Frontex
Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex | |
---|---|
![]() Logo der Frontex | |
![]() Sitz der Frontex in Warschau (Warsaw Spire)[1] | |
Englische Bezeichnung | European Border and Coast Guard Agency |
Französische Bezeichnung | Agence européenne de garde-frontières et de garde-côtes |
Polnische Bezeichnung | Europejska Agencja Straży Granicznej i Przybrzeżnej |
Organisationsart | Agentur der Europäischen Union |
Status | Einrichtung des europäischen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit |
Sitz der Organe | Warschau, ![]() |
Vorsitz | ![]() |
Gründung | 26. Oktober 2004[3] |
frontex.europa.eu |
Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (englisch European Border and Coast Guard Agency, EBCG), auch Frontex genannt (Akronym für französisch frontières extérieures ‚Außengrenzen‘), ist in Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten zuständig für die Kontrolle der Außengrenzen der Europäischen Union.
Die Agentur der Europäischen Union (EU) mit Sitz in Warschau wurde 2004 gegründet. Von 2005 bis 2014 war der Finne Ilkka Laitinen, seit Januar 2015 ist der Franzose Fabrice Leggeri Leiter der Agentur. Ihre Aufgaben und Mittel wurden bis Oktober 2016 in mehreren Schritten erheblich erweitert. Bis 6. Oktober 2016 hieß sie Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der EU.
Aufgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Die Agentur koordiniert die operative Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen, unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von nationalen Grenzschutzbeamten und legt unter anderem gemeinsame Ausbildungsnormen fest.[4] Außerdem erstellt sie Risikoanalysen, verfolgt die Entwicklungen der für die Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen relevanten Forschung, unterstützt die Mitgliedstaaten in Situationen, die eine verstärkte technische und operative Unterstützung an den Außengrenzen erfordern, und leistet die erforderliche Hilfe bei der Organisation gemeinsamer Rückführungsaktionen der Mitgliedstaaten.[5] Nach der EU-Strategie der inneren Sicherheit[6] soll Frontex in Zukunft einen stärkeren Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung an den Grenzen leisten.[7]
Die rechtliche Grundlage schuf die am 26. Oktober 2004 vom Rat der EU erlassene Verordnung (EG) 2007/2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Europäischen Union, ergänzt durch die von Parlament und Rat am 11. Juli 2007 erlassene Verordnung (EG) 863/2007 „über den Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke und zwar Änderung der Verordnung (EG) 2007/2004 des Rates hinsichtlich dieses Mechanismus und der Regelung der Aufgaben und Befugnisse der abgestellten Beamten“.[8] Im Mai 2005 nahm Frontex daraufhin die Arbeit auf.
Hauptaufgabenfelder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- die Risiko- und Gefahrenanalyse bzgl. der EU-Außengrenzen und die daraus abgeleitete Sicherstellung einer ausgewogenen Verteilung der vorhandenen Überwachungs- und Sicherheitsressourcen entlang der Grenze. Die Risikoanalyse erfolgt mittels des 2002 von einer EU-Expertengruppe entwickelten Common Integrated Risk Analysis Modelles (CIRAM). Das bisher mit der Erstellung von Risikoanalysen beauftragte, 2003 in Helsinki gegründete Risk Analysis Centre (RAC) übergab diese Aufgabe an Frontex und wurde am 1. Mai 2005 geschlossen.[9]
- die Koordination der operativen Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten in der Überwachung der EU-Außengrenzen
- die Unterstützung von Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten an den nationalen Grenzen sowie die Einführung einheitlicher Ausbildungsstandards
- die Beobachtung der Forschung im Bereich der Sicherheitstechnologie sowie die Beratung der Sicherheitsorgane der Mitgliedstaaten bezüglich moderner Technologien für die Grenzsicherung
