Blow Up

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Film
Deutscher TitelBlow Up
OriginaltitelBlowup
Produktionsland Großbritannien
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1966
Länge 111 Minuten
Altersfreigabe FSK ab 16 (früher ab 18)
Stab
Regie Michelangelo Antonioni
Drehbuch Julio Cortázar
Michelangelo Antonioni
Tonino Guerra
Produktion Carlo Ponti
Pierre Rouve
Musik Herbie Hancock
Kamera Carlo Di Palma
Schnitt Frank Clarke
Besetzung
Synchronisation

Deutsche Synchronkartei

Blow Up ist ein britischer Spielfilm von Michelangelo Antonioni aus dem Jahr 1966. Beim Filmfestival in Cannes wurde der Film mit dem Hauptpreis ausgezeichnet.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

London in den 1960er Jahren, den Swinging Sixties. Der erfolgreiche Fotograf Thomas[1] arbeitet an einem Bildband mit Straßenfotografien, wofür er auch eine Nacht in einer Obdachlosenunterkunft verbringt. Auf der Suche nach weiteren Motiven macht er in einem Park Fotos von einem Paar, das er nicht um Erlaubnis gefragt hat. Die Frau besucht ihn noch am selben Tag und verlangt die Fotos. Sie sagt, dass der Mann, mit dem sie im Park war, ihr Geliebter sei und die Bilder daher vernichtet werden müssten. Um sie zufriedenzustellen, gibt der Fotograf ihr eine Filmpatrone, aber von einem anderen Film.

Beim Vergrößern, dem Blowup der Fotos des Paares, entdeckt Thomas abseits im Gebüsch einen Mann mit einer Pistole mit Schalldämpfer. Auf Abzügen späterer Fotos ist der Geliebte der Frau reglos unter einem Baum liegend zu sehen. Der Fotograf ist verunsichert. Hat er einen Mord fotografiert?

Mitten in der Nacht kehrt er in den Park zurück und findet tatsächlich eine männliche Leiche, die immer noch auf dem Rasen hinter dem Gebüsch liegt. Als er kurze Zeit später in sein Atelier zurückkommt, bemerkt er einen Einbruch; die Abzüge und Negative, die den vermeintlichen Mord dokumentieren, sind gestohlen worden. Einzig übrig geblieben, da zwischen zwei Möbelstücke gerutscht, ist das Blowup des Bildes von der Leiche im Gras. Die Vergrößerung ist allerdings so stark, dass eine Person, die mit dem Vorgang nicht vertraut ist, auf dem Abzug kaum etwas erkennen kann, weil sich das unscharfe Bild der Leiche in der Körnung des Fotos gleichsam auflöst.

Der Fotograf möchte seinen Verleger Ron einweihen, um mit ihm zusammen die Leiche zu fotografieren. Auf dem Weg zu einer Party, an der Ron teilnimmt, fährt er durch das nächtliche London und sieht vor einem Schaufenster für einen kurzen Moment die Frau aus dem Park. Er läuft ihr hinterher, findet sie aber nicht wieder. Stattdessen gerät er in ein Clubkonzert der Yardbirds, mit Keith Relf als Sänger und Jimmy Page und Jeff Beck an der Gitarre.[2] Während die Band den Titel "Stroll On" spielt, geht er durch die Reihen des wie angewurzelt stehenden und sitzenden Publikums. Als Gitarrist Jeff Beck gegen Ende des Stückes wegen Störgeräuschen den Verstärker wie bei The Who üblich malträtiert, dann seine Gitarre zerschmettert und ins Publikum wirft, entsteht in der Masse heftige Bewegung. Der Fotograf ergattert den Gitarrenhals und hat Mühe, wieder nach draußen zu gelangen, wo er das Bruchstück auf den Gehsteig wirft. Kurze Zeit später findet er schließlich Ron auf der Drogenparty, kann ihn aber nicht dazu bewegen, mit ihm in den Park zu kommen, um die Leiche zu fotografieren. Er bleibt die Nacht über auf der Party.

