talent” in die Prime Time, und ziehen mit ihrem sagen wir konsumfreundlichen, lifestyle-orientierten und gelegentlich auch sexuell unerwartet offenherzigen Fokus ein junges Publikum an. Die Talentshow „Supergirl“ geriet in die Schlagzeilen, als überraschend hohe Teilnahmezahlen bei der Telefonabstimmung die Regulierer auf den Plan gerufen hatten.

Solchen  Enthusiasmus für demokratische Abstimmungsverfahren waren nicht ganz geheuer, die Sendung wurde auf Anweisung der Regulierer abgesetzt. „Fei Cheng Wu Rao“  (wir würden es „Herzblatt“ nennen) löste eine andere Wertediskussion aus: Eine Teilnehmerin mäkelte, der Verehrer, der eben eine romantische Radtour vorgeschlagen hatte, könne diese gerne alleine machen, da würde sie doch lieber alleine auf der Rückbank eines BMW heulen. 50 Millionen Zuschauer waren begeistert bestürzt über solch ungeschminkten Materialsmus aus stark geschminktem Munde. Ergebnis: Die Zensoren fielen über die Sendung her, das Konzept wurde massiv entschärft, nun darf nicht mehr über das Einkommen der potentiellen Turteltauben, auch nicht über deren erotische Vorlieben und Erfahrungen geplaudert werden.

Diese Beispiele aus einem „alten Medium“ sind deshalb interessant, weil sie einem durchschnittlichen europäischen Fernsehzuschauer völlig vertraut sind: Debatten um Schamgrenzen und Moral zu Beginn der „Big Brother“-Lebenphase; voyeuristischer Spaß am Beiwohnen verbaler Hinrichtungen durch Dieter Bohlen in Talentshows; Pseudo-Dokumentationen für Heimwerker, die wie Werbefilme für den nächsten Baumarkt daherkommen. Wir haben in alle diesen Fällen die Rufe nach  „absetzen“, „verbieten“ , „die Leute vor sich selbst schützen“ und „Qualitäts- und Werteverfall“  gehört und gelesen. Nicht im autokratischen China, sondern im liberalen Deutschland.

Man sollte sich nicht scheuen, das festzustellen: In westlichen Demokratien und in Chinas Ein-Parteien-System gibt es gleichermaßen Kontroversen über wünschenswerte und unerwünschte Medieninhalte. Mit Worten wie „Schmutz“ und „Schund“ werfen „Medienexperten“ und Politiker gleichermaßen großzügig um sich. Diese Diskussion ist oft von gleicher fragwürdiger Qualität wie die diskutierten Sendungen, aber im Prinzip völlig in Ordnung und wichtig als Schritt im Herausbilden einer öffentlichen Meinung. Von hier geht die Diskussion dann natürlich ein wenig unterschiedlich weiter: wer führt solche Wertedebatten, wie öffentlich sind sie, wie kommt man zu Ergebnissen, die dann auf welche rechtliche Art formuliert und auf welche Art und Weise umgesetzt werden? Über Rechtsstaatlichkeit und Transparenz des öffentlichen Entscheidungsfindungsprozesses, über die Art und Weise, wie der Wille des Volkes zu Recht und Gesetz gerinnt, wird sicher hier im Blog bald einmal zu lesen sein. Da gibt es Unterschiede. Ergebnis in China: Die Anzahl der Unterhaltungsprogramme während der Prime Time sank in Folge der neuen Regulierung von 126 auf 38. Ergebnis in Deutschland: man gewöhnt sich dran und alle paar Monate gibt es eine Rüge der Landesmedienanstalten, weil die nächste Toleranzgrenze ausgetestet wurde.