- die Unterstützung von Mitgliedstaaten in Situationen, die unmittelbar einen erhöhten technischen und personellen Bedarf erfordern
- die Unterstützung von Mitgliedstaaten bei der Organisation von Rückführungsaktionen, d. h. Abschiebungen von Personen aus Drittstaaten
- die enge Zusammenarbeit mit EU-Partnern wie Europol und CEPOL
- die Koordination der Kooperation mit den Sicherheitsbehörden aus Drittstaaten[10]
Seenot befindlichen Schiff und jeder in Seenot befindlichen Person Hilfe zu leisten.[11][12]
Ein Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, die an einem Seeeinsatz beteiligten Einsatzkräfte ausdrücklich zu verpflichten, während des Einsatzes jedem inAm 16. April 2014 stimmte das Europäische Parlament über die Seeaußengrenzenverordnung ab. Diese bezieht sich auf die neue Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) und regelt den Umgang von Frontex mit Flüchtlingsbooten unter Durchführung vorverlagerter Grenzkontrollen auf See. Zugleich ist klargestellt, dass Frontex die Pflicht zur Seenotrettung hat und Einwandererboote nicht mehr abdrängen oder zur Umkehr aufs offene Meer zwingen darf (siehe auch Asylpolitik der Europäischen Union und Einwanderung über das Mittelmeer in die EU). Die Richtlinie legt das Ausschiffen in bestimmte Transitländer fest und verbietet das Ausschiffen in solche Länder, wo den Aufgegriffenen oder Geretteten eine Gefahr für Leben oder Freiheit droht.[13][14][15][16]
Finanzierung und Ressourcen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gemäß ihrem ergänzten Budget 2015 hatte die Agentur im Berichtsjahr 336 Mitarbeiter. Zusätzlich konnte sie über 78 aus Teilnehmerstaaten abgeordnete Mitarbeiter verfügen.[17] Im Jahr 2019 waren es 1500 Mitarbeiter.[18]
Das Budget setzt sich aus Beiträgen der Schengen-Mitgliedstaaten sowie in einzelnen Jahren aus Beiträgen Norwegens, Islands, Irlands und des Vereinigten Königreichs zusammen. 2005 verfügte die Agentur über 6,2 Millionen Euro, 2006 über 19,2 Millionen Euro, 2007 über 22,2 Millionen Euro und 2008 über 70 Millionen Euro zuzüglich eines Reserve-Budgets von 13 Millionen Euro.[19] 2011 lag das Budget bei 118 Millionen Euro, fiel aber 2012 auf 85 Millionen Euro. Seitdem steigt das Budget kontinuierlich. Von 142 Millionen Euro im Jahr 2015 stieg es bis auf 460 Millionen Euro im Jahr 2020.[20]
Frontex verfügte um 2009 zur Erfüllung ihrer Aufgaben über 20 Flugzeuge, 25 Hubschrauber und 100 Boote.[21]
Im Jahr 2021 soll das Budget der Agentur 1,6 Milliarden Euro betragen. Damit sollen dann auch eigene Schiffe, Autos, Drohnen und Ausrüstung finanziert werden.[22]
Geschichte der Agentur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Für Einsätze setzte die Agentur auf das Konzept sogenannter Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke (RABIT), Einheiten, die in Ausnahmesituationen und dringenden Fällen für einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden. Die hierfür benötigte technische Ausrüstung wird bei Bedarf über einen extra hierfür geschaffenen Katalog, den Centralised Record of Available Technical Equipment (CRATE) bereitgestellt.[23]
Im Februar 2011 beklagte die Agentur, dass sie an der griechisch-türkischen Grenze stark ausgelastet sei, da die Zahlen der illegalen Grenzübertritte auf 100 bis 250 pro Tag angestiegen sei. Es sei mehr Equipment und finanzielle Unterstützung notwendig, um die Grenzen zu sichern. Es sei auch wichtig, die Länder im Mittleren Osten und Nordafrika demokratisch zu stärken. Laitinen sagte, wenn die Menschen es schaffen wollen, die Grenze zu überqueren, werden sie es tun. „Wir können sie nicht erschießen.“[24]
