Literarische Weblogs als Roman? Der fiktive Autor? Eine Spielwiese mit Bruchstelle.
Immer wieder taucht eine an den Poststrukturalismus und das Postulat des Autorentodes angelehnte Auffassung auf, Literatur sei nicht nur das, was man zwischen zwei Buchdeckeln bisweilen findet oder in elektronischer Form als e-book, sondern ein Weblog, wenn es sich denn mit literarischen Themen beschäftigt und von einem Autor in literarischer Absicht und mit entsprechendem Sprachniveau geschrieben wird, sei selbst bereits Literatur oder ein Roman. Jüngste und aktuelle Vertreter dieser Auffassung, mit denen ich zumindest virtuell Bekanntschaft machen durfte, sind Alban Nikolai Herbst mit seinem Blog “Die Dschungel. Anderswelt” und der Betreiber des Weblogs “Aleatorik”, das von einer literarischen Figur “Alea Torik” betrieben wird und dessen Autor sich zumindest bisher bedeckt hielt. Bei Herbst heißt es ein wenig euphorisch zum Beispiel:
Insofern ist der gegenwärtig modernste Phantastische Raum das Internet, worin sich, zumal fast in Echtzeit, persönlich Reales mit Fiktivem vermischt. Alles wird hier Literatur und der Autor, bzw. die Autorin selbst zur literarischen Figur, die mit anderen, teils realen, teils ebenfalls erfundenen Figuren ein Netzwerk aus avataren Kommunikatoren bildet, um deren Erscheinung im Netz, das ich einen ortlosen Ort nennen möchte, sich ausgeprägte Nester bilden.
Die beiden erwähnten Blogs sind selbstverständlich literarische mit Niveau, aber auch gleichzeitig Mittel literarischer Selbstinszenierung und dienen neben aller Literarizität auch dazu, ganz solipsistisch auf das eigene literarische Werk aufmerksam zu machen, ja letztlich den Bekanntheitsgrad und den eigenen Ruhm zu stärken. Nun könnte man sagen, wer täte das nicht. Berühmt wollen wir doch alle werden. Wenn schon nicht steinreich, dann wenigstens unsterblich. Ich stelle die obige Frage so naiv, weil ich bisher keine wirkliche Diskussion zu diesem Thema gefunden habe. Entweder man bejaht das anscheinend als legitimes Schreibkonzept von Weblogs oder beispielsweise Kommentatoren solcher Blogs begreifen sich gar nicht als literaturbeitragende Avatare, wenn sie dort kommentieren, denn solche würden sie ja zwangsläufig, wenn das Ganze immer schon Literatur und Fiktion war, ist und wird. In Alban Nikolai Herbsts “Anderswelt” haben wir es mit einem realen Autor zu tun, der sein künstlerisches Sein einschließlich des Privatlebens literarisch verarbeitet, ja sogar die Grenzen zwischen einer Buchpublikation und dem Weblog an sich aufhebt, wie man z. B. an der Novelle “Die Fenster der Sainte Chapelle” ablesen kann, der zunächst im Blog erschien. Der reale Autor arbeitet unter offen bekanntem Pseudonym daran, neben dem Werk, auch sein Leben zu Literatur werden zu lassen.
Der Autor des zweiten Weblogs “Aleatorik” geht nun noch einen Schritt weiter und schreibt seinen Blog, als wäre er ein weibliches Wesen mit Namen Aléa Torik, das wiederum nur eine Figur aus seinen eigenen Büchern ist. Im neuen Roman “Aléas Ich” wird das Schreiben eines Weblogs ausdrücklich thematisiert und einzelne Beiträge davon erscheinen nun auch im Roman selbst wie bei Herbst. Bei der in meinem Blog nachzulesenden Vorgeschichte zur vermeintlichen Autorin hege ich natürlich gewisse Ressentiments gegenüber dem Weblogbetreiber und Autor, die ich erst kürzlich in einer ziemlich kritischen, ja sogar mörderischen Persiflage zum Ausdruck gebracht habe. Ich habe das erste seiner(!) Bücher “Das Geräusch des Werdens” ziemlich exzessiv besprochen und war von einigen Kapiteln des Romans sehr angetan. Mein kritisches Hinterfragen spricht sich also nicht gegen das Buch an sich aus, es gilt aber der Schnittstelle der Kommentare, die in dieser Form der literarischen Weblogs als Konzept gewollt sind, um die Selbstpräsentation insgesamt interessanter zu gestalten. Für mich gibt es hier eine Bruchstelle und genau um diese geht es mir. Es geht um das Bewusstsein, in dem ich als Kommentator in einem solchen angeblich romanhaften Blog schreibe. Der obige Ansatz kommt mir so vor, als würde jemand erst nachträglich immer dieses Konzept quasi dem Weblog idealistisch überstülpen, aber meine Erfahrung in diesen kommentierten Blogs besagen genau das Gegenteil. Es ist ja egal, in wie viele Figuren sich da ein Autor literarisch zu zersplittern versteht und sogar mit sich selbst oder diese Figuren dann miteinander reden wie in einem Theaterstück. Nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass bei einem Blog in den Kommentaren hinter diesen Figuren reale menschliche Wesen sitzen, die sich auch gerade deshalb des Öfteren gegenseitig beleidigen oder angegriffen fühlen. In einem anonymen Raum darf man sich über ätzende Trolle nicht wundern. Macht es denn Sinn, in einem Blog immer nur als literarische Kunstfigur zu kommentieren, sodass nicht mehr klar erkenntlich ist, wann sich der Autor selbst zu Wort meldet? Der Riss zum eigenen Selbst des tatsächlichen Autors, das sich möglicherweise angegriffen fühlt, muss doch immer künstlich gekittet werden. Was also an einem Weblog ist fiktive Literatur und was nicht? Im immer fiktiven Roman identifiziere ich mich lesend mit ebensolchen fiktiven Figuren, im Weblog dagegen glaubt der Kommentierende, mit einem nichtfiktiven Autor zu kommunizieren.
Tatsache scheint mir zwangsläufig zu sein, dass es auch ein Gefälle im Wissensstand der Beteiligten gibt, d.h. der Blogbetreiber befindet sich automatisch im Vorteil gegenüber Kommentierenden. Sie und vielleicht reale Bekanntschaften und Freunde seines Umkreises, das Nest der Mitwissenden, besitzen den Status von Eingeweihten, was die wahre Identität der Sprechenden betrifft. Der zunächst ahnungslose, nicht eingeweihte Kommentator hat zwar auch das Recht, anonym zu posten, er spricht aber im Zustand einer Blindheit. Aus dieser Unterhaltung von Unbekannten wird dann der Schluss gezogen, auf der Textebene gäbe es keine wahren Identitäten mehr, alles sei ein freies Spiel, neu temperiert wie ein Klavier von John Cage. Dennoch verhalten sich die Spieler und Avatare als säßen hinter ihrer Camouflage echte Menschen und jetzt kommt das Entscheidende bei einem kommentierten Weblog: in diesem speziellen Fall tun sie es im Gegensatz zu einem Roman oder gestalteten Kunstwerk auch wirklich.
Literarisches Happening? Ein Roman, der sich selbst jeweils in Echtzeit schreibt. Wir sind nur noch Wesen der Cyberwelt, die in ihre Avatar-Kostüme schlüpfen, anonyme Chatroom-Besucher sollen Literatur produzieren? Sie produzieren sie, ohne es zu wissen, während das Herrschaftswissen sich auf den Blogbetreiber und einem Kreis von Eingeweihten verlagert hat. Vermintes, oft mit elitärem Anspruch geführtes Cyborg-Gelände der Ungleichheit? Sind wir als Weblog-Kommentierende denn immer nur Schatten unserer selbst? Ist Welt außerhalb des Romans, also z. b. das Weblog, immer nur Fiktion? Warum dann nur ein Weblog als Literatur bezeichnen und nicht gleich die ganze Welt? Ist Welt immer nur Text, in sich abgeschlossene Textur? In der literarischen Fiktion mag das stimmen, obwohl in dem Abbildungscharakter immer auch mehr mitschwingt als nur Buchstaben. Dabei kann die Absicht dahinter durchaus edel gemeint sein, immerhin entblößt sich auch der Blogbetreiber bis zu einem gewissen Grad. Gefährlich wird es immer nur dann, wenn er die Fäden nicht mehr alle in der Hand zu halten scheint, wenn sich Kritik zu lautstark verselbständigt oder gar den Autor hinter seiner Kunstfigur kritisiert.
Es ist ja durchaus ein zu lobender und idealistischer Ansatz, der dahinter steckt, das literarische Weblog als Roman aufzufassen, als literarisches Happening, in dem nur Projektionen aufeinanderprallen, der neue Raum der literarischen Post-Postmoderne. Die Frage bleibt, ob ein Weblog dies wirklich leisten kann. Was die Kommentarfunktion angeht sicher keineswegs schmerzfrei. Ein elitärer Ansatz, eine etwas hochmütig anmutende Differenz, scheint mir schon deshalb gegeben, weil der Informationshorizont innerhalb der sich bildenden Community, des sich bildenden Nestes aus Avataren, kaum unterschiedlicher sein könnte. Es bleibt ein Geruch undemokratischer Inszenierung, die nur den akzeptieren will, der die einmal aufgestellten Spielregeln akzeptiert. In gewisser Weise führt es sich damit selbst ad absurdum, denn es beschneidet den Raum des Sprechens, den es gerade literarisch zu öffnen versucht.
Jede Interaktion im Kommentarstrang lässt sich nachträglich wenn nötig irgendwie als Fiktion wegerklären. Schließlich hätten sich nur Avatare gestritten, vielleicht nur eine Person mit sich selbst. Der Hauptvorwurf aber bleibt die Ungleichheit, der verschleierte Status des Autors gegenüber seinen Kommentierenden. Alle hängen an der Hauptfigur, dem Blogbetreiber, eine Art “deus ex fiktionalis”. Es ist letztlich nur seine Welt, die literarisch überhöht wird. Weblogs degenerieren zu Inszenierungen, die nur noch auf Zustimmung lauern oder auf Kritik, an der sie sich selbst noch einmal in Szene setzen können.
Literarische Weblogs sind eine besondere Form in der Blogosphäre und der Autor oder die Autorin setzten darauf, das der Mitlesende und gelegentliche Kommentator sein kunstästhetisches Interesse auch in einer sprachsensitiven, literarischen Form äußert. Vom idealen Leser ist des Öfteren die Rede, dessen Beiträge selbst künstlerischen Charakter trügen. In einem Weblog aber, das lediglich ein fiktiver Autor betreibt, der eine erfundene Figur seiner Romane für sich sprechen lässt, wird dieser wohlwollende, ideale Leser zum manipulierten Claqueur degradiert, denn er durchschaut das täuschende Spiel nicht, das ihn benutzt, um die Popularität des sich hinter seiner Kunstfigur versteckenden Autors zu steigern. Auf den fiktionalen Charakter der Autorschaft wird bewusst als Täuschung nicht hingewiesen, lediglich darauf, dass alle Beiträge dokumentiert werden und dazu gäbe man ohne weiteres Zutun seine Zustimmung. Der Kommentierende sitzt also in der ihm gestellten Falle, wenn er sich nicht per se selbst auch als fiktiv versteht, wird er quasi als literarischer Dilettant verhöhnt, der die fiktionale Spielstruktur nicht verstanden hätte. Der tatsächliche Autor wähnt sich auf der Seite einer elitären Kunst, die vom gemeinen Volk nicht verstanden wird und will sich für eine vorsätzliche Täuschung auch noch feiern lassen.