Als Beobachter der chinesischen Medienlandschaft sieht man erst einmal den nächsten Schritt: Sendungen werden abgesetzt oder beschnitten, ausländische Programme werden zunehmend limitiert. Im Feburar 2012 wurde etwa verfügt, dass kaum mehr ausländische Serien ausgestrahlt werden dürfen, vor allem nicht zur Hauptsendezeit – ausländische Action- und Krimisendungen wurden fast komplett eliminiert. Die Inhalte der als staatseigene Betriebe geführten Fernsehsender (gleiches gilt für Radio und fast alle Printmedien) werden aus populären, aber inhaltlich unkritischen Banalitäten und Beiträgen zur Volksbildung und der geistigen Erbauung zusammengemischt. Soap Operas, Verführungs-Dramen am Hofe des Kaisers, Varianten über chinesische Mythologien und Kaufempfehlungen für teure, gerne auch deutsche Autos – „bieder“ passt als Annäherung. Diese Biederkeit ist Politik, das Fehlen von kantigen und exzentrischen Inhalten Kern der staatlichen Medienpolitik. Die jährliche TV-Gala zum chinesischen Neujahrsfest strotzt vor Harmlosigkeit und belangloser Fernsehballett-Unterhaltung; das Zulassungssystem für Kino-Filme verlangt, dass jeder Film für alle Altersklassen geeignet sein muss; das auch in China äußerst populäre Online-Spiel „World of Warcraft“  musste seine Skelett-Armeen für die chinesische Version mit Fleisch und Haut „bekleiden“, da die Darstellung von knochigen Skeletten für chinesische Spieler unzumutbar sei.

Man kann in einem System, in dem Massenmedien so unmittelbar eine Verlängerung des politischen Apparats sind, die Medienpolitik nicht einmal kritisieren. Die Medien haben eine andere Aufgabe zugeteilt bekommen, sie sind definiert als Instrument im Dienste des Partei- und Regierungssystems. Will man die Biederkeit kritisieren und den aus westlicher Sicht manchmal exzessiv wirkenden Ruf nach Harmonie und Konformismus, dann muss diese Kritik gegen das politische System gerichtet sein, nicht gegen die Staatsmedien als Erfüllungsgehilfen, ohne viel Handlungsspielraum. Die Staatsmedien „dienen“ dem Staat und seinen jeweiligen Zielen – und ändern sich mit diesen Zielen. Selten wurde das deutlicher als im Fall von Chongqing, der in diesem Blog schon zu Prominenz gelangten Metropole des Südwestens. Im Rahmen der dort ausgerufenen moralischen und ästhetischen roten Wende gab es im regionalen Fernsehen ein komplettes Werbeverbot und regelmäßige Volksopern mit kommunistischen Inhalten zur Hauptsendezeit – und im Ergebnis einen katastrophalen Einbruch der Einschaltquoten. In einem System, das mit Ausnahme der nationalen CCTV-Senderfamilie nur sehr bedingt auf Werbeeinnahmen zählen kann, gleichzeitig aber ein weitreichendes regionales Vertriebsmonopol und nirgends Konkurenz von privaten TV-Anbietern hat, war das ein bisschen egal. Mit den jüngsten, nun ja,  personellen Änderungen in der Provinz-Regierung wurden dann aber auch dieser regionalen Besonderheit schnell der Garaus gemacht. Der Nachricht der Absetzung des Provinz-Parteichefs folgte sofort (!) eine Schnaps-Reklame und die Wiedereinführung regelmäßiger Werbeblöcke.