Das EU-Parlament in Straßburg hat am 13. September 2011 mit großer Mehrheit mehr Befugnisse für die europäische Grenzschutzagentur Frontex befürwortet. Die Agentur kann nun eigene Grenzschützer anfordern sowie eigene Ausrüstungen wie Hubschrauber und Fahrzeuge anschaffen. Damit ist sie nicht mehr so stark von den Zuweisungen der EU-Länder abhängig. Zudem soll ein Menschenrechtsbeauftragter künftig bei Einsätzen darauf achten, dass die Grundrechte eingehalten werden.[25] Die RABIT-Einheiten erhielten nun den Namen European Border Guard Teams (EBGT)[26]
Am 6. Oktober 2016 wurde Frontex mit mehr Rechten und Mitteln ausgestattet. Nach einem Beschluss des Europäischen Parlaments erhielt die Agentur eine eigene, 1500 Mann starke, stehende Truppe sowie das Recht, selbst Flugzeuge zu mieten.[27] Es ist vorgesehen, bis 2027 eine Reserve von 10.000 Einsatzkräften aufzubauen.[28]
Geschichte der Frontex-Einsätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Operationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Frontex hat mehrere Einsatzgebiete, in denen Operationen meist mit gleichlautenden Codewörtern beschrieben werden:[29]
- Poseidon/Poseidon Land: östliches Mittelmeer, v. a. Griechenland, Bulgarien[30][31]
- Hera: Kanarische Inseln/Küste Westafrikas
- Am 11. August 2006 begann ein Frontex-Einsatz zur Überwachung der Kanarischen Inseln („Operation Hera II“).[32] 2006 landeten hier rund 31.000 Flüchtlinge auf überfüllten Booten. Das waren fast genauso viele wie in den vier Jahren zuvor. Die meisten kamen aus Senegal, Mali, Mauretanien, Gambia und Niger. Ihre Boote starteten meist von der senegalesischen Küste, etwa 1300 Kilometer entfernt von den Inseln. Dies war wohl eine Reaktion auf die Sperrung der nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla; dort verhindern abermals höher gezogene Stacheldrahtzäune ein Durchkommen.
- Nautilus: Mittelmeer zwischen Nordafrika und Malta/Süd-Italien.
- Amazon: internationale Flughäfen, Kontrolle von Immigranten aus Lateinamerika[33]
- Hermes 2011: Einsatz auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa
- Bei den ersten Frontex-Vertretern der Mission Hermes 2011 handelte es sich um „Screener“ und „Debriefer“: Das sind Mitarbeiter aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, die die Bootsflüchtlinge auf Lampedusa identifizieren und befragen sollen – unter anderem über die Transportwege. Derartige Spezialisten stammen meist aus dem Grenzschutz der am Einsatz beteiligten Länder.[34]
- RABIT Operation: November 2010 bis Februar 2011, Grenze von Nord-Griechenland zur Türkei
- Die RABIT-Operation wurde im März 2011 durch die Mission Poseidon 2011 Joint Operation ersetzt und arbeitet im Evros-Gebiet.[35]
- Eurocup 12: im Zuge der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine[36]
- Xenios – Zeus
- Aspida – Schild: griechisch-türkische Grenze, August 2012 bis April 2013.
- Poseidon Land und Sea: griechisch- und bulgarisch-türkische Grenze und Seeweg von der Westtürkei und Ägypten nach Griechenland und Italien, 2013[37]
- Neptune: Ab Juni/Juli 2013 in Ungarn und Kroatien[38] (Folgekonferenz November 2013 in Wien, 1. Westbalkan-Konferenz)
- Triton – gilt als Nachfolger der italienischen Seenotrettungsmission Mare Nostrum. In Folge des 10-Punkte-Plans zur Migration, den die EU am 20. April 2015 beschloss, wurde das Budget dieser Mission zusammen mit dem der Operation Poseidon auf 9 Millionen Euro angehoben. Das gemeinsame Budget der beiden Operationen ist nun etwa auf der Höhe dessen von Mare Nostrum.[39]
- Themis löste am 1. Februar 2018 Triton ab.[40]
- 2019 wurde der erste Frontex-Einsatz außerhalb der EU in Albanien begonnen.[41]
Frontex organisierte und finanzierte eine europäische Sammelabschiebung am 3. Juni 2009 von Wien nach Nigeria, und eine weitere (deutsch-polnische) Massenabschiebung am 8. Juni 2009 von Berlin nach Hanoi (Vietnam).[42][43]