Woraus aber sollte nun die Alternative für diese verschiedenen Formen des fiktionalen Weblogs bestehen. Zumindest müsste es eine Plattform sein, die demokratischer und transparenter wäre, vielleicht ein gemeinsames Forum mit gleichberechtigten, eingeladenen Gästen. Gemeinsame Schreibprojekte mit gleichberechtigt Schreibenden. Die geschlechtlichen Identitäten zumindest sollten, ohne Verletzung der jeweiligen Privatsphäre selbstverständlich, allen bekannt sein. Wenn jemand anonym bleibt, hat er etwas zu verbergen. Das ist sein Recht, aber andere in eine ausschließlich täuschende Verborgenheit hinein zu ziehen, sollte man unterlassen. Die im Roman notwendige und funktionierende Fiktion ist auf ein kommentiertes, literarisches Weblog nicht übertragbar! Auch nur ein kleiner, sanfter Hinweis darauf, das man sich nicht mit dem wirklichen Autor, sondern auch mit seinen erfundenen Figuren unterhält, wäre eine doch legitime Forderung. Vor allem aber, wenn es sich beim wirklichen Blogbetreiber auch um einen Vertreter des jeweiligen anderen Geschlechts handelt, in dessen Namen er vorgibt, seine Meinung zu äußern. Sonst ist das schlicht eine täuschende, selbstüberhebliche Okkupation der tatsächlichen Sprachidentität des anderen Geschlechts im öffentlichen Raum. Man(n) maßt sich z. B. eine feministisch ausgerichtete Rollenidentität an, die ihm einfach an dieser Stelle nicht zusteht.
Kurz nur, da meine Zeit knapp ist, vielleicht schreibe ich Ihnen noch eine längere Entgegnung auf meinem Blog: Ich wußte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nichts über das Geschlecht, die Hintergründe von Aléa Torik. Es war mir im Grunde auch egal, weil ich mich in Blogs wie auf der grünen Wiese der Fiktion umhertreiben lasse. Inmitten von Blume, Klee und manchmal eben auch von Hundekötteln.
In der Welt der Aléa Torik bewegte und bewege ich mich gerne. Ja, ich hätte am liebsten Aléa und Olga zusammen im Bett gehabt und mit ihnen gevögelt. Mit Aléa noch lieber als mit Olga, da ich einen Faible für junge intellektuelle Frauen habe – je intellektueller, desto besser. Aber ob diese jungen Frauen wohl mit einem vor drei Jahren noch 45-Jährigen Mann ins Bett gewollt hätten? Wir wissen es nicht. Es bleibt fiktiv
Sie schreiben: „Was also an einem Weblog ist fiktive Literatur und was nicht? Im immer fiktiven Roman identifiziere ich mich lesend mit ebensolchen fiktiven Figuren, im Weblog dagegen glaubt der Kommentierende, mit einem nichtfiktiven Autor zu kommunizieren.
Tatsache scheint mir zwangsläufig zu sein, dass es auch ein Gefälle im Wissensstand der Beteiligten gibt, d.h. der Blogbetreiber befindet sich automatisch im Vorteil gegenüber Kommentierenden. Sie und vielleicht reale Bekanntschaften und Freunde seines Umkreises, das Nest der Mitwissenden, besitzen den Status von Eingeweihten, was die wahre Identität der Sprechenden betrifft. Der zunächst ahnungslose, nicht eingeweihte Kommentator hat zwar auch das Recht, anonym zu posten, er spricht aber im Zustand einer Blindheit.“
So ist es: das Internet handelt von einem Zustand der Blindheit und es existieren natürlich Gefälle: „Blindness and Insight“, wie das Buch eines belgischen Literaturtheoretikers sich nennt. Wer das nicht will, muß andere Räume aufsuchen. Im Internet ist es wie unter einer Burka: Es könnte dein eigener Onkel darunter stecken, wie es eine afghanische Frauenpunkband (gibt es wirklich, sowas) einmal sangen. Ja, und warum auch nicht? Internetblogs sind keine Bekanntschaftsanzeigen. Da erwarte ich dann schon, daß blonde Haare nicht plötzlich schwarze sind oder vice versa.
Entgegen Ihrer Annahme ist die Autorin oder der Autor aber nicht nur eine Instanz, die die Fäden in der Hand hält, und schon gar nicht auf eine Weise, die in der Logik der Identifikation arbeitet. Das mag allenfalls aus einem bestimmten, nämlich identitären Blickwinkel heraus gelten. Jeder Kommentator, jede Kommentatorin kann als etwas schreiben, was er, was sie nicht ist. Das Spiel ist für alle Seiten konstitutiv
Was Aléa Torik betrifft, so handelt es sich um eine kluge Weise von Selbstreferentialität von Literatur und Reflexion auf das eigene Schreiben, die eigene Produktion, die klug und dialektisch verwinkelt daherkommt. Daran hat ihr Blog von Anbeginn an keinen Zweifel gelassen. Und wie schon gesagt: das ist mir lieber als mancher Familien-Literatur-Empfindungsblog, der wie ein Ikea-Katalog oder als eine Ausgabe von Schöner Wohnen, schöner Leben auftritt.
Falls es Sie übrigens vom Faktischen her interessiert: auch ich gehörte zu denen, die zunächst glaubten und die dann sehen durften: Und es hat dieser Nachmittag mit einer Schriftstellerin – irgendwann im August in einem Restaurant in Kreuzberg, das ich aussuchte – mir sehr gut gefallen. Erst staunte ich, dann mußte ich lachen und fand’s genial. Das ganze funktioniert wie ein Spiegel und verweist den Blick auf sich selbst zurück. Für alle, die es so gerne faktisch und auf die Ichheit bezogen sehen möchten.
ANH kenne ich noch zu wenig. Allenfalls durch ein wenig Lesen und durchs Lob des Germanisten Ralf Schnell. Und übrigens: diese Episode mit Joseph Vogl bei „Aléas Ich“: das ist sehr spielerisch und durchdringt Fiktion und Realität in einer Weise, die funktioniert. Insbesondere wenn man weiß, womit sich Vogl beschäftigt. Endlich wird über die „Funktion des Autors“ geschrieben, ohne daß es in ein irgendwie biographisches Element abrutscht. Literaturtheorie und Literatur, literarischer Text und Metaebene als ein Zustand. Das nun ist in der Literatur nicht so häufig anzutreffen. Trotz Queneau, Flann O’Brien, Calvino, Borges oder David Foster Wallace. Und im Grunde lassen sich solche Fragen doch auch an Kierkegaard, an Victor Eremita oder an Anti-Climacus stellen. Nur konnten die noch keinen Blog betreiben.
Vielleicht mag alles das, was Aléa Torik macht, noch nicht ausgereift sein, darüber vermag ich nicht zu urteilen, aber es scheint mir doch eine vielversprechende Spur, der zu folgen sich lohnt.
Im Gegensatz zu Ihnen halte ich dieses sich ständig über andere Berühmtheiten sich legitimieren wollende Schreiben für nicht so „vielversprechend“. Es riecht eher nach Name-Dropping, was ich für eine unzulässige Form der Selbsterhöhung erachte. Kleist, Deleuze und Cartarescu müssen gleich auf der ersten Seite in „Aléas Ich“ als Zitate und Referenz des eigenen literarischen Tuns herhalten. Ob sich Joseph Vogl geehrt fühlt, in diesem Werk als Literaturprofessor herhalten zu müssen, sei auch in Frage gestellt. Aber da wir ja bei der allseits zitierten Differenz sind, dürfte der Vogl im Buchkontext mit dem tatsächlichen ja überhaupt außer der Namensgleichheit nichts zu tun haben. Wie sagten sie so leicht dahin, er wird als Funktion gebraucht. Eine verstärkende Funktion, balsamen Zuspruch suchte wohl auch der Blogbetreiber von Aléatorik zeitweise. Das Name-Dropping funktioniert übrigens auch fotografisch, wie ich bei Ihnen an einem Foto mit sicher nicht zufällig aufgeschlagenen, mitfotografiertem Maurice Blanchot erkannte. Wie man bei dem reduzierten Sprachgebrauch von A. T. Vergleiche mit Cartarescu heranzuziehen wagt, ist mir sowieso schleierhaft. Auch Ihr oben erwähnter Flotter-Dreier-Wunsch mit jüngeren Romanfiguren, geschenkt! Dann immer wieder diese ganzen Verrenkungen an einem polyphonen Ich-Begriff entlang, auf die Dauer langweilig. Ablenkungs- und Rechtfertigungsversuche… Was das groß geschriebene literarische Ich betrifft, möchte ich mit einem Zitat enden, das es nicht besser, was Fakeblogs angeht, auf den Punkt bringt:
„Ich ist immer auch eine Andere. Dennoch brauche ich nicht zu täuschen. Die Einsicht in die Inkongruenz des Selbst ist nämlich keineswegs und gerade nicht die Lizenz zum Betrug.“
Der Buecherblogger
“Ich ist immer auch eine Andere. Dennoch brauche ich nicht zu täuschen. Die Einsicht in die Inkongruenz des Selbst ist nämlich keineswegs und gerade nicht die Lizenz zum Betrug.”
Das sehe ich genau so, auch wenn ich eine gewisse Faible für Gedankenkonstrukte und polymorphen Zirkeldance habe…
Was im ersten aleatorischen Buch auch noch wunderbar funktioniert, das stellt sich im zweiten selbst bloß. „Aleas Ich“ man hätte es ahnen können, liest sich wie die Fussnote zu AleaTorik, wie eine nachgeschobene Eräuterung all dessen, was im Geräusch des Werdens so wunderbar und leicht von allein funktioniert. Wenn das Geräusch des Werdens ein Versuch ist ein Grenze zu überschreiten, so bleibt AleasIch, leider das verzweifelte Bemühen diesen Grenzübertritt zu rechtfertigen. Vor wem eigentlich? Vor uns, den Lesern; unnötig, wir haben mit Staunen und Spannung im ersten Buch gelesen und gesehn wohin die Reise geht. Wir sind gern und willig gefolgt, einige sogar bis über die Grenze.
Wenn das Rechtfertigungswerk aber nicht für die Leser ersonnen wurde; für wen dann? Für das Autoren ICH, den Autor, hinterm Autor? Die Person, hinter der Person? Manchmal verrät das Versteck eines Menschen auch mehr über den Untergetauchten als dieser glaubt.
Warum also diese Rechtfertigung, dieses aufgesetzte nachhakende Bemühen für eine Idee, die durchaus auch für sich alleine stehen kann? Möglicherweise auf wackligen Füßen, aber sie steht.
Eine Haltung von der ich überzeugt bin , muss ich nicht im Nachgang rechtfertigen, denn diese steht für sich selbst.
Es ist eben, wie mit all diesen Dingen, die sich normalerweise gern mit Ismen schmücken (Feminismus; Narzissmus) so auch mit der Fiktionalität.
Die Fiktionalität bleibt eine Krücke, wer laufen kann sollte die Beine benutzen.