Parallel zu diesen Überlegungen gilt: Ob im Fernsehen gutes oder schlechtes Programm läuft, interessiert täglich weniger chinesische Mediennutzer. Die Staatsmedien sind nicht der Ort, an denen man sich Nachrichten und Informationen besorgt. Sie sind schon gar nicht der Ort, von dem man gute Unterhaltung erwartet. Wie in allen Ländern, in denen ein stark intervenierender Staat zu miserabler Programmqualität führt (wer mir ein in den letzten fünf Jahren entstandenes chinesisches Medienprodukt, ob Film oder Fernsehen, nennen kann, das erstens technisch und inhaltlich glänzt und zweitens innerhalb des Staatsmedienapparats entstanden ist, der … der hatte sehr viel Glück), so bedeutet auch in China die rigide Kontrolle der Produktion und des Vertriebs von Medieninhalten, dass sich die Kunden von diesen offiziellen Produkten abwenden. Kontrovers diskutiert wird nicht in der TV- oder Radio-Talkshow, sondern auf den Twitter-Klonen. Nachrichten werden nicht durch die Hauptnachrichtensendung von CCTV (die jeden Abend auf allen Kanälen laufen muss) wahrgenommen, sondern über die Portale von Sina und Sohu, die Yahoos Chinas. Und Unterhaltung? Wie in allen anderen Ländern auch, ist die Internetnutzung in China durch Unterhaltung dominiert und definiert. Internationale Fernsehsender werden live im chinesischen Netz gestreamt. Die heimischen Video-Portale  stellen in Sachen Kapazität und täglicher Nutzung Youtube weit in den Schatten. Das chinesische Netz ist bestens ausgestattet mit Peer-to-Peer-Angeboten, bei denen man aktuellste Filme und TV-Serien innerhalb von Minuten nach US-Ausstrahlung in hochauflösender Qualität findet, inklusive chinesischer Untertitel. Das ist kein Untergrund-System, dessen Zugangs-Passwörter heimlich auf dem Schulhof getauscht werden. Es ist das Medien-System, das jeder nutzt, der einen Internetanschluss hat und damit umgehen kann. In China sind das derzeit knapp über 500 Millionen Menschen. Die meisten dieser 500 Millionen würden kaum mit der Schulter zucken, wenn CCTV morgen abgeschaltet würde und die Partei-Zeitung Renmin Ribao nicht mehr geliefert würde.

Chinesische unhd westliche Mediennutzer haben dabei oft unterschiedliche Perspektiven: Für den typischen chinesischen Mediennutzer gilt ein oft umgekehrtes Qualitäts-Verständnis wie für etwa den westeuropäischen. Wir sind aufgewachsen mit einem Mediensystem, das dominiert wurde von Rundfunkanstalten, spezifisch finanziert zur Gewährleistung von Vielfalt und Qualität (in Deutschland etwa durch institutionellen Binnenpluralismus innerhalb der öffentliche-rechtlichen Rundfunkanstalten, Außenpluralismus durch die Zulassung und Regulierung private Anbieter). Diese Glaubwürdigkeit hat das öffentlich-rechtliche Mediensystem mindestens im Bereich der Nachrichten und Informationen weiterhin. Das Internet ist eine willkommene Ergänzung, und nichts ist schöner als mit dem Laptop auf dem Schoß die Tagesthemen nachzurecherchieren (wie hoch sind Griechenlands Staatsschulden nochmal genau? Genau, Luft anhalten und hier klicken) – aber es ist noch immer „das Internet“, dem zunächst misstraut wird, nicht „dem Fernsehen“ oder „den Zeitungen“. Wer mit Staatsmedien aufwächst, das zeigt nicht nur die chinesische Erfahrung, wird umgekehrt denjenigen Medien einen stärkeren Vertrauensvorschuss geben, die sich außerhalb der staatlichen Kontrolle bewegen und nicht im Verdacht stehen, Verkündigungsmaschinen eines Apparats zu sein, der alle anderen Ziele und Werte den beiden Säulen „Bewahrung der staatlichen Einheit“  und „Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei“  unterordnet. Und in beiden Systemen gewinnen Online-Medien über die Zeit an Professionalität und Glaubwürdigkeit, das traditionelle System der Massenmedien wird diesen Trend nicht umkehren können. Für Chinas „alte Medien“ kann das einen unumkehrbaren Pfad in die Irrelevanz bedeuten.