Tatort: Maryon Park in London

Am nächsten Morgen kehrt der Fotograf allein in den Park zurück, doch die Leiche ist verschwunden. Der Fotograf tritt den Heimweg an und kommt im Park an einem Tennisplatz vorbei, auf dem eine Gruppe junger Leute pantomimisch ein bizarres Tennisspiel aufführt, bei dem weder Ball noch Tennisschläger zum Einsatz kommen. Als der imaginäre Ball in seiner Nähe landet, wirft er ihn zu den Spielenden zurück.

Die Filmvorlage: Cortazars Erzählung „Las Babas del Diablo“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Blow Up“ ist inspiriert von Julio Cortázars in Paris spielender Erzählung „Las Babas del Diablo“, (dt. Teufelsgeifer, 1959 veröffentlicht im Erzählband „Las armas secretas“ (Die geheimen Waffen)), die wiederum auf einer Geschichte basiert, die der Fotograf Sergio Larrain dem Autor erzählte.[3]

Die zwischen Realität und Irrealität schwankende Filmhandlung hat ihre Entsprechung bereits in der offenen Erzählsituation der Kurzgeschichte, mit deren Beschreibung der Ich-Erzähler beginnt: „[D]as schwierige wird sein, es in der rechten Weise zu erzählen, […] weil niemand genau weiß, wer da eigentlich erzählt, ob ich es bin oder das, was passiert ist […] oder ob ich einfach eine Wahrheit erzähle, die lediglich meine Wahrheit ist, also nicht die Wahrheit“. Der Autor schildert dann ein einen Monat zurückliegendes rätselhaftes Erlebnis, wechselt in die Er-Form und beginnt im realistischen Stil mit genauen Orts- und Zeitangaben: Der Übersetzer und Amateurfotograf Roberto Michel, Franzose chilenischer Abstammung, verlässt am Sonntag, dem 7. November, seine Pariser Wohnung im 5. Stock eines Hauses in der Rue Monsieur-le-Prince, um auf den Seine-Quais spazieren zu gehen und einige Fotos von der Conciergerie und der Saint-Chapelle zu machen. Dann bummelt er weiter zur Ile Saint-Louis und beobachtet an der Inselspitze ein Liebespaar unterschiedlichen Alters. Offenbar bedrängt die blonde Frau im Pelzmantel einen ängstlichen jungen Mann, der dem Erzähler wie ein großer Junge vorkommt. Spontan fotografiert Michel die Szene aus fünf Meter Entfernung. Während die Frau ihn als „Schnüffler“ beschimpft und die Filmrolle einfordert, läuft der Junge davon „wie ein Marienfaden [d. i. ein Spinnenfaden, span. Las Babas del Diablo] in der Morgenluft entschw[indet]“. Michel weigert sich, dies sei ein öffentlicher Platz. Ein Mann mit tief in den Höhlen liegenden Augen und blassem Gesicht steigt aus einem in der Nähe geparkten Auto, kommt mit einer „Gesichtsverzerrung“ auf sie zu und berät sich mit der Frau., Michel geht, ihnen ins Gesicht lachend, davon.

Nach mehreren Tagen entwickelt Michel das Foto, vergrößert den Schnappschuss zu Plakatgröße und, hier wechselt die Er- wieder in die Ich-Form, denkt sich in die Dreierbeziehung hinein. Vom Bild ausgehend lässt er einen Film von der Verführung ablaufen: Die Frau soll dem Mann im Hintergrund den Jungen als Gefangenen bringen. „Das weitere würde ganz einfach sein, das Auto, irgendeine Wohnung, die Getränke, die erregenden Bilder, die zu späten Tränen, das Erwachen in der Hölle.“ Michel ist sich sicher, dass er den Jungen vor dem bösen Plan der beiden gerettet hat, aber er kennt nicht den weiteren Verlauf. Er vermutet, dass der Antrag mit Geld oder Betrug verbunden ist, und da er in der Realität nichts tun kann, versetzt er sich in der Phantasie in das Bild und rettet den Jungen ein zweites Mal.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antonioni wollte die männliche Hauptrolle eigentlich mit dem österreichischen Schauspieler Oskar Werner besetzen. Dieser war jedoch mit dem Drehbuch nicht einverstanden und sagte ab. Der Regisseur griff schließlich auf David Hemmings zurück, weil er ihn an Werner erinnerte.