Nun ist es natürlich andererseits so, dass ein Romanautor erst durch seine Fiktion überhaupt läuft. Ob ohne oder mit welchen Krücken entscheidet er selbst. Ich habe bisher erst die Hälfte von „Aléas Ich“ gelesen und beginne gerade darüber nachzudenken, welchen Unterschied es beim Lesen ausmacht, ob ich annehmen würde, die Autorin auf dem Titelblatt, also die in dem, was wir gemeinhin Realität nennen, wäre mit der Protagonistin identisch. Vieles liest sich für mich sicher anders, weil ich von vornherein weiß, dass das nicht der Fall ist. Spannender würde es vielleicht, wenn die Verschleierungstaktik des Autoren-Ichs, also die Erfindung des Autors selbst zum Gegenstand im Roman würde. Bis auf die Stelle mit dem roten Pullover, der möglicherweise darauf hinweist, dass der „Adrian“ auf der Banderole ein tatsächliches Foto des Autors darstellt, ist das bisher nicht geschehen. Es gibt nur ständig linguistische Spitzfindigkeiten und manchmal dümmliche Nachfragen, die Etymologie oder die Indifferenz von Zeichen und Bezeichnetem betreffend. Das eigentlich heiße Eisen aber wird bisher weder im Buch selbst, noch in dem Blog Aleatorik angesprochen. Dort gibt es nur ein weiterhin geschicktes Rechtfertigungsverhalten, dass sich angeblicher Zustimmung von strukturalistischen Literaturtheorien bedient oder ein Hohes Lied auf die Fiktion generell singt, die alle physikalischen Grenzen sowieso sprengt und als quasi Religionsersatz herhalten muss. Ich finde es toll, dass Sie hier sehr analytisch Ihre Meinung zum Buch und zum Autoren-Weblog-Problem äußern.
In der Literatur selbst kennt man ja so was wie eine Rahmenhandlung speziell in der Romantik, die zunächst einen Erzähler einführt, um zu verdeutlichen, dass der Autor nicht selbst erzählt. In Wahrheit tut er das natürlich immer, denn Bücher werden immer noch nicht mit dem zweiten Gesicht oder von Gott auf Moses Tafeln geschrieben, sondern sie bleiben immer ein Konstrukt des Autors. Selbst wenn dieser sich nicht zu erkennen geben will. Um Kommunikation handelt es sich im weitesten Sinne sowohl beim Verhältnis Buch/Leser, denn die Fiktion des Autors unterhält sich beim Lesen mit der Fiktion, die der Leser sich im Prozess des Lesens einbildet, als auch in den Kommentaren eines Weblogs. Philosophisch mag dahinter die Frage stehen, ob die Welt überhaupt nur Einbildung ist oder tatsächlich jenseits von dieser existiert. Aber hier geht es nicht um Philosophie, sondern um Literatur. Man kann allerdings auch durchaus einräumen, dass es hin und wieder recht gut gelungene Szenen und Absätze gibt. Wenn nur nicht immer dieser Hang zum Idyllischen wäre. Weder das moderne Großstadtleben noch das dörfliche in Rumänien sind mir realistisch genug dargestellt. Über allem wabert eine teils kitschige Phantasieblase, die bunt, jung und modern wie die Protagonistin rüberkommen möchte. Ab und zu kann ich mir durchaus vorstellen, dass auch der reale Autor Kindheits- oder Beziehungserfahrungen verarbeitet hat, immer dann bringe ich mehr Verständnis für den Text auf. Wofür ich aber gar kein Verständnis habe, ist die Kritikunfähigkeit im Blog und das die Maskerade immer noch herhalten muss. Mit Kunstfiguren unterhalte ich mich jedenfalls nicht mehr und Aussagen, jeder könne in dem Weblog seine Meinung sagen, sind ein Hohn, denn nur die genehmen erscheinen überhaupt als Kommentar. Ein wenig tut der Autor mir aber auch leid, denn falls er bei einer Lesung über den Text hinaus als Person ins Schwanken gerät und sich nachträglich doch für sein gefaktes Rollenspiel im Blog verantworten müsste, ist das sicher kein leichter Gang. Aber die Suppe, die man sich einbrockt, muss man eben auch auslöffeln.
Herzlichen Dank für Ihren interessanten Kommentar
Der Buecherblogger
Betrug ist, wenn ich Ihnen das Konto leerräume. Wenn Sie auf eine fiktive Figur hereinfallen, so haben Sie sich lediglich selbst betrogen.
Was die ästhetische Konstruktion anbelangt, so gehen Sie leider auf meine Argumente ncht ein, sondern hangeln sich an Äußerlichkeiten entlang. Es scheint mir nicht ungewöhnlich, einen Roman mit einem Zitat beginnen zu lassen. Und auch hier gilt: Aututorennamen wie Deleuze sind Funktionsstellen, keine Eigennamen.
Wie gesagt: aus all Ihren Texten spricht eine große Gekränktheit. Diese kann fiktiver Natur oder real sein.
Die ästhetische Konstruktion kennt doch bereits jeder, darauf muss ich gar nicht eingehen: ein Würfel mit sechs Seiten, dessen Ergebnis anschließend ein Blinder zu lesen versucht. Aber die Unwahrscheinlichkeiten werden ja als Mittel der Dekonstruktion eingesetzt, das adelt sie natürlich mächtig. Wie man sieht, gelingt das sogar Ihnen. Ein „Aututorenname“, ist das eine Mischung aus Tutor und Autor? Herzlichen Glückwunsch zur Neuschöpfung. Genau so muss man es machen. Wenn der Zufall schreibt, fahren tausend Alpha Romeos, das sind die Wagen, in denen sich Machos immer so gerne Frauen mit Kopftüchern vorstellen, gleichzeitig um alle Berliner Ecken, das nur am Rande.
Wer sich hier für das „Coming out“ der „Autorin“ Aléa Torik interessieren sollte: Eine von beiden „ihrer“ Romane verzauberte Frau Heidemann gibt im Westen Auskunft:
„Der Zufall als Autor“
da wo es keinen autor gibt; kann es auch keine frau heidemann geben, die über einen solchen berichtet. auch wenn zugegebener maßen der kleine hecker mir ganz gut gefällt. aber so fotos bekommt heute jeder pennäler mit links und 40 fieber am heimischen rechner zusammengefrickelt….
Nun wollen wir mal auf dem Teppich bleiben, einem fliegenden selbstverständlich, das entspricht dem Märchencharakter des Buches besser. Wenn es keinen Autor wie poststrukturalistisch gern postuliert gäbe, gäbe es auch kein Buch, mit dem man(n) auf Lesereise gehen könnte. Ich glaube Claus Heck hat jetzt ein anderes Problem, wie will er beweisen, dass er das Buch geschrieben hat und dann auch noch so auf den ersten Blick sympathisch aussieht. Nach Köln fahren und ein Buch vorlesen könnte ich auch. Ich glaube, der muss sich erst an der Tür des Leseetablissements als Schriftsteller ausweisen, mit Reisepass, gültigem (!) Passfoto und vor allem glaubhaft machen, dass er etwas von Literatur versteht und nicht nur Bücher schreiben kann. Das kann doch jeder. Scherz beiseite, bei allen Differenzen, sollte man das Schreiben eines Anderen immer auch zu würdigen wissen. Das neue Buch hat sicher genauso Schwächen wie das alte, aber es hat auch Stärken. Mir ist nur bei diesen ganzen angeblich postmodernen Spielereien immer etwas unwohl. Das Spielerische ist meines Erachtens keine Reaktion mehr auf traditionell veraltete Erzählformen, sondern passt sich gerade mehr einer „unerträglichen Leichtigkeit des Seins“ an. die eingestreuten rumänisch-politischen Implikationen kann ich jedenfalls in dem andererseits eher wie eine Buchstabensoap wirkende Aufführung nicht ernst nehmen. Irgendwie wird das Kritische daran desavouiert vom allgeminen Spielcharakter. Doch egal, wieviel Kritik man an Autor oder Buch auch üben mag, auf niemanden sollte man Eier oder Tomaten werfen, nur weil man anderer Meinung ist. Auf eine Schwäche möchte ich gerade noch hinweisen, die mir auffiel. Dass sich Olga durch das Dach der Bibliothek stürzt, vermutet man schon mehr als hundert Seiten vorher und weiß es bereits von Anfang an. Der Wechsel des Ich-Erzählers etwa in der Mitte allerdings, dieser Verkehrsheini, ist nicht schlecht. Ich muss noch ca. 50 Seiten lesen. Mein Gesamteindruck ist bisher der, dass man immer den Eindruck hat, es handele sich um einen mehr oder weniger schlecht simulierten Taschenspielertrick. Der Roman liesst sich über weite Strecken wie eine virtuelle „Welt am Draht„-Wortklauberei. Zu praktisch keiner der Figuren lässt sich ein identifikatorisch, empathisches Verhältnis aufbauen. Die Figuren hängen an den Fäden eines Puppenspielers. Das l´art pour l´art, dieses Rekurrieren auf die Künstlichkeit als großes Kunstwerk hängt mir irgendwann zum Hals heraus und ich habe mich manchmal kopfschüttelnd von einer Seite zur nächsten gequält. Spiegelfechterei und leidliche Wort- und Rollenakrobatik. Am Ende ist der Leser „unter der Zirkuskuppel ratlos.“ Oft lief der Text auch in eine dozierende Erklärhaltung hineien, die dem Leser Literatur erklären möchte, was die gute Aléa zu einer Oberlehrerin macht. Leser wollen Literatur nicht erklärt bekommen, zumindest nicht in ihr selbst, sondern einfach nur lesen. Aber das ist ja gerade der dekonstruktivistische Verfremdungseffekt wird man mir erklären, geschenkt. Die Blogbeiträge sind als Auflockerung ja ganz witzig, den Literaturbetrieb als Fischmarkt fand ich gar nicht schlecht, aber „Glück und Unglück“ als Beispiel mutete mir wieder wie beschränkt dichotomes Denken an, wobei die Dialektik sogar zu kurz kommt, denn die Synthese wird oft nur zur leeren Spiegelfechterei, die am Ende auch ur wieder sich selbst rechtfertigen soll.
Aber nun habe ich doch zuviel kritisiert, obwohl es auch gelungene Passagen gibt. Dem angeblichen Claus Heck auf dem Foto als Autor glaube ich allerdings nur wegen Frau Heidemann noch lange nicht. Aber alle, die es wissen wollen, müssen wohl zu den Lesungen fahren und nach der wahren Identität bohren. Wenn er seine Bücher mit Claus Heck signiert wäre das allerdings schon etwas anderes, sonst würde er sich ja der „Urkundenfälschung“ strafbar machen.
Herzlichen Gruß
Der Buecherblogger
@Bersarin, lesen sie sich noch mal die Tatbestandmerkmale von Betrug durch.
Die Selbstdarstellung von einigen „Autoren“ kennt keine Grenzen. Was ist nur aus der Literatur geworden?
Oh, je; jetzt klingen sie aber auch wie aus der Kommandobehörde des Bizzaren, nur vom rückwertigem Korridor….
So ist das halt, wenn man mitten in einem bizarren Buch steckt, das nur den erfundenen Zwischenraum in der Wohnung als Leerstelle für bewohnbar hält, dann sitzt man im rückwärtigen Raum und hört russische Models zur Tür hereinkommen, die ständig „Keiner da?“ rufen.
Ich habe einfach spontan geschrieben, was ich beim Lesen empfunden habe. Es ist ja nun mal so, dass jeder Leser ein anderes Buch liest, selbst wenn man gemeinsam in das gleiche schaut. Ich wollte die Verwirrung um die Autorenidentität aber nicht vergrößern, die ist für sich schon bizarr genug.
Sie nennen es Verwirrung. Für mich ist das pure Selbstdarstellung der sogenannten Autoren und die Täuschung der Leser.