Wie ist der Trend? Mitte Mai wurde das TV-Unterhaltungsverbot verschärft, nachdem das Sendeverbot während der Prime Time zu nichts weiter als einer Konzentration ähnlicher Sendungen ab 22 Uhr geführt hatte. Gleichzeitig ist der Medienregulierer dabei, eine neue nationale (und natürlich staatliche) Kabel-TV-Firma zu etablieren, die die bisherigen etwa 1000 Kabelanstalten bündeln und konsolidieren soll. China stemmt sich kräftig gegen die internationale Öffnung der Medienmärkte, die die USA durch eine Klage bei der Welthandelsorganisation WTO erzwingen wollen. Die Position der Massenmedien und der Vertriebskanäle, das zeigt sich hier, wsoll mit Zähnen und Klauen verteidigt werden. Wie auch im Westen, so gelten Online- und Offline-Medien als entscheidende Einflussfaktoren für die öffentliche Meinung. Innerhalb der Logik chinesischen Regierens bedeutet das die Notwendigkeit einer dauerhaften und intensiven Inhaltekontrolle. Dem stehen Kommerzialisierungstrends entgegen, der Wunsch der Bevölkerung nach mehr Unterhaltung und Freizeit, die Unzufriedenheit mit dem alten Mediensystem.

Und damit wären wir bei einem neuen Schauplatz: Kann die Inhaltekontrolle, die bei staatseigenen Medienanstalten relativ einfach auszuüben ist, auch in einer Welt praktiziert werden, die durch die Allgegenwart von Online-Medien geprägt ist? Auch hier gibt es schöne Parallelen zu ziehen: Westliche Politiker und Experten suchen seit vielen Jahren nach Ideen, Regulierungssysteme für die Online- und Offline-Welt zu konzipieren. Diese sollen einerseits reflektieren, dass Inhalte unabhängig von der Art, wie sie zum „Nutzer“ gelangen, zu beurteilen und gegebenenfalls zu regulieren sind. Gleiche Prinzipien etwa für Jugendschutz oder strafrechtliche Relevanz sollen für die Online- und die Offline-Welt gelten. Gleichzeitig müssen die neuen Konzepte der Vielfalt der Vertriebswege gerecht werden, praktikabel sein und dürfen nicht eine Kontrollierbarkeit suggerieren, die in globalen Netzen oft illusorisch ist. Ob nationale Regierungen, EU Kommission oder chinesische Regierung: auch hier ist die Aufgabe die gleiche, diese Anforderungen miteinander zu vereinigen. Der Weg dahin, soll schon einmal verraten werden, unterscheidet sich auch hier zwischen China und dem Westen.

Crosspost

Posted in Medien | Tagged | Leave a comment

Mayer-Schönberger: Keine Medienrevolution durch Blogosphäre

In einer kleinen Studie mit dem Titel „Participation and Power Intermediaries of Open Data” stellt Viktor Mayer-Schönberger vom Oxford Internet Institute einige provozierende Thesen auf. Unter anderem spricht er nach einer kurzen Literaturdurchsicht der Blogosphäre das ihr zugesprochene emanzipatorische Potenzial komplett ab. Sie werde dominiert von relativ wenigen einflussreichen Bloggern, die ähnlich wie die traditionellen Medien den öffentlichen Diskurs und die öffentliche Meinung bestimmten. Auch habe sie es nicht geschafft, substanziell mehr Diversität zu erzeugen. Sein Fazit:

“At best the blogsophere has improved not the process, but only the outcome of public debates by adding another voice to the mix.” (S. 11)

Posted in Medien | Tagged , | 7 Comments

Groupon verscherbelt Doktor- und Professorentitel

Schon über 3000 mal zum Preis von 39 Euro aufwärts verkauft – an wen wohl?
Doktoren- und Professorentitel der Marke “h.c.”:

Wobei die angebotenen Spezialisierungen ähnlich esoterisch sind wie das Angebot selbst: Von Christlicher Beratung und Geistheilung über Unsterblichkeit bis hin zur Ufologie erstreckt sich das Gebiet, in dem man seine Expertise erwerben darf. Wobei es auch einfacher geht: Für eine Spende von nur 80 Euro darf man sich Feng Shui Experte, Medizinphysiker, Redakteur, Publizist oder ähnliches nennen ;)

Posted in Beobachtungen | Kommentare deaktiviert

Lebensformen – Mathematische Skulpturen zu individuellen Biographien

Der polnische Künstler Norman Leto berechnet basierend auf den Antworten eines umfangreichen Fragebogens mit etwa 100 Parametern für jeden Menschen eine spezifische mathematische Lebensform, die sich dreidimensional untersuchen lässt. Sie reflektiert den Lebenslauf, emotionale Höhepunkte sowie den Einfluss auf die Umgebung.