Im Oktober 2010 teilte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström mit, dass bis zu 90 % der illegalen Einwanderer die EU über Griechenland erreichen. Athen forderte Grenzschützer der EU-Agentur Frontex an. Mit ihrer langen Küstenlinie und den zahlreichen Inseln ist die griechische Grenze schwer zu kontrollieren. Das Problem ist bislang (Stand März 2012) nicht eingedämmt. Im März 2012 forderten Deutschland, Österreich und fünf weitere EU-Länder von Griechenland einen besseren Grenzschutz, um die illegale Einreise von Flüchtlingen zu stoppen.[44]
An der bulgarischen Grenze zur Türkei, in Swilengrad, arbeiteten 2011 bereits Experten von Frontex aus Belgien, den Niederlanden, Rumänien, Deutschland und Österreich mit der bulgarischen Grenzpolizei zusammen.[45][46]
Griechische und türkische Grenztruppen sind mit Frontex als „Endnutzer“ an einem EU-Forschungsprojekt zur Entwicklung von Überwachungsrobotern beteiligt. Entwickelt werden autonome Landroboter mit Überwachungskameras, die Fahrzeuge, Personen und „gefährliche Substanzen“ aufspüren sollen. Um die Gefangenen unterbringen zu können, kündigte die Regierung in Athen den Neubau von 30 Abschiebegefängnissen an.[47]
Frontex unterzeichnete im Juni 2012 ein Abkommen mit der türkischen Republik, das die Zusammenarbeit intensivieren soll. Im Gegenzug sollen Türken EU-Visaerleichterungen erhalten.[48]
Vorfälle, Menschenrechtsverletzungen, Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Flüchtlinge aus dem Senegal beschrieben in Report Mainz, gesendet am 5. Oktober 2009, wie ihr Boot auf See aufgebracht wurde: „Wir hatten nur noch drei Tage zu fahren, da hat uns ein Polizeischiff aufgehalten. Sie wollten uns kein Wasser geben. Sie haben gedroht, unser Boot zu zerstören, wenn wir nicht sofort umkehren. Wir waren fast verdurstet und hatten auch Leichen an Bord. Trotzdem mussten wir zurück nach Senegal.“ Amnesty International, Pro Asyl und der Evangelische Entwicklungsdienst bestätigen auf Anfrage von Report Mainz übereinstimmend solche Berichte.[49]
Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen kritisieren Frontex in Zusammenhang mit militärischen Flüchtlings-Abwehrmaßnahmen in der Mittelmeer-Region.[50] Dabei kommt ein Rechtsgutachten des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zu dem Schluss, dass die EU-Grenzschützer auch außerhalb der Territorien der EU-Staaten – also etwa auch auf Hoher See jenseits der 12-Meilen-Zone – an Flüchtlings- und Menschenrechte gebunden sind.[51] Mitten auf dem Meer aufgegriffene Flüchtlinge haben demzufolge das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Sie dürfen auch nicht zurückgeschoben werden, wenn ihnen möglicherweise Verfolgung oder Misshandlung droht. Um Flüchtlinge nicht bis zur Mittelmeerküste gelangen zu lassen, wird auch die Einrichtung von Lagern in entlegenen Wüstengebieten durch Frontex unterstützt. Hierzu zählen in Libyen die Kufra-Oasen[52] und Sabha.[53]
In mehreren türkischen Medien wurde gemutmaßt, am 25. August 2011 sei es zu einem möglichen Schusswaffengebrauch von Grenzschutzbeamten im Rahmen der Frontex-Operation „Poseidon Land“ gegenüber Migranten an der türkisch-griechischen Landgrenze gekommen. Eine Gruppe von Migranten hätte versucht, mit Schlauchbooten den Evros (Meriç) zwischen der Türkei und Griechenland zu überqueren, als laut den Meldungen von griechischer Seite das Feuer auf die Boote eröffnet worden sei. Auf Anfrage war der deutschen Bundesregierung auch nach Verbindungsaufnahme mit Angehörigen der Bundespolizei vor Ort sowie mit den national zuständigen Behörden jedoch nichts bekannt.[54]
Am 1. März 2012 sollen Schleuser in der Nacht am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros nach Bedrohung das Feuer auf Beamte von Frontex eröffnet haben. Die Beamten hätten darauf angeblich das Feuer erwidert, berichtete die Polizei dem Staatsrundfunk zufolge. Dabei seien zwei Menschen verletzt worden. Unter ihnen sollen ein mutmaßlicher Schleuser und ein Migrant sein. Bereits im Mai vergangenen Jahres war es zu einem ähnlichen Zwischenfall gekommen.[55]