Dem Selbstinszenierungszwang entgeht natürlich niemand, Blogger und Autoren schon gar nicht. Jedes Buch, jeder Blog, jeder Mensch muss sich irgendwie in Szene setzen. Er hat höchstens die Wahl, und selbst die nicht immer, wie er das tut. Wenn man nun davon ausgeht, dass Inszenierung immer etwas Täuschendes enthält, denn sie lässt notgedrungen alles Nichtinszenierte weg, da beißt sie sich dann sozusagen in den Schwanz. Im Falle der biographischen Inszenierung Aléa Toriks aber behauptet ein Autor, keine täuschende Absicht verfolgt zu haben, sondern die Produktion von literarischer Kunst. So lange er damit Bücher mit Pseudonym schreibt, ist gegen das täuschende Spiel nichts einzuwenden, obwohl auch da die Fiktion, wenn sie wirklich gut ist, immer mehr als nur sich selbst einholt. Wenn aber ein biographisch erfundenes Ich in einem Blog mit anderen nicht biographisch erfundenen Ichs kommuniziert, kommt es zwangsläufig zur Schieflage. Das erfundene Ich auf der einen Seite muss ständig behaupten, nur sich selbst zu kennen, während alle anderen im Kommunikationsthread glauben, es mit einem nicht erfundenen Ich zu tun zu haben. Irgendwann erkennen sie dann, dass sie jemand anderes, nämlich der Autor hinter dem erfundenen hinters Licht geführt hat. Eine schmerzliche und ent-täuschende Erkenntnis. In einem solchen Fall für beide Seiten.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen in Blogs, halte ich diese für kein geeignetes Mittel der ehrlichen Kommunikation mehr. Eigentlich dürfte ich Ihnen konsequenterweise also gar nicht mehr schreiben. Ein Weblog ist per definitionem eine Art elektronisches Tagebuch und Tagebücher sind subjektive Selbstinszenierung. Das Telefon oder das Gespräch vor dem Kamin sind weit besser geeignet, ein anderes Ich als das eigene kennenzulernen.
So jetzt muss ich erst einmal Frühlingspflanzen kaufen gehen. „Ohneeinander“ ist übrigens eine sehr adäquate Bezeichnung meines Verhältnisses zu dem angesprochenen Blog und seinem sich so virtuell verwechselnden Ichs.
Ingeborg Bachmann (Verletzlichkeit) und Max Frisch (Selbstgefälligkeit) sind Paradebeispiele für eine gelungene Selbstinszenierung. Das gefällt sogar mir.
„Eine Fiktion scheidet aus, wo die Wahrheit Platz greifen kann.“ Aus meiner Sicht hatte Herr Heck Platz genug. Er wurde von Lesern und Kritikern nicht wahrgenommen was seinen Stolz verletzte. Somit fing er an zu täuschen und bemerkte dabei nicht, dass er sich selbst belügt.
Sie sind der im System „Torik“ selbst schon angelegte und zu erwartende „Betriebsunfall“, mit dem der Autor Claus Heck seltsamerweise nicht gerechnet hat.
Ich bin vermutlich der auch durch eigene Hyper-Projektion mitverschuldete GAU unter den Betriebsunfällen, aber das ist auch nur eine subjektive Einschätzung, denn im allgemeinen hält sich jeder entweder für den größten Sieger oder den größten Verlierer. Man muss auch bedenken, dass es am Ende wie bei allen Täuschungsmanövern immer zwei Verlierer gibt. Einem von beiden fällt es meist nur sehr viel schwerer, das zuzugeben. Ich halte Claus Heck, ohne ihn persönlich zu kennen, für ziemlich intelligent und andererseits berechnend. Er wusste von Anfang an genau was er tat, hat aber Betriebsunfälle versucht als lästige Störungen zu verdrängen, anstatt sie mit ins System zu holen. Ging natürlich auch nicht, denn das System „Torik“ kennt keinen Claus Heck und die Aleatorik hat als höchste Maxime eben den Spielcharakter und den damit verbundenen Zufall. Der anklickbare Würfel als Symbol für das Blogbanner passt deshalb ausgezeichnet. Es kann natürlich nur einen geben, der die Würfel in der Hand hat und der ist manchmal eben ein Hütchenspieler. Das poetische Konzept für die beiden Bücher, sich eine virtuelle Protagonistin zu schaffen, durch deren Blick und Schrift Literatur entsteht halte ich für durchaus legitim. In diesem Falle vermischt sich aber Blog und Buch, realer Autor mit fingierter Autorin und das permanent. Mal wurde mit und manchmal ohne oder nur mit halber Maske fröhlich drauflos alé-autorisiert, wie es gerade zur Stabilisierung des Systems vonnöten schien. Mit dem 1. Mai. 2013 hat aber nicht nur der Blog „Aleatorik“ seine Existenz aufgekündigt, ich habe, was die weitere Beschäftigung mit „Frau Torik“ betrifft, mit dem „kurzen Abschiedsbrief“ auch meine endgültige, fristlose Kündigung eingereicht.
Etwas lang geworden meine Antwort. Ich hätte auch schreiben können: Ja, völlig richtig. Ein psychologisches Motiv des Schreibens, aber nicht das einzige, ist jedoch das befreiende Loswerden.
Betriebsunfall? Manipulation von Menschen trifft es wohl besser. Mit welchen Ziel ist ganz leicht zu durchschauen.
Lieber Herr Bücherblogger,
lehnen Sie sich bitte einmal zurück und stellen sich Leser:innen vor, die zweihundert Jahre nach uns Aléa Toriks Bücher ansehen und mit ihnen leben werden. Werden diese nicht gerade wegen der von Ihnen bezeichneten Probleme eine völlig andere Sicht entwickeln, insofern sie neben der Pfiffigkeit, die Toriks Unternehmen zweifellos besaß (alle Künstler, irgendwie, sind Scharlatane gewesen, schon immer; ich schließe mich selbst da mit ein), auch das Geschick begreifen, die eine Netzkünstlerin aus den Verfahren des Netzes direkt in den dinglichen Buchmarkt treten ließ, der doch alles, was aus dem Netz kommt, ideologisch ablehnt? Und gehen Sie nicht einer Vorstellung von Authentizität auf den Leim, die Sie immer dann mitvertreten, wenn Sie an diese Authentizität glauben, bzw. man ihnen weisgemacht hat, daß es eine sei? Ob sie es ist, ist aber doch etwas, das wir alle in unserer Medienwirklichkeit schon längst nicht mehr durchschauen können – ganz ebenso, wie wir die Hintergründe politischer Entscheidungen nicht durchschauen, so daß wir sie immer interpretieren müssen. Genau dieses hat, ob sie das wollte oder nicht, Aléa Toriks Verfahren aufs Korn genommen. Entscheidend, letztlich, ist allein, ob Toriks Travestie wirkungsvoll und glaubhaft war – und das war sie, wie besonders all die in die Kunstfigur Verliebten (große Namen darunter, wirklich große Namen) geradezu bewiesen haben und die, die sich jetzt geprellt fühlen, eben deshalb auch, — vor allem aber, ob die Bücher gut sind, die Frau Torik vorlegt. Zumindest bei dem ersten scheint das der Fall zu sein, und das, besonders das, ist zu achten, zumal es ohne die Inszenierung einen Verlag gar nicht gefunden hätte, kurz: nicht hätte werden können.
Als sich geprellt Fühlender stehen Sie nicht allein; wie gesagt, große Namen waren beteiligt, die von, in Toriks Fall dummerweise, begehrlichen Männern getragen werden, und diese werden sich, weil „Größe“ in diesem Fall meist Macht meint, rächen. Torik wird das wissen. Aber ihre Bücher sind. Die Leser:innen zweihundert Jahre später werden also dankbar sein, denn ohne den „Betrug“ hätten sie von Toriks Literatur niemals erfahren.
Einspruch und Zustimmung. Der Reihe nach: Natürlich geht der Bücherblogger ein Stück weit der „Authentizität“ bzw. dem Authentizitätsdiktum der zeitgenössischen Literaturkritik auf dem Leim. Hieraus resultiert ja die Vehemenz – der enttäuschte Liebhaber ist der größte Gekränkte. Aber es geht nicht nur darum. Toriks Fall ist natürlich ein Bedienen des Betriebs. Eines Betriebs, den Sie – gerade wieder sehr luzide – analysieren als marktgesteuert, hermetisch und dadurch korrumpiert. Man kann jetzt Torik als Eulenspiegel des Betriebs mit einer gewissen Achtung betrachten. Denn Heck hat alles getan, um die derzeit aktuellen Wunschvorstellungen dieser Zeilensklaven zu antizipieren (schauen Sie sich die Bachmannpreis-Vorschläge der letzten Jahre und vor allem 2013 an). Was geht besonders gut? Frauen, die mit einer gewissen Erotik spielen und dabei klug sind, sich verletzlich geben. Vielleicht noch mit Migrationshinter- oder vordergrund, um den zweiten Feuilletongott hervorzuholen: die Identität. Man würze dies noch mit ein paar Originalitätssplitter, raune einige Anspielungen in den Raum – und fertig ist der marktgerechte Verkaufsbrei. Dabei muss das Buch/die Bücher nicht einmal schlecht sein, darauf kommt es überhaupt nicht mehr an (Tiefkühlpizza schmeckt ja auch nicht mehr so schlecht heutzutage, wenn man etwas mehr Geld ausgibt).
Toriks Bücher sind nur da, weil sie dem Markt nachgeäfft sind. Das sagt tatsächlich nichts über ihre literarische Qualität aus. Dass Sie dieses mediokre Possenspiel goutieren, erstaunt mich ein wenig. Schließlich stehen Sie für sich sozusagen ein. Das schließt nicht Verstellung, also Fiktionalisierung aus. Aber es ist eben vor allem Konzentration auf das Werk, das Geschriebene. Und weniger auf den Apparat drumherum.
Lieber Herr Keuschnig,
ich habe eben so reagiert: https://buecherblogger.wordpress.com/2013/02/24/literarische-weblogs-als-roman-der-fiktive-autor-eine-spielwiese-mit-bruchstelle/comment-page-1/#comment-1911 und denke, daß das, was Sie an meiner Haltung gegenüber Torik wundert, dort eine deutliche Erklärung findet. Einmal abgesehen davon, daß wir, indem wir wieder über sie sprechen, ihr Spiel weiter mitspielen so oder so.
Liebe Freunde, wann könnt ihr denn endlich begreifen, dass ihr der Betrieb seid und ihr bedient werdet? Den „Markt“, den ihr so böse findet, weil er eure Ergüsse nicht lesen will, bildet ihr zum grossen Teil selbst. Ein bisschen in die Jahre gekommene, lüsterne Säcke, die von langbeinigen, osteuropäischen Modellen träumen, die Doktorarbeiten schreiben.
Bravo an den 47jährigen Claus Heck!
Guten Tag, meine Herren,
es bleibt zu hoffen, dass die älteren Herren, die ein literarisches Weblog anscheinend mit einem chambre separée verwechseln, nur ein kleines Segment der Leser insgesamt darstellen. Ich bin für keine ihrer männlichen Projektionen verantwortlich. Im Gegenteil, es ging mir gerade darum, dieser auf dem Buchmarkt häufig anzutreffenden Perspektive einen Spiegel vorzuhalten. Das kann am Ende weh tun, aber auch dafür kann ich nichts. Ich bin Schriftstellerin und nur für das verantwortlich, was ich schreibe, nicht für alle Leserphantasien.
Man hat im Markt heute nur eine Handvoll Chancen, wenn überhaupt. Zur Kennzeichnung des oft ignoranten Geschäfts im Reich der Bücher habe ich bereits alles auf S. 273 in „Aléas Ich“ gesagt:
Zur Regulation der Kundenströme gibt es Prospekte und Ankündigungen, Webseiten, Besprechungen in Fischzeitschriften, Fischhandlungen, Stände und Imbissbuden, die von den Fischvertretern besucht werden. Und es gibt die medialen Ereignisse wie die Verleihung des Deutschen Fischpreises, mit longfishlist und shortfishlist. Es gibt Fischagenten und Fischscouts und die großen Fischmessen in Frankfurt und in Leipzig.