Eine wesentliche Komponente des Films ist sein Zeitbezug. Die Rockgruppe The Yardbirds mit den Gitarristen Jeff Beck und Jimmy Page ist bei einem Auftritt in einem Club zu sehen. In deren Verlauf zertrümmert Beck sein Equipment. Antonioni wollte für die Szene eigentlich die für derartige Bühnenexzesse bekannten The Who engagieren, was aber an deren Gagenforderung scheiterte. Zitiert wird auch eine Frauencatchszene aus dem kurz zuvor erschienenen Italo-Western Django von Sergio Corbucci. Herbie Hancock schrieb die Filmmusik und spielte sie mit renommierter Besetzung (u. a. Freddie Hubbard, Joe Henderson, Jim Hall, Ron Carter und Jack DeJohnette) auch selbst ein.[4] Als Inspiration für die Figur des Fotografen Thomas wird allgemein David Bailey angesehen.[5] Es wird aber auch spekuliert, dass der Fotograf Michael Cooper als Muster für den Protagonisten diente.[6][7] Modisches Vorbild war der Playboy Gunter Sachs.

Zudem sind während der ausgedehnten Cabrio-Fahrten des Fotografen durch London viele Straßenzüge der Großstadt zu sehen, sowohl aus den Zentren, mit im Bau befindlichen Wolkenkratzern, als auch aus weniger urbanen Bereichen mit kleinen Läden und dunklen Ziegelgebäuden, die wie in der Zeit stehengeblieben wirken.

„Wenn Blow Up dennoch zum einzigen kommerziellen Erfolg Antonionis wurde – das in den USA gedrehte Nachfolgewerk Zabriskie Point (1970) bekam gnadenlose Verrisse –, liegt dies nicht nur an einigen damals als riskant geltenden Szenen, sondern vor allem an einem Bild von London, das von Pop, Mode und den kreativen Künsten geprägt ist. So wurden ganze Häuserfassaden für den Film bunt angestrichen, Thomas verwandelt eine Fotosession mit Veruschka von Lehndorff in einen quasi-sexuellen Akt, und Kunst gewinnt den Charakter freier Verfügbarkeit in einer Welt, in der Realität und Illusion, Original und Reproduktion immer weniger voneinander geschieden sind.“

Kritiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Zeit: „Antonionis Film endet, wie sonst Krimis anfangen, weil er diese Beunruhigung mitteilen möchte, weil hinter der Frage, ob auf den Photos nun ein Mord zu sehen war oder ob Thomas nur geträumt hat, die wichtigere Frage wartet, ob dies nicht vielleicht gleichgültig ist. Diese Frage wird von Antonioni beantwortet, denn nicht eine geheimnisvolle Mordgeschichte ist das Sujet seines Filmes, sondern Thomas und seine Arbeit.“[10]
  • Evangelischer Filmbeobachter: „Das kritische Moment der ohnehin schwer verständlich zwischen Realität und Irrealität schwankenden Handlung wird durch üppiges Beiwerk zusätzlich verwischt. Ein mehr vom Bildkünstlerischen her interessanter Film Antonionis für aufgeschlossene und urteilsreife Erwachsene.“[11]
  • Ernst Wendt in Film 1967, Friedrich Verlag, S. 4–12: Blow up ist "der erste Film, der bewußt den Anbruch eines neuen narzißtischen Zeitalters - man muß wohl sagen: >spiegelt<". Ein "Film, der Marcuses Traum einer von Repressionen befreiten, einer herrschaftslosen und emanzipierten, die vorhandenen, längst entwickelten Produktivkräfte ausnutzende Gesellschaft illustriert." (S. 12)

