Schwachsinn

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Als Schwachsinn wird eine Intelligenzminderung bzw. Minderbegabung bezeichnet. Während der Begriff in der Psychiatrie heute nicht mehr verwendet wird, ist er in der Rechtswissenschaft noch in Gebrauch. Umgangssprachlich wird der Ausdruck herabsetzend synonym für „Unsinn“ verwendet.

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Deutschen Wörterbuch wird Schwachsinn Ende des 19. Jahrhunderts noch als ein Mangel an Empfindung und Verstand beschrieben, das davon abgeleitete schwachsinnig als „stumpfen Geistes, mit verkümmertem Empfindungsleben“. Allmählich übernahm der Begriff als milderer Ausdruck für „Blödsinn“ (früher synonym mit „sekundärer Schwachsinn“ und „Dementia“[1]) dessen Bedeutung als Intelligenzminderung.[2]

Verwendung in der Psychiatrie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Normalisierte IQ-Verteilung: „Schwachsinn“ entsprach einem IQ von unter 70

In der Psychiatrie galt der Begriff bis ins 20. Jahrhundert hinein als zusammenfassende Bezeichnung für die abgestuften Grade der Intelligenzminderung Debilität (leichte), Imbezillität (mittlere bis schwere) und Idiotie (schwerste). In der psychiatrischen Diagnose entsprach „Schwachsinn“ einem Intelligenzquotienten von unter 70, das heißt mehr als zwei Standardabweichungen vom Mittelwert. Bei angeborenen Formen wurde der Begriff Oligophrenie (von griechisch oligos „wenig“ und φρήν, φρενός phrenos = „Geist“, „Gemüt“, „Zwerchfell“) synonym gebraucht.

Die Diagnose „(angeborener) Schwachsinn“ gilt in der Psychiatrie heutzutage als veraltet, wertend und diskriminierend und wird nicht mehr verwendet, zumal häufig die Ursachen (z. B. Fragiles-X-Syndrom) bekannt sind. Zudem ist der Begriff unpräzise im Hinblick auf den Grad einer Störung oder eines Defizits. Vom Schwachsinn abzugrenzen ist auch der ehemalige Begriff des „Verhältnisblödsinns“,[3] welcher meist nicht mit einer Intelligenzminderung einhergeht.

Verwendung in der Rechtswissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der juristischen Verwendung ist das Wort in Deutschland auch heute noch in Gebrauch. Hierbei steht der Begriff weiterhin als Bezeichnung für eine geistige Behinderung im Sinne einer Minderung der kognitiven Leistungsfähigkeit eines Menschen.

Schwachsinn kann von der Schuld oder der Verantwortlichkeit für das eigene Handeln befreien, wenn er die Einsicht in das Unrecht oder das Unerlaubte der Handlung verhindert:

§ 20 StGB. Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

§ 12 OWiG. Verantwortlichkeit.

(2) Nicht vorwerfbar handelt, wer bei Begehung der Handlung wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unerlaubte der Handlung einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Schwachsinn – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. A. Müller, R. W. Schlecht, Alexander Früh, H. Still Der Weg zur Gesundheit: Ein getreuer und unentbehrlicher Ratgeber für Gesunde und Kranke. 2 Bände, (1901; 3. Auflage 1906, 9. Auflage 1921) 31. bis 44. Auflage. C. A. Weller, Berlin 1929 bis 1931, Band 2 (1929), S. 120–123: Der sekundäre Schwachsinn, Blödsinn (Dementia).
  2. Schwachsinn. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 15: Schiefeln–Seele – (IX). S. Hirzel, Leipzig 1899 (woerterbuchnetz.de).
  3. Reinhard Platzek: Verhältnisblödsinn. Eine vergessene psychiatrische Diagnose. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, 21, 2002, S. 464–472.