In Neptuns Reich gibt´s vor allem die kleinen Fische. Obwohl alle von einem guten Fang träumen und davon, einmal einen richtig dicken Fisch an Land zu ziehen. In so einem Fall wird der Fisch sogar um Auskunft gebeten, er kommt in eine Fernsehsendung. Vorausgesetzt er riecht nicht unangenehm, hat keine Gräten, keine Schuppen, keine triefenden Augen und er sieht auch nicht aus wie ein toter Fisch. Er muss adrett gekleidet sein und freundlich schlendernd daherkommen. Das muss ein richtig doller Hecht sein und kein dürrer Hering und auch kein Backfisch. Er muss die ganze Zeit lächeln und darf nur antworten, wenn er gefragt wird. Und vor allem muss er seine Flossen bei sich behalten, wenn eine hübsche Ichthyologin ihn interviewt. Mit niederem Getier in Berührung zu kommen, finden Forscher in der Regel ausgesprochen unangenehm. In so einer Situation darf er sich nicht als Wels im Schollenpelz herausstellen. Andernfalls wird er von der Industrie und ihren herrschenden Vertretern umgehend zu Fischstäbchen verarbeitet. Oder, aber da muss der Fisch schon Glück haben, zu einer wohlschmeckenden Bouillabaisse.
Sie, Herr Keuschnig, sollten mir nicht marktkonforme, sondern marktkritische Absichten unterstellen und was ANH betrifft, sind seine Anmerkungen hier zwar gut gemeint, aber ich brauche keine literarischen Sekundanten. So, jetzt muss ich mich beeilen, ich treffe mich gleich mit Orlanda, um das neue Layout meiner literarischen Zukunft zu besprechen.
AT
Wofür Sie verantwortlich sind, Frau Torik, ist das Eindringen in die Privatsphäre Ihrer LeserInnen, indem Sie deren mail-Adressen aus Ihrem Blog missbräuchlich dazu verwenden, um Ihr Marketing-Theater initiativ im nichtöffentlichen Bereich fortzusetzen und ihnen dort – zurückhaltend umschrieben – Ihre „wohlgeformten Brüste“ ins Gesicht zu drücken.
Wie sehr Sie sich auch winden mögen, Frau Torik, um der Verantwortung für Ihr Tun zu entschlüpfen: Projektion setzt eine regungslose, weiße Leinwand voraus. Wenn die Leinwand plötzlich und uneingeladen in die private mailbox kriecht, hat das leichtfüßige Spiel zum Ende gefunden – es wandelt sich zur abstoßenden Übergriffigkeit. Dort endlich, in der privaten mailbox, versagt Ihr – das sei mir gestattet, als Urteil zu äußern – manipulatives Treiben vollends, Frau Torik, und konterkariert die Figur auf der zuvor regungslosen Leinwand in abstoßender Weise.
Dann in der Öffentlichkeit – wie auch hier beim Bücherblogger – nachdrücklich darauf zu bestehen, keineswegs zu verantworten zu haben, was (hey, älterer!) Mann an Vorstellungen mit einer verschwiegen nichtöffentlich in Erscheinung tretenden „Alea Torik“ verbindet, markiert grandiose Höhepunkte sowohl der nackten Unverschämtheit, als auch der intellektuellen Unredlichkeit.
Bei allem Verständnis und Bedauern für die vielen erlittenen Enttäuschungen im „Betrieb“, die Ihnen zuteil wurden: Ihre Haltung widert an.
Sie brauchen, schreiben Sie, keine literarischen Duellanten. Das setzt erstens voraus, daß Sie dabei sind, sich zu duellieren. Mit wem, bitte? Und sind Sie denn satisfaktionsfähig? mal abgesehen davon, daß Duelle als ausgestorbene Formen der Konfliklösung reine Männerdomänen waren; Sie als Frau wären da gar nicht zugelassen worden. – Zweitens indes mögen Sie keinen Sekundanten brauchen, den Betrieb aber ganz offenbar sehr wohl. Das hat Keuschnig nun wirklich auf den Punkt gebracht. Es ist aber gut möglich, daß der Betrieb Ihre Verstellung auf keinen Fall mitmachen wird, schlichtweg deshalb, weil’s halt wehtut, so grob am Schwanz gezogen zu werden. Einige Frauen wiederum, und kluge, fühlen sich betrogen, weil Sie sich etwas angemaßt haben, das zu ihrem Emanzipationskampf gehört; also auf diese Parteigängerinnen würde ich deshalb auch nicht zählen.
Ich habe auch nicht Ihretwegen interveniert; Sie sind mir wurscht, meine persönlichen Vorbehalte gegen Ihre Art kennen Sie. Mir verdanken Sie einiges, etwa den Anwalt, der Sie rausgeboxt hat in für Sie sehr schlimmer Zeit. Das haben Sie mir mit schwerer, letztlich auch ganz grundloser Arroganz gedankt, seltsam divahaft für einen als Autor doch noch sehr jungen Menschen. Ich hätte also allen Grund, ins selbe Horn zu stoßen wie Ihre Kritiker:innen. Tu ich aber nicht, weil ich Achtung vor der Energie habe, mit der Sie Ihr Projekt durchgezogen und in die Welt gebracht haben. Das ist in der Tat ein künstlerischer Akt. Ob Sie Schriftsteller sind, und ob ein guter, wird sich allerdings erst später zeigen: E i n Buch schreiben viele (und Aléas Ich hängt ja an Ihrem ersten Buch, gehört also zu ihm); ob die Kraft darüber hinaus reicht, nun, wir werden es sehen oder nicht. Ich wünsche Sie Ihnen, ganz unabhängig davon, für was ich Sie charakterlich halte. Es besteht kein Zusammenhang zwischen der künstlerischen Größe eines Künstlers und der Größe oder Kleinheit seines Charakters. Insofern hat Ihre literarische Größe durchaus noch Chancen.
Der Kommentar von 16:02 bezog sich auf Torik/Heck.
Ihre Marktkritik ist lächerlich, weil sie den Markt nicht kritisiert, sondern von ihm parasitär profitiert. Ihr ganzes Verhalten ist nur ein Herumposieren.
@ Keuschnig
Ich hoffe Sie werden niemals in einem Verlag und schon gar nicht anderswo eine Marketingabteilung leiten. Ihr Marketing wäre in finanzieller Hinsicht Todesmarketing für jedes Unternehmen: Eine Schriftstellerin betreibt vier Jahr lang einen Blog, um sich zu vermarkten? Und die Betreiberin setzt sich hin und schreibt jeden Monat, unzählige Texte, nur aus Marketinggründen versteht sich? Verkaufszahlen des Buches: ein paar hundert Exemplare, vielleicht zur Tausend hin tendierend. In einem literarischen Betrieb, wo es tausende Autoren gibt, und kaum einer vom Schreiben leben kann? Ausgesprochen effizient! Sie ist so blöd und tritt als rumänisches Frauenwunder auf, aber ohne ein Bildvon sich herumzureichen und auf der Buchklappe abdrucken zu lassen? Es ist ein leichtes, in Photoshop oder über eine andere Person sich ein Gesicht zu geben. Hat Torik/Heck aber nicht gemacht. Nicht mal eine Judith-Hermann-Pose. Mensch, Keuschnig: was ist das für ein Marketing? So werden nirgends Bücher beworben oder ein Hype erzeugt.
@kienspan
Insofern Aléa Torik Dir Mails schrieb, worin Sie Dir Versprechungen machte, Zuneigung. Liebe oder Lust Dir vortäuschte, oder mit rumänisch-sinnlich-schnurrendem Stimmchen auf Deine Mailbox sprach, tut mir dies Leid, doch Dein feinsinniges Moralisieren ist der Sache völlig unangemessen. Wer in Blogs kommentiert, der muß mit allem rechnen; wer einen Blog betreibt ebenfalls.
Na und? Der Bücherblogger hat sich verrannt. Betrogener Betrüger. So läuft’s im Leben. Das ist bedauerlich. Im Betrieb des Schreibens nenne ich so etwas einen Kollateralschaden. Fragen wir Frau Bachmann. Und es ist immer das gleiche: ein Mann als beleidigte Leberwurst, weil er sich von einer Frau betrogen sah, die plötzlich nicht einmal mehr eine Frau war. Die Feminist:Innen unter den Leserinnen hier müßten vor Freude verglühen.
Das Internet und Mails sind in bezug auf die Identitäten nun einmal heikel. Wie lange muß man diese Binse eigentlich noch predigen?: Vorsicht, Kinder, es ist Internet, nicht jedem im Fratzenbuch vertrauen, den ihr nicht kennt! Mit welcher Naivität sind manche in der Welt der Blogs unterwegs? Und wenn Dir, kienspan, ein Telefonanrufer mitteilt, „Sie haben einen BMW gewonnen! Sie müssen nur 100 EUR Vorkasse leisten!“, dann leistet der kienspan natürlich 100 EUR Vorkasse? Und der kienspan würde wahrscheinlich ebenfalls glauben, wenn irgenwer im Blog schriebe oder ihm erzählte, im Himmel sei Jahrmarkt.
Es geht im Falle der Aléa Torik um Literatur. Die moralischen Dinge, welche hier in aller Breite so wunderbar und vom kienspan teils hochrossig-selbstgefällig inszeniert werden, sollten die Beteiligten unter sich ausmachen, und zwar über das Medium, in dem sich ausgetauscht wurde: nämlich in Mails. Was hat dieses Moralingespritze, das Du hier betreibst, mit einem literarischen Weblog zu tun?
Deine pejorativen Begriffe in bezug auf Torik fallen übrigens hervorragend auf Dich selber zurück, kienspan. Aber wie gesagt: es tut mir für Dich wie für den Bücherblogger durchaus leid, wenn da Dinge nicht gut gelaufen sind.
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Richtig ist es, daß das nächste Buch für den Autor das schwierigste ist, und nach dieser Fallhöhe und innerhalb dieses Spiels mit Autorenschaft, Identität und Konstruktionsleistungen wird viel Arbeit erfolgen müssen, um an die Vorgängerbücher anzuknüpfen. Insofern bin ich gespannt, was kommt, weil Torik/Heck schreiben kann und ausgesprochen talentiert ist. Und nur darum, um die Literatur geht es – nebenbei gesagt und für die, welche mit diesem Begriff ihre Schwierigkeiten haben.
Das, was Torik/Heck nicht gemacht hat, ist ja sekundär. Er hätte ja auch kriminell werden können, um sein Buch zu pushen. Hat er auch nicht gemacht. Was soll’s? Marketing bedeutet auch nicht primär Geld scheffeln. Das Resultat weiß niemand im voraus. Ob Toriks Bücher gut oder schlecht verkauft wurden – keiner konnte so etwas im voraus bestimmen. Sicher dürfte sein, dass der Autor unter seinem Originalnamen womöglich noch weniger verkauft und vielleicht keinen Verlag gefunden hätte. Vielleicht spekulierte man auch auf einen kleinen Skandal, dafür war das Büchlein aber zu „nichtssagend“ war – der Stoff bot nicht genügend Material.
Ich beurteile im übrigen dieses Genderspielchen auch nicht moralisch. Es amüsiert sogar, weil etliche darauf hereingefallen sind und ihre pseudo-soziologischen Weltanschauungen projizierten (damit meine ich nicht den Bücherblogger). Da ist die Enttäuschung natürlich gross. Dass Torik talentiert ist, hatte ich in meiner Besprechung geschrieben. Ihn aber jetzt als Helden wider den Betrieb darzustellen, ist lächerlich.