Im Triangulationsblog finden sich etliche Bilder verschiedener Lebensläufe – angefangen bei dem Leben einer durchschnittlichen Hausfrau, über Geraldine Chaplin, Michael Jackson bis Michail Chodorkowski. Im Video wird erklärt, wie die verschiedenen Lebensformen entstehen – und wie etwa die Lebensform eines Koma-Patienten aussieht:

Die Bilder bzw. Skulpturen wurden im Februar 2012 auf der Art Rotterdam präsentiert.
via

Posted in Beobachtungen | Tagged , , , , | Kommentare deaktiviert

Die neue Post und der Ex-Monopolist: Netzneutralität und der öffentlich-rechtliche Rundfunk

Die sogenannte Netzneutralität ist ein aktuell heftig umstrittener Diskussionspunkt zwischen den kommerziellen Anbietern von Internetzugängen und Internetdiensten sowie den klassischen, idealistisch motivierten Onlinern, die abwertend auch als “Netzindianer” bezeichnet werden.

Es geht hier darum, ob neben denjenigen, die einen Internetzugang beispielsweise der Telekom nutzen und dieser dafür ein Entgelt entrichten, auch die zur Kasse gebeten werden sollen, welche über diesen dann abrufbare Inhalte anbieten.

Für einen idealistisch motivierten Onliner ist dieser Gedanke völlig absurd: Er stellt Inhalte, beispielsweise Beiträge für die Wikipedia, eine private Website oder dieses Blog hier sowie die dahinter stehende Serverstruktur kostenlos zur Verfügung, um der Allgemeinheit zu helfen. Er verlangt also nichts für seine Dienste – wieso sollte er nun auch noch jemand anders etwas bezahlen, um diese Inhalte weiter anbieten zu dürfen?

Kabelgesellschaften sind jedoch schon seit Jahren darin geübt, auf beiden Seiten abkassieren zu wollen: Der Kabelkunde, also der Fernsehzuschauer, hat eine monatliche Gebühr zu zahlen – im Gegensatz zum Satellitenkunden, der, abgesehen von Pay-TV und den HD-Angeboten einiger kommerzieller Stationen, nur seine monatlichen Rundfunkgebühren zu zahlen hat. Doch auf Seite der Fernsehsender wollen die Kabelgesellschaften als sogenannte Einspeisungsvergütung ebenfalls Geld sehen, weil die Sender so ihre Reichweite erhöhen und der Kabelanbieter nach seiner Ansicht ihnen dazu seine Infrastruktur zur Verfügung stellt wie ein Sendernetzwerk.

Man kann das Ganze natürlich auch genau umgekehrt auffassen: Das Angebot der Kabelgesellschaft wird durch das Einspeisen möglichst vieler Programme überhaupt erst interessant! Ein Anbieter, der nur RTL, RTL II und Super RTL im Portfolio hat, dürfte nicht viele Kunden gewinnen. Also müßte eigentlich doch eher die Kabelgesellschaft den Sendern etwas zahlen, um deren Programm übernehmen zu dürfen?

Ähnliche Diskussionen gibt es nun beim Internetzugang. Hier geht es jedoch eher um eine Schnellstraße für kommerzielle Anbieter, um eine Priorisierung einzelner Angebote gegenüber anderen.

Continue reading

Posted in Recht | Tagged , , , , , | 3 Comments

Wie werden E-Books bei der VG Wort vergütet?

Eine häufig gestellte Frage. Doch völlig falsch gestellt. Die Antwort lautet nämlich: Überhaupt nicht!

Für die VG Bild-Kunst gilt dasselbe: Auch hier gibt es nichts für E-Books.

Hat man dort die Zeichen der Zeit verschlafen?