Im Oktober 2013 gab Frontex-Direktor Ilkka Laitinen zu, dass Frontex jährlich mehrmals Flüchtlingsboote im Mittelmeer abgedrängt und Flüchtlinge auch unter Androhung von Gewalt ohne Asylprüfungsverfahren abgeschoben hatte. Die dieser Praxis zugrunde liegende EU-Verordnung hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 2012 als Menschenrechtsverletzung verurteilt und für nichtig erklärt. Laitinen erklärte, diese „Push-back-Aktionen“ seien nicht akzeptabel, jedoch wiesen die Statistiken fünf- bis zehnmal jährlich solche Fälle nach, in denen einem solchen Verdacht nachgegangen werden müsse.[56][57][58]
Im Dezember 2014 hatte Frontex nach dem Zwischenfall mit dem Frachter Blue Sky M behauptet, die Flüchtlinge auf dem Schiff seien von Schleppern im Stich gelassen worden. Berichte, wonach das Schiff am 30. Dezember 2014 führerlos vor der Küste von Korfu getrieben haben soll, erwiesen sich jedoch als falsch. Zwar waren Flüchtlinge an Bord, jedoch bestand zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr für sie. Die fingierte SOS-Meldung, mit der italienische Retter an Bord gerufen wurden, hatte nichts mit dem Zustand von Schiff und Besatzung zu tun.[59][60][61]
Im April 2015 wurde Frontex-Direktor Klaus Rösler in Berlin mit einem Marmeladenbeutel beworfen.[62] Den Ort zu seinem Vortrag Frontex: Wie funktioniert die europäische Grenzsicherung? konnte er nur mit Polizeisicherung erreichen.[63]
Im August 2016 wurde in The Intercept ein Artikel mit Frontex-Dokumenten veröffentlicht; demnach schossen im März 2014 Beamte der griechischen Küstenwache in der Ägäis auf ein schnelles Schmugglerboot, das trotz mehrfacher Aufforderung nicht gestoppt hatte. Insgesamt wurden später 16 Löcher im Boot festgestellt.[64]
Im August 2019 wurden Medienberichte veröffentlicht, wonach Frontex Menschenrechtsverletzungen wie Gewaltexzesse an den EU-Außengrenzen durch nationale Grenzbeamte dulde und bei Abschiebeflügen sogar selbst gegen Menschenrechte verstoße. Die Vorwürfe basieren auf der Auswertung interner Frontex-Dokumente durch das ARD-Politmagazin report München, die Tageszeitung The Guardian und das Recherchezentrum Correctiv.[65][22] Eine Sprecherin der EU-Kommission versprach, den Vorwürfen nachzugehen.[66]
Recherchen mehrerer länderübergreifender Medien (Der SPIEGEL, Lighthouse Reports, Bellingcat, Report Mainz und TV Asahi) belegen, dass Frontex auch im Jahr 2020 bei Pushbacks in der Ägais anwesend war, diese Praktiken duldete und auch in mindestens einem Fall selbst ausübte, indem ein Frontex-Boot mit hoher Geschwindigkeit an einem Flüchtlingsboot vorbeifuhr, um es so in Richtung Türkei abzudrängen.[67] Im Januar 2021 nahm das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung diesbezüglich Ermittlungen auf.[68]
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Roberta Mungianu: Frontex and Non-Refoulement: The International Responsibility of the EU. Cambridge University Press, Cambridge 2016, ISBN 978-1-107-13357-0.
- Simon Neumann: Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex. Integrierter Außenschutz und humanitäre Standards. Duncker & Humblot, Berlin 2014, ISBN 978-3-428-14283-5.
- Andrew W. Neal: Securitization and Risk at the EU Border: The Origins of FRONTEX. In: Journal of Common Market Studies, 2009, S. 333–356.
- Informationsstelle Militarisierung (Hrsg.): Frontex – Widersprüche im erweiterten Grenzraum (= Materialien gegen den Krieg, Repression und für andere Verhältnisse. Bd. 7). Tübingen 2009 (PDF; 1 MB).
- Andreas Fischer-Lescano, Timo Tohidipur: Europäisches Grenzkontrollregime. Rechtsrahmen der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX. In: ZaöRV. 2007, S. 1219–1276.
- Mark Holzberger: Europols kleine Schwester. Die Europäische Grenzschutzagentur „FRONTEX“. In: Bürgerrechte & Polizei/CILIP, Nr. 84 (2/2006), August 2006, S. 56–63 (online).