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Michelangelo Antonioni war als Regisseur und als Drehbuchautor für einen Oscar nominiert. Gewonnen hat er den Grand Prix in Cannes, den Prix Léon Moussinac der französischen Filmkritikervereinigung (Association Française de la Critique de Cinéma), den amerikanischen National Society of Film Critics Award und den Preis der Italienischen Vereinigung der Filmjournalisten (Sindacato Nazionale Giornalisti Cinematografici Italiani). Der Film selbst war darüber hinaus für einen Golden Globe nominiert.

Das British Film Institute wählte Blow Up in seiner 1999 veröffentlichten Liste der besten britischen Filme des 20. Jahrhunderts auf Platz 60.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brian De Palma zitierte 1981 das mittlerweile zum Kultfilm avancierte Werk Antonionis in Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren. In seiner Version ist die Hauptfigur (gespielt von John Travolta) ein Tontechniker, der zufällig einen Autounfall aufnimmt und dabei einem möglichen Mord auf die Spur kommt.

Ebenfalls auf Blow Up bezieht sich der Hindi-Film Jaane Bhi Do Yaaro aus dem Jahr 1983, in dem zwei Fotografen beim Entwickeln von Aufnahmen aus dem „Antonioni Park“ auffällt, dass sie zufällig einen Mord fotografiert haben, den sie dann aufklären.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat den Film Blow up 2003 in ihren Filmkanon aufgenommen.[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Philippe Garner, David Alan Mellor: Antonioni's Blow Up. Steidl, Göttingen 2010. ISBN 978-3-86930-023-8. (englisch)
  • Florian Lehmann: Realität und Imagination. Photographie in W. G. Sebalds Austerlitz und Michelangelo Antonionis Blow Up. University of Bamberg Press, Bamberg 2013, ISBN 978-3-86309-140-8.
  • Kim Newman: Blowup (1966). In: Steven Jay Schneider (Hrsg.): 1001 Filme. Edition Olms, Zürich 2004, ISBN 3-283-00497-8, S. 456 f.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kim Newman: Blowup (1966). In: Steven Jay Schneider (Hrsg.): 1001 Filme. Edition Olms, Zürich 2004, S. 456 f.
  2. Antonioni's Blow-Up, Yardbirds scene. Abgerufen am 29. Mai 2020.
  3. Juan Forn: „El rectángulo en la mano“. 2017.
  4. zur Besetzung vgl. Jazz Podium. Nr. 1, 1988, S. 53; der Soundtrack erschien 1966 auf MGM Records und wurde 1986 in der Hollywood Collection von CBS Records wiederveröffentlicht (CBS 70285). Eine Version des Theme from “Blow-Up” mit Herbie Hancock als Pianist findet sich auf dem bei Blue Note erschienenen Album Oblique von Bobby Hutcherson.
  5. Josef Schnelle: Das „Swinging London“ der 60er Jahre – Der Film „Blow Up“ traf den Zeitgeist. In: Deutschlandfunk. 18. Dezember 2006
  6. https://www.morrisonhotelgallery.com/photographer/default.aspx?photographerID=142
  7. http://theredlist.com/wiki-2-16-601-788-view-portrait-1-profile-cooper-michael.html
  8. Johann N. Schmidt: Großbritannien 1945–2010. Kultur, Politik, Gesellschaft (= Kröners Taschenausgabe. Band 305). Kröner, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-520-30501-5, S. 196.
  9. Blow Up. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 3. Januar 2017.Vorlage:LdiF/Wartung/Zugriff verwendet 
  10. Uwe Nettelbeck: Bei Vergrößerung Mord. Michelangelo Antonionis Film „Blow Up“. In: Die Zeit, 12. Mai 1967, abgerufen am 20. August 2014.
  11. Kritik Nr. 136/1967
  12. Rainer Rother: Blow Up. In: Der Filmkanon, 16. April 2010, abgerufen am 20. August 2014.