Nein, dass es für E-Books keine Vergütungen gibt, gar keine geben kann, liegt in der Natur der Sache: Autoren, die sich bei der VG Wort bzw. (als Fotograf oder eigene Fotos und Grafiken zu Artikeln zuliefernder Textautor) bei der VG Bild-Kunst registriert haben, bekommen von diesen ja nicht etwa Ausschüttungen, weil sie so nette Menschen sind oder ihre Texte bzw. Bilder so einzigartig sind.

Die Aufgabe der Verwertungsgesellschaften ist es vielmehr, für die Autoren die Zweitverwertungsrechte aus Kopien einzutreiben. Es ist also zunächst nicht der erneute Druck eines Werkes gemeint oder der Verkauf an weitere Medien, sondern die Zweitverwertung eines Artikels als Fotokopie, abgespeicherte Website etc., für die ein Autor ja normalerweise nichts erhält – im Gegensatz zur Erstverwertung (hoffentlich), der Lieferung an den Verlag, oder seiner eigenen Zweitverwertung erfolgreicher Beiträge.

Wenn es keine Kopien gibt, kann es auch keine Kopierabgabe geben

Damit hier überhaupt zu verteilende Einnahmen entstehen, gibt es die Abgaben auf Fotokopierer, CD-Rohlinge oder Drucker, über die auch viele Kollegen nichtsahnend schimpfen.

Doch nicht nur zu verteilende Einnahmen sind Voraussetzung für die Möglichkeit der Verwertungsgesellschaften, etwas an die Autoren auszuschütten. Ebenso zwingend notwendig ist es, dass Kopien der Werke überhaupt möglich sind.

Während dies bei Druckwerken und Websites unvermeidlich ist, verhält es sich bei E-Books anders: Diese haben in der professionell verkauften Variante (Kindle, Epub etc.) heute üblicherweise einen Kopierschutz, ein Digital Rights Management (DRM).

Und wo es keine Kopie für nichtzahlende Dritte gibt, kann natürlich auch keine Kopierabgabe an die Autoren verteilt werden!

Zwar gibt es auch E-Books ohne DRM, doch landen diese sehr schnell auf russischen Tauschbörsen und werden seitens der Verlage daher normalerweise nicht angeboten.
Sollten sich doch noch E-Book-Formate ohne DRM am Markt durchsetzen, würden die Verwertungsgesellschaften auch eine Vergütung einführen. Aktuell ist dies jedoch nicht zu erwarten.

Heft-CDs sind ein weiteres, unabhängig vergütungsfähiges Medium

Doch es gibt ein anderes, im Gegensatz zur Website meist übersehenes elektronisches Medium, das tatsächlich sowohl bei VG Wort als auch VG Bild-Kunst zusätzlich gemeldet werden kann: Die „Heft-CD“. Texte oder Bilder, die ein Autor zu dieser zuliefert, sind selbstverständlich meldefähig. Und dies gilt für eine CD-ROM mit eigenständigen Inhalten oder Ergänzungen zu den gedruckten Beiträgen ebenso wie für eine „Jahrgangs-CD“, die ein 1:1-Archiv aller Beiträge des Printmediums aufweist.

Es spielt dabei für die Vergütungsfähigkeit keine Rolle, ob diese CD-ROM dem Heft kostenlos beiliegt, als „Plus-Abo“ Aufpreis kostet, prinzipiell nur Abonnenten als „Jahresgabe“ zugeschickt wird oder auch ganz unabhängig vom Heft verkauft wird.

Posted in Recht | Tagged , | 4 Comments

Gotische Kathedralen – ein Open Data Projekt?

Gotische Kathedralen sind die größten Versammlungsgebäude der Welt mit Raumhöhen von 25 m und mehr, die von Baumeistern zwischen 1140 und ca. 1500 nach Christus für römisch-katholische Kulthandlungen errichtet wurden. Sie symbolisieren den kulturellen Kern und Höhepunkt des christlichen Abendlandes.

Dieser Artikel soll für ihre Schönheit begeistern, die historische Entwicklung der Bauformen schildern, die Einbettung in die kulturgeschichtliche Bedeutung zwischen der Romanik und der Renaissance darlegen, aber auch die Bedeutung für die katholische Kirche, die Politik, den Handel, Malerei und Musik skizzieren.