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Frontex-Website
- Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen auf der Website der Europäischen Union
- Europäische Agentur für den Schutz der Außengrenzen – Frontex, Dokumentation und Zusammenfassung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004, Website europa.eu
- Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 in der konsolidierten Fassung vom 12. Dezember 2011, abgerufen am 22. Mai 2013
- Beschluss 2010/252/EU des Rates vom 26. April 2010 zur Ergänzung des Schengener Grenzkodex hinsichtlich der Überwachung der Seeaußengrenzen im Rahmen der von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union koordinierten operativen Zusammenarbeit
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Regelungen für die Überwachung der Seeaußengrenzen im Rahmen der von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union koordinierten operativen Zusammenarbeit /* COM/2013/0197 final – 2013/0106 (COD) */ (Vorschlag, noch nicht in Kraft – Stand: Oktober 2013)
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Frontex Agency to Move into Warsaw Spire. In: The Warsaw Voice. 23. Dezember 2012. Abgerufen am 21. Oktober 2015.
- ↑ https://frontex.europa.eu/about-frontex/foreword/
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, abgerufen am 22. Mai 2013. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.
- ↑ Stock, In: Gunter Widmaier (Hrsg.): MAH Strafverteidigung. § 83 Rn. 75.
- ↑ Bundespolizei kompakt 1-2009, S. 20, ISSN 0302-9468.
- ↑ Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat. EU-Strategie der inneren Sicherheit, KOM(2010) 673 vom 22. November 2010, abgerufen am 13. Januar 2014.
- ↑ Vgl. Reinhard Priebe: Europäische Kommission: EU-Strategie für die Innere Sicherheit. In: EuZW. 2011, 2, 3.
- ↑ Fischer-Lescano / Tohidipur, ZaöRV 2007, 1219, 1229f.
- ↑ Frontex – FAQ (Memento vom 20. November 2006 im Internet Archive)
- ↑ Frontex – Tasks (Memento vom 20. November 2006 im Internet Archive)
- ↑ Artikel 9(1), Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Regelungen für die Überwachung der Seeaußengrenzen im Rahmen der von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union koordinierten operativen Zusammenarbeit /* COM/2013/0197 final – 2013/0106 (COD) */
- ↑ Javier Cáceres: EU-Kommission und Länder streiten über Seenotrettung. In: sueddeutsche.de. 18. Oktober 2013, abgerufen am 25. Oktober 2013.
- ↑ Protokoll Mittwoch, 16. April 2014 – Straßburg, Vorläufige Ausgabe, 7.22. Überwachung der Seeaußengrenzen (Abstimmung). Europäisches Parlament, 16. April 2014, abgerufen am 27. April 2014.
- ↑ Bendel: Ausschiffen von Flüchtlingen verletzt ihr Recht auf Asyl. In: Deutsche Welle. 15. April 2014, abgerufen am 27. April 2014.
- ↑ EU-Grenzschutz. Kein Push-Back: Strengere Regeln für Frontex. In: Wiener Zeitung. 17. April 2014, archiviert vom Original am 27. April 2014; abgerufen am 27. April 2014.
- ↑ Kommentar: Frontex im Mittelmeer. Kein Asyl auf Hoher See. In: taz.de. 2. April 2014, abgerufen am 27. April 2014.
- ↑ Frontex Amended Budget 2015 N3 – 06.11.2015 (Memento vom 18. Dezember 2016 im Internet Archive)
- ↑ Die überforderte Behörde. In: zeit.de. 6. August 2019, abgerufen am 7. August 2019.
- ↑ Vgl. o. V.: Europäisches Parlament beschließt Haushalt 2008. EuZW 2008, 37.
- ↑ Frontex - FAQ abgerufen am 17. Juli 2020.
- ↑ Albert Scherr: Innere Sicherheit und soziale Unsicherheit. Sicherheitsdiskurse als projektive Bearbeitung gesellschaftsstrukturell bedingter Ängste? In: Axel Groenemeyer (Hrsg.): Wege der Sicherheitsgesellschaft. Gesellschaftliche Transformationen der Konstruktion und Regulierung innerer Unsicherheiten. 1. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-17798-4, S. 29.
- ↑ a b Niklas Nau, Anna Tillack: Frontex – Eine EU-Agentur und der Umgang mit den Menschenrechten. In: br.de. 6. August 2019, abgerufen am 7. August 2019.