Bersarin.
Ich beanstandete Toriks anmaßenden Missbrauch persönlicher Daten. Nicht mehr, nicht weniger. Das müssen wir nicht wirklich durchdeklinieren – oder doch?
Dass Sie Toriks recht, sagen wir, bescheiden gestrickte Anmache der Literatur zuschlagen wollen, geht mir indes um die Breite eines Fingers zu weit. Da tut sich ein allzu großes Missverhältnis auf zwischen privater und öffentlicher literarischer Äußerung. Aber das wiederum können Sie ja nicht wissen.
Was Sie ebenfalls nicht wissen können: Torik hat mit verschwörerischem Geplauder eine schwerwiegende Vertrauenskrise unter teils eingeweihten Dritten ausgelöst. Je mehr ich nun über dessen Motivation und Absicht aus Hecks Munde erfahre, desto wütender werde ich darüber, welch negativen Einfluss meine zufällige Nähe zum Ereignisablauf rund um Aleatorik auf meine reale Beziehungslandschaft hatte. Unbedarftheit ist wahrlich das Letzte, das ich Heck zubilligen könnte.
Ich bezweifle sehr, Bersarin, dass Sie die Reichweite „literarischen Handelns“ auf unsynchronisierten Ebenen tatsächlich auch nur annähernd fassen können. Deshalb kann ich auch Ihre kindische Attitüde nicht übelnehmen. Einen Triumph muss ich aber auch Ihnen lassen. Ich habe meine Lektion gründlich gelernt und äußere mich in literarischen weblogs nicht mehr. Die mancherorts dahinterstehende Klüngelei hat sich mir eröffnet.
@ Keuschnig
Wer stellt Torik als Helden wider den Betrieb da? Ich sehe da nicht so viele, die das machen. Und es ging Torik/Heck in dem, was er tat, auch gar nicht darum, den Betrieb nun bloßzustellen. „Aléas Ich“ handelt eben nicht vom Literaturbetrieb. Über einige Beispiele, wer Tork als Held wider den Betrieb darstellt, wäre ich erfreut. Ich sehe in diesem Spiel der Aléa Torik auch keinerlei Heroik oder Verkaufstrick, sondern ein literaturtheoretisches Programm wird da ausgefahren, das sich mit Philosophie verquickt. All das ist legitim. Ich schrieb dazu in meinen Rezensionen bei mir und in diversen Kommentaren. Der Schriftsteller ist keine Moralinstanz, sondern er ist seinem Text, seinem Schreiben, der Komposition, dem Wort, dem Ausdruck verpflichtet.
Die Passagen, die Sie hier geschrieben haben, insinuieren, daß es bei diesem Schreiben von Torik/Heck um billiges Marketing ginge. Darauf bezog ich mich in meiner Kritik – auf nichts anderes. Ihre Rezension kenne ich noch nicht, werde sie mir aber durchlesen. Danke für diesen Hinweis.
Übrigens halte ich Vermarktung in einer Welt des Marktes durchaus für ein legitimes Mittel; das machen zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Sie geben Lesungen, sie präsentieren sich. Wo sehen Sie da das Problem? Daß jemand jedoch vier Jahre lang einen Blog allein aus Marketinggründen betreibt, und dies legen Ihre Ausführungen hier und auch im Blog Irisblüttenblätter nahe, ist eine schlicht absurde Annahme. Ausgenommen Sie meinen mit Marketing, den Wunsch gelesen zu werden. Tja, den sollen Schriftstellerinnen und Schriftsteller wohl zuweilen haben. Nur ganz wenige und bescheidene Menschen wie ich: denen ist es egal.
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Wie ich gerade im Blog von Aléa Torik lese, ist die hier kommentierende Aléa Torik eine andere Aléa Torik als die dort im Blog schreibende und bei mir kommentierende Aléa Torik. Hach, ich liebe Verdoppelungen und Inszenierungen. Die schönsten freilich sind immer noch die Liaisons dangereuses. Nein, wie amüsant und aufregend ist das hier! Hoffen wir mal, daß da nicht wieder die Abteilung Literatur- oder schlimmer noch: das säuerlich müffelnde Moralmarketing dahintersteckt.
Meine Güte wo haben Sie denn dat gelesen, dass der Schriftsteller nur dem Wort verpflichtet, ist, um das Ganze mal zu Esterhazien, rein zu nichts verpflichte ist er oder sie oder das, außer sich zu entschuldigen, wenn er Scheisse gebaut hat, denn darin unterscheidet sich der Schriftsteller keineswegs vom Teekannenzerstörer (ich, heute um elf uhr), er muss sagen, ich hab Scheisse gebaut, es tut mir leid..
@hilbi
Sagen Sie doch einfach, der Mann sei schizophren.
Gegen diesen plumpe Psychiatrisierung muss ich mich nun doch zur Wehr setzen. Das mag sehr unwahrscheinlich erscheinen, aber ich BIN Aléa Torik. Das schriftstellerische Ich ist per definitionem ein polyphones, das sich auch nicht geschlechtlich normieren lässt, weil es sich im Augenblick des Schreibens ständig neu erfinden muss. In meinem Fall existiere ich nur in, mit und durch das Schreiben. Außerdem habe ich sogar ein Stipendium bekommen und bin lernwillig, fleißig und zielstrebig. Dass ich mit Rollenspielen und Vielstimmigkeit umgehen kann, habe ich mit meinem ersten Roman hinlänglich bewiesen. In diese Diskussion sollte definitiv etwas mehr Ruhe und literarischer Sachverstand eingebracht werden.
Ich gehe jetzt erst einmal mit Valentina frühstücken und wir werden uns bei unseren Croissants durch böswillige Unterstellungen nicht den Appetit vergehen lassen.
AT
Wir, Kienspan, müssen gar nichts durchdeklinieren. Was Du machst, ist mir relativ egal. Wenn Du etwas zu sagen hast, dann sag es, aber plustere hier nicht herum! Dieses: „Ich weiß da was über XY, Herr Lehrer, aber ich sag es nicht!“, mit verschwörerischem Ton geraunt, das ist bloß Plaudertaschenattitüde, schrappt kurz an der Grenze zum Denunziantentum vorbei. Oder ganz einfach nur: die Klassenpetze als Diva. Ich könnte ja was erzählen, aber ich mache es aus Diskretion nicht. Wenn Du mich überzeugen willst, dann mußt Du schon Butter bei die Fische geben. Das habe ich Dir vor einem Jahr schon einmal in Dein Stammbuch geschrieben, doch Du hörst nicht zu, lernst nicht, bist nicht aufmerksam. Das ist schlecht.
Dir geht es um Deine Pseudomoral, die Du in Andeutungen scheibchenweise präsentierst, mir geht es um einen literarischen Text. Darin unterscheiden wir uns. Schreibe in Deinem Blog eine Kritik, weshalb „Das Geräusch des Werdens“ und „Aléas Ich“ mißlungen sind, und ich höre Dir zu. Gerne kannst Du auch bei mir im Blog zu meinen Rezensionen kommentieren, die ich zu diesen Büchern schrieb. Es macht Mühe und Arbeit Romane zu schreiben, es bedeutet Mühe und Arbeit Rezensionen zu verfassen: Du aber rotzt hier einfach nur herum.
Ich habe Dich übrigens vor einem Jahr schon einmal dazu aufgefordert, die Dinge bei mir im Blog auszutragen und darzulegen. Du bist leider weggelaufen. Mach Dir die Mühe, eine Kritik zu schreiben oder das, was DU zu sagen hast auszuführen, und wir sprechen auf Augenhöhe miteinander! Und wenn Du jemandem mitteilen willst, daß er oder sie sich menschlich scheiße, mies oder unangemessen verhalten haben, dann gibt es auch dazu Möglichkeiten. Das Internet ist dafür nicht der geeignete Ort. Weil das nämlich in Mobbing ausartet. Und ein Mobber möchte der moralisch so versierte Kienspan sicherlich nicht sein. Oder?
„… dass Sie die Reichweite ‚literarischen Handelns‘ auf unsynchronisierten Ebenen tatsächlich auch nur annähernd fassen können.“ Geht es in den Formulierungen noch ein wenig verquatschter? Wenn es Dir darauf ankäme, literarisches Handeln zum Thema zu machen, dann schriebest Du etwas über diese beiden Bücher oder über die Situationen. Am Thema des literarischen Weblogs als Roman rasselst Du kilometerweit vorbei. Setzen, sechs, Ziel verfehlt!
@ Hilbi
Mancher Kommentatorin, manchem Kommentator stünde es gut zu Gesicht, sich wenigstens oder mindestens dem Wort und der Logik verpflichtet zu fühlen. Wenn ich „nur dem Wort“ geschrieben hätte, wäre der Satz danach beendet, und es ergäbe mein Kommentar dann keine Aufzählung.
In Deiner Diktion ist der Schriftsteller wahrscheinlich seinem Steuerberater verpflichtet. Mit Wörtern haben Schriftsteller in der Regel ja auch wenig bis nichts zu tun.
Bersarin.
Was für ein grandioser Stil.
Ich liege zerschmettert zu Ihren Füßen.
Baradingens ist immer da wo Toki iss, sie er ist vielleicht Toki, sei es drum, schöne Grüße. Wie schrieben Sie in ihrem Blog, ist es ein Zufall das Olga neben Toki lebt? Nein, schreie ich und presse die Worte zu einer Spitzhornschnecke, die ich vor ihren Augen, an meine Nachbarin verschenke, die auch nicht zufällig dort wohnt, wo sie wohnt, wir wohnen nämlich alle nur, damit wir dem ungeheuerlichen Zufall aus dem weg gehen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Steuerberater
Hilbi
Zur ganzen „Causa Torik“ habe ich mich soeben eingehend noch einmal >>>> dort geäußert.
nickt
Die „Diskussion“ hat sich aus dem Staub gemacht und ist nun woanders. Herr Bücherblogger wo stecken Sie? Lesen Sie was gutes? Esterhazy gar oder, Elke, die Unsichtbare, ach nein lassen Sie es, literaturwissentschaftlich ist das Buch erst in neunzig Jahren interessant, aber dann
Ein Blogger steckt in seinem Kopf und vor dem Notebook, da wo alles virtuell Süchtige seinen Ursprung hat. Esti lese ich nicht, aber Jean Pauls Dr. Katzenberger. Sprachwitz durch die Jahrhunderte… Ich bin froh, dass die Nomaden der eingeweihten Torikjünger jetzt ein anderes Domizil aufgeschlagen haben. Ich habe vor drei Monaten (!) diesen Beitrag geschrieben und war ziemlich erstaunt, nach dieser Zeit nun eine Reaktion von Alban Nikolai Herbst als erneuten Kommentar vorzufinden. Seine Haltung ist literarisch eigentlich recht simpel und unverändert: solange am Ende einer Prozedur Literatur herauskommt, heiligt der Zweck die Mittel. Das künstlerische Werk ist sozusagen sakrosankt und einer moralischen Wertung entzogen. Gefühl und Moral sind ohnehin gestrige, altbackene Kriterien für den intellektuellen, philosophischen Geist und den sich als Schreibprämisse kalt haltenden und konstruierenden Autor in seiner Prosa. Aber dennoch holt man die Romantik gern wieder durch die Hintertür in das Werk, entweder sprachlich mit manchmal eigenen, blumenhaften Wortneuschöpfungen wie Herbst oder als zweisamkeitshungrige Glücksarrangements bei Torik. Aber diese Ambivalenz ist beabsichtigt, das Schreiben ein schwieriger Impuls und bevor der Vogel überhaupt nicht mehr singt auf der Suche nach unsterblichem Ruhm zukünftiger Jahrhunderte…
Ich hatte überhaupt keine Lust auf einen erneuten Streit und entschied mich bei diesem Beitrag nicht mehr zu reagieren. Ziemlich schmunzelnd stellte ich dann fest, dass sich die Diskussion auch ohne mein Zutun praktisch verselbstständigte und die alten Gräben sich erneut auftaten. Als dann auch noch eine angeblich unechte Frau Torik wieder kommentierte, verschlug es mir noch mehr die Sprache. Überhaupt scheint mir eine Art Sprachlosigkeit bei den negativ Betroffenen eine Folgereaktion auf die „Causa Torik“ zu sein. Man ist des ganzen Theaters überdrüssig geworden.