Es geht dann darum, dass wir mit den neuen Medien “mit Links, Videos, Bildern etc. ganz neue intellektuelle Inhalte schaffen können als Text und maximal Bildbände. Fußnotenliteratur kann diese Fußnoten gleich als Link auf das Original schreiben” (Gunter Dueck), so dass wir unsere Exzellenz steigern. Zum Schluss wird daher ein Projektvorschlag gemacht, wie mit neuzeitlichen Methoden, z.B. auch georeferenziert das Wissen über gotische Kathedralen (exemplarisch für andere Wissensgebiete) im Internet gebündelt werden kann, um es in Schule, Hochschule und anderswo neuartig und exzellent nutzen zu können.

Continue reading

Posted in Beobachtungen | Tagged , , , | Kommentare deaktiviert

Python für Anfänger

Es ist eine alte Diskussion, ob man, wenn man Datenjournalismus betreiben will, auch programmieren können muss. Bis vor kurzem war ich ja der Meinung, dass man zumindest Excel können sollte. Aber Excel stößt auch rasch an Grenzen bei sehr großen Datenbanken. Da ist Python das Werkzeug der Wahl.

Wer also selbst Hand anlegen möchte, dem sei zur Einführung dieser derzeit 43-teilige Youtube-Einsteigerkurs empfohlen. Python-Lehrer Bucky erklärt so einfach und ist damit so erfolgreich, dass er seit kurzem Vollzeit nur noch Online-Lehrer per Youtube ist – und sich natürlich auch noch anderen Themen widmet. Zum Nachlagen sei die MITOpenCourseWare ans Herz gelegt.

 

Posted in Anwendungen | Tagged , | Kommentare deaktiviert

Engagement ist nicht selbstverständlich

Auf einem kleinen Zettel habe ich mir notiert, was mir in meinen Nachgedanken zu Robin Meyer-Lucht in den Sinn kam:

Knotenpunkt & Übersetzung, Wissenschaft & Praxis, Energie & Aufmerksamkeit, Inspiration & Utopie

Er fiel mir als erstes in den Monaten vor der Carta-Gründung auf. Immer wieder erschienen kluge Texte und Interviews mit ihm über den digitalen Medienwandel, in denen er die Knackpunkte der Entwicklung klar benannte. Damals googelte ich seinen Namen und stieß nur auf eine recht dürre Website seines “Berlin Institutes”. Heute ist das ganz, ganz anders.

Irgendwann googelte ich wieder, da ich irgendwie erwartete, dass er mindestens ein eigenes Blog starten würde – und siehe da: Eine halbfertige Homepage kam mir entgegen – mit dem etwas wahnwitzigen, weil so umfassenden Namen “Carta”. Ich schrieb eine kleine Notiz.

In den darauf folgenden Tagen wollte ich ein Interview mit ihm machen. Wir telefonierten, ich versuchte mitzuschreiben und gab auf. Einerseits durfte ich vieles nicht aufschreiben, weil es noch in Überlegung war, oder weil es eine Einschätzung war, die er so dann nicht gedruckt lesen wollte. Andererseits interessierte er sich lebhaft für die Erfahrungen, die ich mit KoopTech gemacht hatte.

Ich empfahl ihm Rivva als Resonanztool und die VG-Wort-Zählpixel als kleine Einnahmenquelle. Zeigte mich jedoch sehr skeptisch, was seine Refinanzierungspläne durch Werbung anbelangte. Auch warnte ich davor, wie zeitraubend so ein Blog sein kann und dass er die damit verbundene Arbeit nicht unterschätzen dürfe. Das eine nahm er interessiert auf, das andere ignorierte er wohlweislich. Darüber bin ich ihm recht dankbar.

Eine angedachte gründliche Analyse des deutschen Verwertungssystem haben wir übrigens nicht einmal im Ansatz geschafft. Er wollte nicht reformieren, sondern das System von Grund auf neu denken.