- ↑ Ilkka Laitinen: Frontex - Facts and Myths. Frontex News Release. 11. Juni 2007, abgerufen am 7. August 2019 (englisch).
- ↑ Christoph Schult: ‚The Situation is Escalating‘: Europe’s Frontex Border Guard Stretched to Limit. auf: spiegel.de, 21. Februar 2011.
- ↑ EU-Parlament stärkt Agentur Frontex – Mehr Personal soll Europas Grenzen besser schützen, in: tagesschau.de, abgerufen am 13. September 2011.
- ↑ Regulation (EU) No 1168/2011 of the European Parliament and of the Council. In: Official Journal of the European Union. 25. Oktober 2011, abgerufen am 7. August 2019 (englisch, Speziell Artikel 3b und Fußnote 18).
- ↑ Mehr Macht für Frontex. In: zeit.de. 6. Oktober 2016, abgerufen am 7. August 2019.
- ↑ Vorstoß bei G6-Treffen – Seehofer will Asylanträge an EU-Grenzen prüfen lassen. In: www.zdf.de. 29. Oktober 2019, abgerufen am 29. Oktober 2019.
- ↑ Kasparek, Bernd; Wagner, Fabian (2012): Local Border Regimes or a Homogeneous External Border? The Case of the European Union’s Border (Memento vom 8. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 1,9 MB), in: IMIS-Beiträge 40/2012, S. 173–190.
- ↑ Webseite des bulgarischen Innenministeriums: Abteilung Grenzpolizei Minister Tsvetanov: Konzentrieren Sie sich auf den Schmuggel an der grüne Grenze, nsgp.mvr.bg vom 22. Dezember 2011.
- ↑ Antwort der Bundesregierung (18/1446) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/1292), dip21.bundestag.de vom 3. Juni 2014.
- ↑ Sicco Rah: Asylsuchende und Migranten auf See. Staatliche Rechte und Pflichten aus völkerrechtlicher Sicht. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-92930-7, S. 239f.
- ↑ Frontex – Jahresbericht 2006 (Memento vom 22. Juni 2007 im Internet Archive) (PDF, Englisch)
- ↑ Troendle, Stefan: Frontex startet Mission „Hermes 2011“, in: tagesschau.de, 20. Februar 2011.
- ↑ Frontex Press Release März 2011 (Memento vom 6. Mai 2011 im Internet Archive)
- ↑ Matthias Monroy: Auch die Nato ist beim EM-Eröffnungsspiel in Warschau dabei, heise.de vom 31. Mai 2012.
- ↑ Poseidon Land (Memento vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive); Poseidon Sea (Memento vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive), frontex.europa.eu > Archive of operations.
- ↑ Neptune. (Memento vom 1. September 2017 im Internet Archive) frontex.europa.eu > Archive of operations.
- ↑ Der EU-Zehn Punkte Plan zur Migration. diewunde.blogsport.eu, 5. Mai 2015.
- ↑ In new EU sea mission, ships not obliged to bring migrants to Italy. Reuters 1. Februar 2018, abgerufen 12. April 2018
- ↑ Erster Frontex-Einsatz außerhalb der EU. zeit.de vom 21. Mai 2019, abgerufen am 5. August 2019
- ↑ Protest gegen Massenabschiebung nach Nigeria. no-racism.net, 3. Juni 2009
- ↑ Mo 8.6.09 Berlin-SXF: AirBerlin/FRONTEX Massenabschiebung nach Vietnam. (Memento vom 9. Juni 2009 im Internet Archive) Flüchtlingsrat Berlin.
- ↑ Europa drängt Griechen zu besserem Grenzschutz. auf: spiegel.de, 8. März 2012.
- ↑ Ivan Dikov: Frontex Spokesperson Michal Parzyszek: Ties with Turkey, Border Control Investments Help Bulgaria Tackle Illegal Migration. In: novinite.com, 27. Mai 2011.
- ↑ Tobias Klaus, Mathias Fiedler: Wenn du hier wohnst, wirst du ein trauriger Mann. In: Hinterland Magazin. 20. Juli 2012.
- ↑ Matthias Monroy: Panzergraben, Grenzzaun, Wachroboter und mehr deutsche Polizei. In: heise.de, 15. Mai 2012.