Den letzten Beitrag von Herrn Herbst in seinem Blog finde ich recht gelungen, weil er zumindest jetzt den Versuch unternimmt, ehrlich Stellung zu beziehen. Das versuchen jetzt alle aus dem Kreis der frühzeitig Eingeweihten in seinem Weblog. Andererseits entbehrt es nicht einer gewissen Komik, wie jetzt gerade sie auf eine avatare Identität rekurrieren, mit der sie ansonsten selbst nach Belieben spielen. Opfer oder Täter zu sein macht anscheinend immer noch einen Unterschied. Können denn fiktive Romanfiguren auch in der realen Welt eine Identität für sich beanspruchen? Oder unterhalten wir uns mit Stephen Deadalus, Hans Castorp, Madame Bovary oder Sancho Pansa nicht doch lieber während einer Buchlektüre? Was mich am meisten bei ANH wundert ist, dass er die Bücher gar nicht gelesen haben will und sie unbesehen verteidigt. Man zerredet den Fall aber nicht die Romane. Das kommentierte Weblog als Plattform des Gedankenaustauschs kann ich nicht mehr allzu Ernst nehmen. Ein Gewimmel aus Avataren mit einem subtilen Hang zur Selbstbefriedigung. Ich hoffe, dieser Kommentarstrang findet mit dieser, meiner einzigen Einlassung hier nun endlich sein wohlverdientes Ende. Ich möchte mich wieder anderen Dingen lesend zuwenden und hoffe jedenfalls nicht, dass die Publikationsform der Zukunft darin besteht, dass alle Schriftsteller Weblogs als ihre eigenen Romanfiguren eröffnen.
Eigentlich wollte ich nirgends mehr zu dieser Sache kommentieren. Aber nachdem hier scheinbar jemand den Namen Torik okkupiert hat, denke ich, dass es nur fair ist, meine Erfahrung öffentlich zu machen, weil es vielleicht anderen ähnlich ergangen ist.
In den letzten Monaten habe ich einige Mails von Torik/Heck erhalten, deren Tonfall mir „echt“ erschien. Ich habe sie allerdings nicht gründlich gelesen, sondern immer gleich in den Papierkorb befördert. Nach dieser Geschichte hier habe ich noch mal nachgeschaut und festgestellt, dass die Mail-Adresse geringfügig anders ist als die früherer Mails von Heck an mich. Diese Mails waren also wahrscheinlich auch „gefälscht“ (kann man das sagen?)
Ich weiß nicht, was dahinter steckt, und will es auch nicht wissen. Aber ich empfinde das als ziemlich scheußlich und gemein, egal, wen es trifft und bin da auch keineswegs schadenfroh.
Liebe Melusine,
im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht der Meinung, dass man den Namen Torik überhaupt okkupieren kann. Dazu müsste jemand juristisch eine Art Bloggerpatent darauf anmelden. Soweit ich weiß, kann man das nicht einmal auf Pseudonyme. Der erste und der letzte Teil des vorhandenen Substantivs „Aleatorik“ als Vor- und Zuname, das kann ich mir nicht vorstellen. Habe ich eine Zeit lang glauben wollen, weil die innere Mimikry der Figur sich ja ehrlich gebärdete. Dem Verfasser der Bücher billige ich das als Pseudonym zu und würde ihm selbst raten, juristisch dagegen vorzugehen, falls jemand unter diesem Pseudonym ebenfalls Bücher oder Romane veröffentlicht. Jeder Autor hat ein Recht auf ein Pseudonym. Wie nun „Frau Torik“ selbst bei Literaturport ausführt, handelt es sich bei „ihr“ aber nicht um ein Pseudonym, sondern um ein „Semiheterogynonym“, dem alles an sich selbst außer der Textform egal ist, vor allem die Schuhgröße. Dem Autor Claus Heck billige ich also sein literarisches Semiheterogynnonym als Schriftsteller/in uneingeschränkt zu. Völlig anders sehe ich dagegen das Weblog. Hier ist es ein Blogonym, dass seinerseits eben zusätzlich ein falsches Geschlecht vortäuscht. Die ganze anmassende Arroganz des männlichen Autors versteckt sich hinter einer selbstbewussten und witzigen Liebreiz verbreitenden Maske. Diese literarische Maske ist ein reiner Papiertiger und hat, was die Blogossphäre betrifft, kein Recht auf eine Identität. Sie setzt sie nur selbstgefällig ein, um nach literarischem Ruhm zu lechzen. Identitäten anderer sind ihr letztlich völlig egal, solange sie nicht die falsche eigene bedrohen. Die eingeweihten, gestandenen Herren einschließlich ANH mögen sich natürlich nicht von der liebgewonnenen Tochter eines „deutschen Vaters und einer rumänischen Mutter“ mit den noch dazu so attraktiven kleinen Brüsten trennen. Sie möchten dem Schein ihrer Identität weiter verfallen bleiben. Wie ich selbst weiß, ein männlich recht verständliches Verhalten.
Dass Sie noch mit Torik korrespondieren, wundert mich ein wenig. Ich habe neue Emails gottseidank seit damals nicht mehr empfangen. Die ersten hatten die Adresse alea@aleatorik.eu, einige spätere dann alea.torik@aleatorik.eu. Andere kenne ich nicht. Die Kommentare hier bedienten sich der letzteren, was mir plausibel erschien. Letztlich kann hier jeder mit allen möglichen Emailadressen kommentieren.
Ich wünsche Ihnen noch Frohe Pfingsttage. Ich war heute den ganzen Tag in Sachen Gartenpflanzen unterwegs und komme erst jetzt am Abend zu einer schnellen Antwort. Frühlingsblumen sind mir doch wesentlich lieber als diese leidige Torikdiskussion.
Herzlich und ein wenig in Eile
Der Buecherblogger
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Traurig und alt fühlt sich meine Seele
Sind doch die Felder sanft und grün
Es sind Erinnerungen die ich stehle
Aber unschuldig der dessen Träume blühn
(Tom Waits)
Franziska zu Reventlow: Von Paul zu Pedro – Kapitel 7
Quellenangabe
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7
Ihr Brief – mein lieber Freund, wer wollte noch behaupten, daß wir keine Ideale haben? – Zuviel, immer noch zuviel! Ihre »Beziehung« zu Yvonne – Yvonne, die es gar nicht gibt – und vielleicht gibt es sie doch und Sie begegnen ihr eines Tages auf der Treppe.
Und der fremde Mann? – Er hat eine starke Familienähnlichkeit mit Yvonne, aber es geht mir besser wie Ihnen – es gibt ihn – und ich bin ihm schon öfters auf der Treppe begegnet.
O bitte, kommen Sie mir nicht wieder mit der Frau vom Meer – ich kenne das –, sowie man den fremden Mann erwähnt. Aber ich habe keine Sympathie für die Dame, sie hat es wirklich nicht verstanden. Der richtige fremde Mann verträgt kein Pathos – und wie kann man nur mit dem Gedanken umgehen, ihm zu folgen – ihn womöglich gar zu heiraten. Und auf der anderen Seite – ihn ganz laufen zu lassen, um mit einem alten Landarzt glücklich zu werden? Das ist mindestens ebenso unverzeihlich.
Überhaupt – der fremde Mann muß in erster Linie ein Gentleman sein, sehr elegant, sehr comme il faut und mit dem »infamen Charme« – aber doch um Gottes willen nicht ein Schiffskapitän mit Zuchthaustendenzen. Es wäre deshalb eigentlich richtiger zu sagen: der fremde Herr.
Und er darf niemals zur Beziehung werden, muß in der Versenkung verschwinden, ehe das in Betracht kommen könnte. Er tut es auch, sonst ist er eben nicht echt gewesen.
Etwas davon liegt wohl im ersten Anfang jedes Minnehandels – es ist ja immer schade, wenn man sich erst kennen oder gar lieben und schätzen lernt. Aber der ganz große Reiz ist das Erlebnis mit einem Fremden.
Ich sitze abends im Lesezimmer eines Hotels. – Er auch, aber an einem anderen Tisch. – Ich schreibe. – Er liest. – Er schaut hier und da herüber – ich auch. – Ich weiß gleich, daß er es ist – er hat den infamen Charme. – Gott sei Dank, er ist echt, denn er spricht mich nicht an. Er weiß auch, daß ich es bin.
Eigentlich warte ich auf jemand anders und weiß nicht recht, wie es werden soll. Aber er weiß es ganz genau und liest ruhig weiter.
Endlich ruft man mich ans Telephon. Er, der andere, auf den ich warte, kann heute nicht mehr kommen. –
»Was willst du denn heute abend anfangen?« – »Oh, ich gehe schlafen.« – »Also dann auf morgen.« – Abläuten…
Der fremde Herr legt seine Zeitung weg, ganz langsam, ganz ruhig. – Ich gehe zum Lift – er auch. Das Hotel ist sehr groß, hat sehr viele Stockwerke, ist sehr überfüllt. – Wir sind beide stehen geblieben, stehen uns gegenüber. – Er ist sehr hoch, sieht mir von oben herunter in die Augen. – Der Lift gleitet, hält an jeder Etage und Zwischenetage, denn der Boy ist verschlafen und scheint zu meinen, daß überall jemand aussteigt. – Wir haben auch das Gefühl, daß der kleine Raum immer leerer wird, immer einsamer. – Unsere Augen lassen sich nicht los – der fremde Herr sagt kein Wort, beugt sich langsam zu mir herunter – wir sehen uns immer noch in die Augen – unsere Lippen »finden sich«. – Der Lift geht durch eine ganze Ewigkeit. – Kein Wort wird gesprochen – der Lift hält.
Und ich mache hier eine Pause, lieber Freund.
Der Herr im Lift ist der Idealfall – der erfüllte Traum. Nicht immer sind die Götter so neidlos. Manchmal lernt man ihn auch kennen, sieht sich wieder, dann ist natürlich alles entwertet. Hat man einmal mit dem fremden Mann gefrühstückt, so ist der Zauber gebrochen. Dann wird es ein ganz gewöhnliches Erlebnis.
Aber ich will Ihnen noch von einer sehr merkwürdigen Ausnahme erzählen – von einer jahrelangen Beziehung, die immer der fremde Mann blieb. Jahrelang – ja, da horchen Sie auf – es waren sogar ziemlich viele Jahre, es hat auch eigentlich nie einen bestimmten Anfang gehabt und hat nie ein definitives Ende genommen.
