Autoren-Archiv: Johannes Willms

Johannes Willms: Talleyrand

11. September 2011
Von den drei Möglichkeiten, die Talleyrand zwischen 1789 und 1814/15 aufgrund seines aristokratischen Herkommens hatte, Emigration, Passivität oder die Bereitschaft, dem Staat, sprich dem jeweiligen Regime, zu dienen, entschied er sich immer für das Letztere.

978-3-406-62145-1Johannes Willms setzt die Reihe seiner französischen Biographien fort, diesmal mit einem Seitenstück zu seiner umfangreichen Napoleon-Biographie. Talleyrand ist wohl eine der schillerndsten politischen Figuren der Wendezeit zur europäischen Moderne. Er hat es verstanden sowohl vor und während der Französischen Revolution als auch unter Napoleon und der auf ihn folgenden Restauration bedeutende politische Positionen einzunehmen. Keine seiner politischen Niederlagen hat ihn wirklich zu Fall gebracht, jeder seiner Rücktritte markiert nur eine Phase des Übergangs bis zum nächsten Aufstieg in Amt und Würden. Selbst als er sich mit guten Gründen und aus freien Stücken endgültig ins Privatleben zurückziehen wollte, erwies sich sein Drang zu Macht und Einfluss als zu stark, und er betrat binnen Kurzem wieder die politische Bühne. Dabei muss er im persönlichen Umgang ein bestrickender Gesprächspartner voller Esprit gewesen sein.

Johannes Willms zeigt sich mit diesem Buch einmal mehr als ein vorzüglicher Biograph, der nicht nur exzellent schreibt, sondern es auch versteht, den richtigen Abstand zu seinem Objekt einzunehmen: Weder verherrlicht er Talleyrand noch stimmt er in die Kritik ein, die in diesem Mann hauptsächlich einen schamlosen Opportunisten der Macht erkennen will. Sein Blick auf Talleyrand ist differenziert und von einem tiefen Verständnis für dessen Person und die gesellschaftliche, soziale und politische Situation Frankreichs im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert getragen. Dabei scheut er sich nicht vor starken, eigenständigen Urteilen, die zum Teil so ausfallen, dass ihm die historische Forschung kaum wird folgen wollen, was nicht heißen soll, dass diese Urteile falsch sind. Und da Willms spätestens seit seiner Napoleon-Biographie als ausgewiesener Kenner der französischen Geschichte gelten darf, hat das Buch zudem den Vorteil, dem Leser wie nebenbei eine kleine Historie der Französischen Revolution und ihrer Folgen für Frankreich und Europa zu liefern.

Nicht nur wer Willms »Napoleon« goutiert hat, sollte dieses Buch nicht an sich vorbeigehen lassen, sondern auch all jene, die sich für die Französische Revolution als einem der Keime der heutigen westlichen Welt interessieren.

Johannes Wilms: Talleyrand. Virtuose der Macht 1754–1838. München: C. H. Beck, 2011. Pappband, Lesebändchen, 384 Seiten. 26,95 €.

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Johannes Willms: Stendhal

15. Mai 2010

978-3-446-23419-2Wie schon bei seiner Balzac-Biografie liefert Johannes Willms auch für Stendhal in der Hauptsache die biografischen Daten und nur wenig zum Werk. Das ist in diesem Fall um so bedauerlicher, weil ein Großteil des Lebens von Stendhal ein sich wiederholendes Muster aufweist, das mit geringer Variationsbreite immer erneut abgearbeitet wird: Stendhal verliebt sich unglücklich, belagert das »obskure Objekt der Begierde« eine längere Weile, kommt mehr oder weniger zum Erfolg und wechselt dann das Objekt, kaum aber sein Empfinden oder seine Methoden. Natürlich kann man seinem Biografen nicht vorwerfen, dass dies auch weite Teile der Lebensbeschreibung ziemlich eintönig macht.

Erst relativ spät tauchen in Stendhals Leben einige andere interessante Leute auf, und wir erfahren etwas über die literarische Kultur und die Salons in Paris im frühen 19. Jahrhundert. Aber schon muss Stendhal wieder fort nach Italien, um im provinziellen Civitavecchia den Posten eines Konsuls zu bekleiden. Nach der Lektüre des Buches musste wenigstens ich feststellen, dass die Romane Stendhals unvergleichlich viel interessanter sind als sein Leben. Von daher ist es ein wenig Schade, dass sich Johannes Willms nur vergleichsweise knapp mit der literarischen Produktion Stendhals auseinandersetzt, zum Ausgleich aber sehr ausführlich mit dessen narzisstischer Veranlagung.

Johannes Willms: Stendhal. München: Hanser, 2010. Pappband, 333 Seiten. 24,90 €.

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Johannes Willms: Napoleon III

10. Oktober 2008

willms_napoleon-IIINach der umfangreichen Biografie über den Onkel hat Johannes Willms nun auch dem Neffen und letzten französischen Kaiser eine Biografie gewidmet. Sie ist – fast möchte man sagen glücklicherweise – bei weitem nicht so umfangreich geraten wie der Vorläufer, was aber sowohl dem Gegenstand als auch der Interessenlage deutscher Leser angemessen ist. Willms wirbt für ein gerechteres Bild dieses Mannes, der aus deutscher Sicht oft nur von seinem geschichtlich unglücklichen Ende her als Opfer der Bismarckschen Politik eines deutschen Nationalstaates begriffen wird.