- ↑ Jürgen Gottschlich: Aufmarsch in der Türkei. In: taz.de, 3. Juni 2012.
- ↑ EU treibt Tausende Bootsflüchtlinge zurück nach Afrika, Report Mainz, abgerufen am 4. März 2012.
- ↑ Warum die Kampagne „Stoppt das Sterben“? Pro Asyl (Memento vom 28. September 2008 im Internet Archive)
- ↑ Rechtsgutachten des ECCHR (Memento vom 22. Oktober 2013 im Internet Archive)
- ↑ Dirk Godenau u. a. (Hrsg.): Immigration Flows and the Management of EU’s Southern Maritime Borders. CIDOB editions, Dezember 2008, S. 55. (Memento vom 10. April 2011 im Internet Archive) (englisch)
- ↑ Global Detention Project: Libya Detention Profile (Memento vom 15. Juni 2011 im Internet Archive) (englisch). Informationen basierend auf Berichten von Human Rights Watch und Fortress Europe (italienisch), abgerufen am 1. April 2011.
- ↑ Schriftliche Fragen: Mit den in der Woche vom 5. September 2011 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, dipbt.bundestag.de (PDF; 3,1 MB), abgerufen am 4. März 2012.
- ↑ Zwischenfall an Grenze Griechenland-Türkei: Schleuser schießen auf Frontex-Beamte, Focus, abgerufen am 4. März 2012.
- ↑ Frontex gibt Menschenrechtsverletzungen zu, Deutschlandradio, abgerufen am 17. Oktober 2013.
- ↑ Stefan Stuchlick: Abgedrängt von Europas Grenzschützern. (Memento vom 17. Oktober 2013 im Internet Archive) In: tagesschau.de, 17. Oktober 2013.
- ↑ Völkerrechtswidrige Push Backs – europäische Komplizenschaft, Pro Asyl vom 7. November 2013.
- ↑ Flüchtlingsschiff: Wie Frontex die Wahrheit verdreht. In: Panorama, 19. Februar 2015.
- ↑ Italienische Soldaten entern Frachter mit Hunderten Flüchtlingen. In: Die Zeit, 30. Dezember 2014.
- ↑ Flüchtlingsschiff: Wie Frontex die Wahrheit verdreht. In: Panorama, 19. Februar 2015.
- ↑ Frontex-Direktor in Berlin mit Marmelade beworfen. In: Focus, 23. April 2015.
- ↑ Attacke auf Frontex-Operationsleiter Rösler in Berlin. (Memento vom 26. April 2015 im Internet Archive) In: publikative.org. 23. April 2015.
- ↑ Zach CampbellZach Campbell2016-08-22T14:24:44+00:00: Coast Guard Fired at Migrant Boats, European Border Agency Documents Show. In: The Intercept. Abgerufen am 9. Oktober 2016.
- ↑ Bericht: Frontex duldet Gewaltexzesse an EU-Außengrenzen. In: orf.at. 5. August 2019, abgerufen am 7. August 2019.
- ↑ Gewalt unter Frontex: EU-Kommission verspricht Aufklärung. In: orf.at. 5. August 2019, abgerufen am 7. August 2019.
- ↑ Maximilian Popp, Steffen Lüdke, Emmanuel Freudenthal, Giorgos Christides, DER SPIEGEL: Frontex in illegale Pushbacks von Flüchtlingen verwickelt - DER SPIEGEL - Politik. Abgerufen am 25. Oktober 2020.
- ↑ Maximilian Popp, Steffen Lüdke, Giorgos Christides: Frontex-Skandal: Anti-Betrugsbehörde ermittelt gegen EU-Grenzschutzagentur. In: DER SPIEGEL. Abgerufen am 11. Januar 2021.
Koordinaten: 52° 13′ 57″ N, 20° 59′ 5,6″ O
- Organisation der Polizei
- Agentur der Europäischen Union
- Organisation (Warschau)
- Migrationsbehörde
- Gegründet 2004
- Grenzschutz
- Grenzaufsicht
- Außenpolitik der Europäischen Union
- Sicherheitspolitik der Europäischen Union
- Asyl-, Einwanderungs- und Visumpolitik der Europäischen Union
- Rückführungspolitik
- Zwischenstaatliche Kooperation in Europa