Ein paar Wochen später, als Carta richtig durchstartete, gratulierte ich ihm zu seinem Erfolg – und merkte an, dass ich es sehr schätzte, mit wieviel Aufwand er sein Gruppenblog betrieb. In seiner Antwort erwähnte er nur bescheiden, dass er ja inzwischen einen Redaktionsassistenten habe, der viel Arbeit übernehme. Und nahm mir gleich einen Crosspost ab. Meine Bemerkung, dass der Assistent ja nicht alles machen könne, blieb unkommentiert.

Ich habe den Verdacht, dass nur wenige wissen, wie viel Arbeit und wie viel Energie mit einem solchen Projekt verknüpft sind. Es erfordert eine ständige Aufmerksamkeit für die Publikationen rundherum, nicht nur im Netz, sondern auch in den einschlägigen Fachzeitschriften. Es verlangt Fingerspitzengefühl und Geduld, die Autoren zu gewinnen, die Texte zu überarbeiten. Und immer wieder auf neue Artikel hin anzusprechen. Und schließlich Energie und Leidenschaft, um die Debatten anzuschieben und zu begleiten, ständig präsent zu sein. Daneben ist nicht viel anderes noch möglich.

Er agierte dabei immer auch als Knotenpunkt, als Brückenbauer zwischen der akademischen Welt und der journalistischen Praxis, in der er selbst Learning-by-doing die ersten Erfahrungen sammelte. Indem er wissenschaftliche Aufsätze vom Papier befreite, um sie in sein Debattenforum zu überführen, schuf er für die Medienwissenschaft eine sehr lebendige Öffentlichkeit. Er zeigte, was möglich ist, wenn man eine Fachöffentlichkeit engagiert pflegt – und gezielt Meinungen und Positionen aufeinander prallen lässt. Wie spannend die Diskussionen werden können, und wie rasch sich neue, noch ungelöste Fragen ergeben.

Das Ende von Carta führte aber auch vor, dass so etwas nicht auf dem Engagement eines Einzelnen beruhen kann, sondern, wenn nicht von vielen, zumindest institutionell gestützt werden sollte. Es ist jammerschade, dass Institutionen nicht von sich aus an Robin Meyer-Lucht herangetreten sind, um seine unabhängige Arbeit zu unterstützen.

Robin Meyer-Lucht hat gezeigt, wie viel man für eine medien- und netzpolitisch interessierte Öffentlichkeit in kurzer Zeit mit großem Engagement, mit Energie und einer persönlichen Utopie erreichen kann. Und er zeigte auch, welche Lücken es noch gibt, wie vieles ungelöst ist, und wo überall engagierte Menschen gebraucht werden, die als kompetente Brückenbauer agieren.

Engagement ist nicht selbstverständlich, es ist immer ein Geschenk. Danke dafür!

Gesammelte Nachrufe gibt es natürlich bei Carta zu lesen.

Posted in Medien | Tagged | 1 Comment

Trolldebatte aus Schweden

In der SZ ist heute ein sehr interessanter Gastkommentar des schwedischen Journalisten Leo Lagercrantz zu lesen, der sich über Jahre von einem wohl bekannten politischen Leitartikler zu einem enthusiastischen Online-Debatten-Initiierer entwickelte – und heute eine konsequente Kommentarzensur befürwortet. Anders sei nämlich frauenfeindlichen, rechtsradikalen Trollen nicht beizukommen, die ja nur mal etwas sagen dürfen wollen.

Lagercrantz sieht in dem – für ihn offenkundigen – Versagen, im Netz eine gepflegte Diskussionslandschaft ohne größere Eingriffe in die Leserkommentare herzustellen, mit einen Grund dafür, dass rechtspopulistische Ideen zunehmend gesellschaftliche Akzeptanz erfahren. Der Oslo-Attentäter sei vermutlich der erste Troll gewesen, der zur Waffe gegriffen habe. Sein eher bitteres Fazit lautet daher:

Persönlich verstärkte das Massaker in Norwegen mein Gefühl, gescheitert zu sein. Nicht weil ich “zensierte”. Sondern weil ich es nicht früher und entschlossener tat.

Posted in Medien | Tagged , | 3 Comments