Das Leben Louis-Napoleon Bonapartes ist schon früh von einem Verlangen nach politischem Einfluss und Fortsetzung der Herrschaft seines Onkels geprägt, was der Familienpolitik der Bonapartes entgegensteht, die bestrebt waren, in Ruhe ihre Pfründe zu verzehren. Prägend für die Karriere des späteren Kaisers waren sicherlich die beiden früher, eher phantastischen Versuche eines Staatsstreiches, dessen zweiter ihn immerhin für sechs Jahre ins Gefängnis gebracht hat.

Man muss nach der Lektüre von Willms’ Biografie zugestehen, dass sich Louis-Napoleon in der Folgezeit der Revolution von 1848 als vorausschauender und seinen Konkurrenten überlegener Politiker erwies, der es mit großem Geschick verstanden hat, seine Popularität bei weiten Teilen der Bevölkerung in konkrete politische Macht umzumünzen. Auch sind seine innenpolitischen Erfolge beeindruckend, doch die außenpolitischen Ambitionen erscheinen anfänglich überzogen, später dann teils abenteuerlich, teils naiv angesichts des Standards, den die Bismarcksche Behandlung desselben Terrains setzt. Gerade hier muss man Willms’ Darstellung loben: Die der europäischen Außenpolitik Napoleon III. gewidmeten Teile seiner Biografie sind – angesichts der verwickelten Sachlage – von musterhafter Stringenz und Klarheit. Die internationalen Verwicklungen werden insgesamt deutlicher und strukturierter herausgearbeitet als die innenpolitischen Verhältnisse, denen sich der Kaiser gegenübersah. Sicherlich wird an einigen wenigen Stellen eine unangemessene Antipathie Bismarck gegenüber spürbar, aber das mag bei einer Biografie über Napoleon III. nahezu unvermeidlich sein.

Insgesamt eine sehr gut lesbare, kurze und informative politische Biografie, die das Bild Frankreichs im 19. Jahrhundert um wichtige Aspekte ergänzt.

Johannes Willms: Napoleon III. München: Beck, 2008. Pappband, 311 Seiten. 24,90 €.

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Johannes Willms: Balzac

23. Januar 2008

willms_balzacJohannes Willms legt eine sehr lesbare, detaillierte und kenntnisreiche Biographie dieses in Deutschland immer noch als zweitrangig betrachteten Autors vor. Im Gegensatz zu vielen Schriftstellerbiographien akademi- schen Ursprungs handelt es sich tatsächlich um eine Lebensbeschreibung, nicht um eine Einführung ins Werk. Auch im Gegensatz zu den akademischen Gepflogenheiten verzichtet Willms auf Fuß- oder Endnoten oder ein ausführliches Verzeichnis der benutzten Sekundärliteratur, was ihm die meisten Leser wahrscheinlich danken werden. Was allerdings schmerzlich fehlt sind Abbildungen; besonders Reproduktionen der an einigen Stellen erwähnten zahlreichen Karikaturen Balzacs habe ich vermisst.

Insgesamt handelt es sich bei dem Buch um eine Sammlung von Klatsch und Tratsch auf hohem Niveau. Balzac hat Zeit seines Lebens mit seinen ständig wachsenden Schulden und seinen Gläubigern gerungen, was ihn allerdings nicht davon abgehalten hat, seinen luxuriösen Lebensstil fortzuführen, ja den Luxus entgegen besserer finanzieller Einsicht immer noch weiter zu steigern. Rettung erhoffte sich Balzac stets durch irgendwelche wundersamen Geschäftsgewinne – alle Versuche in dieser Richtung endeten bereits nach kurzer Zeit im nächsten finanziellen Desaster – oder durch eine vorteilhafte reiche Heirat, die ihn auf einen Schlag aller Sorgen entledigen sollte. Mehr der Not gehorchend als der Neigung sah er sich gezwungen, sich auf sein einziges wirkliches Talent, das Schreiben, zu stützen, um wenigstens den dringendsten Luxus finanzieren zu können. So erwähnt Willms häufiger strohgelbe Glacéhandschuhe, von denen Balzac scheint’s immer ein oder zwei Dutzend Paar zur Verfügung haben musste, um sich wohl zu fühlen.

Willms Biographie zeichnet sich durch ihren Stil und ihre Aufrichtigkeit aus. Wie schon für seinen »Napoleon« wertet Willms umfangreich Briefzeugnisse aus, um ein möglichst genaues und persönliches Bild zu erreichen. Dabei weicht er den unangenehmen Seitens Balzacs nicht aus: nicht dem gespannten und oft wahnverpflichteten Verhältnis zur Mutter, nicht seiner rücksichtslosen Ausnutzung von Menschen, die ihn offensichtlich schätzen oder gar lieben, nicht seiner Verlogenheit sich und anderen gegenüber, nicht seiner Neigung, die Verantwortung für seine Misere auf andere zu übertragen, nicht der gänzlich blauäugigen Naivität in Geld- und Geschäftsangelegenheiten. All dies wird von Willms mit der nötigen Neutralität dargestellt, ohne ein moralisches Urteil zu fällen, ohne aber auch zu behaupten, dies alles sei notwendig so geschehen, wie es geschehen ist. Willms bewahrt eine objektive, aber zugleich empathische Distanz, die man sich in der biographischen Literatur häufiger wünschen würde. Hinzukommt, dass Willms über eine eingängige und sehr gut lesbare Sprache verfügt, die das Buch zu einem wirklichen Lektürevergnügen macht. – Allen »guten Lesern« ans Herz gelegt!

Johannes Willms: Balzac. Zürich: Diogenes, 2007. Leinen, 367 Seiten. 24,90 €.

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