Wie und wo wir uns zum erstenmal sahen, gehört nicht hierher – seien Sie nicht zu neugierig; wenn ich eine uralte Dame mit weißen Haaren bin, erzähle ich es Ihnen vielleicht einmal, jetzt sicher nicht. Aber die damaligen Umstände brachten es mit sich, daß er mich nie bei Tage aufsuchen konnte. Ich habe lange Zeit nicht einmal gewußt, wer er war. Auf die Länge ließ sich das natürlich nicht vermeiden, aber dann machte es auch keinen Eindruck mehr, daß er einen Namen und eine Position im Leben hatte. Er blieb der fremde Mann. Es war zur Tradition geworden, daß wir jede nähere persönliche Bekanntschaft, jedes Übergreifen unserer Beziehungen auf unser sonstiges Dasein vermieden. Und ich muß sagen, daß wir es wirklich verstanden, diese Tradition zu kultivieren. Unser Verkehr blieb immer zeremoniell, unpersönlich und voller Distanz. Wir haben uns nie auch nur für einen Moment geduzt, sind nie zusammen ausgegangen oder dergleichen. Trafen wir uns doch einmal, im Theater oder bei ähnlichen Gelegenheiten, so grüßten wir uns nur aus der Ferne. War es nicht zu vermeiden, so ließ er sich mir auch vorstellen, und wir wechselten einige höfliche Redensarten.
Er hatte immer meine Adresse und meine Schlüssel, bei jedem Wechsel meiner Wohnung oder meiner Lebenslage verfehlte ich nicht, ihm diese beiden Dinge zuzustellen. (Sie können sich wohl denken, daß seine Schlüsselsammlung mit der Zeit beträchtlich angewachsen ist.)
Er meldete sein Erscheinen durch ein Billett oder Telegramm – dann war ich immer für ihn zu Hause. Und darin bewies er eine wahrhaft antike Seelengröße: wie und wo er mich auch im Lauf der Zeiten aufgesucht und gefunden hat, ob in einer eigenen Wohnung, im Hotel oder einer gänzlich improvisierten Umgebung – er verzog nie eine Miene, wunderte sich nie, fragte nie – erschien zu den spätesten und unwahrscheinlichsten Stunden – immer korrekt, immer fremder Herr. Und ging ebenso wieder fort, ehe der graue Alltag das Leben wieder wahrscheinlich machte.
Manchmal kam er auch erst gegen Morgen, wenn ich längst schlief, stand auf einmal mit dem Zylinder in der Hand da – das schätzte ich ganz besonders. – Oder ich glaubte nur von ihm geträumt zu haben und fand dann beim Aufwachen Blumen, die nur von ihm sein konnten – er brachte immer Blumen mit. Solche Erinnerungen liebe ich sehr – auch noch manche andere – wenn wir in der Morgendämmerung am Fenster Kaffee tranken und uns korrekt und gebildet unterhielten. Wenn er dann die Straße entlang ging, sah ich ihm nach, und es hatte soviel Reiz, gar keine greifbare Vorstellung von seinem Leben zu haben, keine Ahnung von seiner Umgebung, nicht zu wissen, mit was für Menschen er verkehrt und wie er mit ihnen ist.
Andere Frauen – das hat mich eigentlich nie interessiert. Ich habe späterhin aus verschiedenen Andeutungen kombiniert, daß er eine »himmlische Liebe« hatte, eine sehr unglückliche.
Bei anderen Männern habe ich das manchmal etwas dumm gefunden, aber bei ihm hatte es viel Charme und gab eine düstere Nuance, die ihm gut stand.
Übrigens verloren wir uns zeitweise ganz aus den Augen, er machte öfters lange Reisen, und ich war ja immer viel unterwegs. Ich habe dann auch kaum an ihn gedacht, – ob er an mich dachte, weiß ich nicht. Aber wenn wir uns beide nach M… zurückfanden, war wieder alles wie vorher. Nur gehörte es unverbrüchlich zu unserer Tradition, daß wir in der Silvesternacht zusammenkamen, denn der 31. Dezember war der Ausgangspunkt unserer Beziehungen gewesen. Mit oder ohne Verabredung, ich wußte, daß er dann kommen würde; und meine sonstigen Bekannten haben sich immer gewundert, warum ich bei jeder Neujahrsfeier geheimnisvoll vom Schauplatz verschwand, sobald es zwölf Uhr geschlagen hatte.
Doch am Ende die »große Leidenschaft«, die Sie in meinem Dasein so schmerzlich vermissen und die immer noch entdeckt werden soll? – Gott bewahre, gerade zur Zeit der glücklichsten und intensivsten Lieben schätzte ich ihn am meisten und hatte förmlich Sehnsucht nach ihm, wenn ich ihn lange nicht sah. Und war er zeitweilig nicht vorhanden, so, wurde ich auch gegen die anderen kühler.
Töricht genug von den anderen, daß sie samt und sonders eine starke Abneigung gegen den »großen Unbekannten« hatten und nie begreifen wollten, daß Eifersucht in diesem Fall ganz sinnlos war.
Ja, lieber Freund, der fremde Mann in ein inhaltsschweres Kapitel in meinem Leben und eines, das ich immer gerne wieder lese – aber nicht alle dürfen dabei mit ins Buch sehen, wie Sie.
Wenn Sie es doch nur einmal anerkennen wollten, wie sehr ich Sie verwöhne
(mal Literatur franziska zu reventlow von Paul zu Pedro)
Wie sagte schon Shakespeare und hielt sich in der Aussage gleich selbst daran: „Be brief!“ Es wäre also auch so gegangen!
Auch als kostenlose Kindle-Edition zu haben. Die Liebe braucht das Geheimnis und das Fremde, um ihre Faszination zu bewahren. Das ist wohl wahr…
Die Brüste der Zornigen
im neid ist die balkontüre (aufgebrochen)
gezittert im ewigen staub
das Handtuch verlor sich selbst im Barte des Selbstherrlichen (verschmitztes Lächeln)
(Achtung, gleich onaniert der Chor)
Wir träumen unser Schicksal ist der Eislauf
(wovon sie überzeugt sind)
wir rufen es laut in unseren Gesang
(für taube Ohren ein Genuss)
die Zwischengräber leuchten
die büste Goethes zwickt den Atem der Schillernden (Bürstenschnaps)
(ist doch Wasser, du Bembel)
Lieber Dietmar,
ich korrespondiere ganz bestimmt n i c h t mit diesem Herrn. Ich hatte solche Mails erhalten und immer direkt in den Papierkorb verschoben. Sie kommentierten Posts auf meinem Blog, nicht eben freundlich.
Die Adresse die Heck als Heck verwendete, war anders als die, die er als Torik verwendete. Egal. Ich habe erst jetzt darauf geachtet.
Unangenehm finde ich das doch. Aber auch eigentümlich, wenn ich darüber nachdenke, dass in meinem Roman genau dasselbe geschieht: Jemand schickt Emails als ein Anderer. Ich hätte es also wissen können. Trotzdem bin ich drauf reingefallen.
Sicher ist das lehrreich. Aber ich bin doch froh, dass die Täuschung nicht das Übliche ist, auch nicht im Netz, auch nicht per Mail. Es ist gewiss leichter als einen handschriftlichen Brief zu fälschen, aber im Grunde ist es nichts anderes. Wichtig ist doch nicht die „Identität“ des Schreibers, sondern was der Empfänger glauben gemacht wird. Und dahinter steckt ein böser Wille. Der war diesen Mails sehr deutlich anzumerken. Dass er sich (vielleicht?) nicht nur gegen mich richtete, sondern auch gegen Torik/Heck, gegen den mich diese Mails „aufhetzen“ sollten, wird mir erst jetzt klar.
Herzliche Grüße
M.
Vielleicht sollten alle großartigen Netzliterarten zusammen ein Buch schreiben, ich würde es ganz sicher nicht lesen, geschweige den kaufen, aber sie selber könnten es sich selber gegenseitig kaufen und schöne Buchbesprechungen daraus machen, die allerdings würde ich gerne lesen und wegen der schlechten Zeiten sogar aufessen
Lieber Bücherblogger. Interessant, Ihre Ansicht über fiktive AutorInnen. Vielleicht mögen Sie ja eine weitere kennen lernen? Mein Name ist Miss Monroe, für Persönlichkeiten mit Charakter oder Manieren: Monni. Ich bin eine europäisch Kurzhaar, mein Haus hat fünf Zimmer, eine Garage, vier Katzenklappen ein Sofa und Internetanschluss. Ich mache ein Blog: monniswelt.wordpress.com. Dort erzähle ich immer freitags aus meiner Welt. Vielleicht benötigen Sie neben all dem Tiefgründigen mal etwas Zerstreuung? dann kommen Sie doch vorbei. Ich freue mich auf Ihren Besuch!
Sehr geehrte Miss Monroe,
ich heiße Gustl, mein Personal darf mich auch Gustlbiene nennen, denn obwohl ich wahrscheinlich einige Jährchen älter bin als Sie, strahle ich eine Attraktivität aus, die auf andere geradezu herablassend wirken könnte. Ich gehöre zum Stamm der Maine Coone und meine Vorfahren sind so alt wie die menschlichen Kaiser, die es wagten, sich in rotweiße Zobelmantel zu hüllen, eine Schande in meinen strahlend grünen Augen. Bei den Katzenklappen haben Sie mich allerdings überrundet, ich erlaube mir nur eine zum leider nötigen Gang nach draußen zu benutzen. Meistens bevorzuge ich es lieber bei diesem oft schrecklichen Wetter in Mitteleuropa durch mein Landhaus zu wandeln und auf irgendeinem meiner zahlreichen Sofas Fellpflege zu betreiben. Mein Personal gehorcht mir aufs Wort und liest mir selbstverständlich jeden Wunsch von meinen Augen ab. Ich brauche lediglich an Futter zu denken und schon rennt dieser ältere Herr, bei dem ich wohne, zehnmal hintereinander zu meinem Fressnapf, um mir immer das leckerste und frischeste Katzenfutter zu kredenzen. Ich bevorzuge vor allem viel Soße, rutscht besser und bei meiner ohnehin vorhandenen Neigung zu leichtem Asthma kratzt mir der Hals schon oft genug. Sie besitzen einen Internetanschluss, dann kennen Sie sich wohl auch mit diesen Dingern aus die man Computer nennt. So was habe ich nicht nötig, ich lese aber ab und zu, was mein älterer Herr so schreibt. Wenn der sich erdreisten sollte, seine anthropozentrische Sichtweise in vermutlich katzenhafter Babysprache und einem Stakkato aus kurzen Sätzen zum Besten zu geben, bekommt er es mit mir zu tun. Es reicht mir, wenn er meine Gedanken bezüglich des Essens einigermaßen lesen kann. Außerdem schreibt er jetzt schon ziemlich krudes Zeug, wovon dieser kontroverse Beitrag noch einer der besten sein mag. Diese Identitätsschwindel habe ich einfach nicht nötig, ich bin Katze und bleibe Katze und das ist auch gut so. Zum Kater möchte ich auch nicht werden, Geschlechtsumwandlungen liegen mir fern. Die riechen manchmal so streng und haben ihre Libido oft nicht unter Kontrolle. Was den obigen Beitrag betrifft, kann ich also gut verstehen, dass sich ein männlicher Autor nach mehr Attraktivität sehnt und sich zur modelmäßigen Deutschrumänin stilisiert. Wir Frauen sind eben doch nicht nur das schönere, sondern auch das klügere Geschlecht. Auch mich dürfen Sie natürlich in Form meines bloggenden Besitzers weiter besuchen. Denken Sie immer daran, dass Sie eine Katze sind, schreiben Sie nicht zu menschlich und bleiben Sie wild. Ich wünsche Ihnen ein langes Leben, Monni, ich darf Sie doch so nennen, denn „Charakter und Manieren“ habe ich schon über Generationen hinweg geerbt.
Herzlichen Gruß
Gustl