Tina Modotti

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Edward Weston: Porträt Tina Modotti (1921)

Tina Modotti, eigentlich Assunta Adelaide Luigia Modotti Mondini, (* 16. August 1896 in Udine, Italien; † 6. Januar 1942 in Mexiko-Stadt) war Schauspielerin, Fotografin und Revolutionärin. Ihr gebräuchlicher Rufname Tina ist eine Verkürzung der Koseform Assuntina ihres ersten Vornamens.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tina Modotti, deren Familie aus dem Friaul stammte, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Klagenfurt und besuchte in Ferlach die Schule.[1]

Übersiedlung in die Vereinigten Staaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem Tina Modotti 1913 alleine ihrem Vater und einer ihrer Schwestern in die USA nachgereist war, arbeitete sie zunächst in San Francisco als Näherin, fertigte Batiken an und hatte kleine Auftritte auf Bühnen in San Franciscos „Little Italy“.

Im Jahr 1915 lernte sie den kanadischen Maler und Dichter Roubaix del' Abrie Richey (Robo) kennen, den sie 1917 heiratete.[2] Ab 1918 lebte das Paar in Los Angeles, wo Modotti ab 1920 in drei Filmen spielte. Seit etwa 1921 war sie das Lieblingsmodell des renommierten Fotografen Edward Weston und wurde im Oktober 1921 zu seiner Geliebten.

Roubaix del' Abrie ging 1921 nach Mexiko. Tina wollte ihm zwar 1922 nachreisen, er starb jedoch zwei Tage vor ihrer Ankunft, am 9. Februar, an den Pocken.

Während ihres Aufenthalts ließ sich Tina vom „lichterfüllten“ Land, seinen Künstlern und der allgemeinen Aufbruchstimmung faszinieren. Als bald darauf in San Francisco ihr Vater starb, kehrte sie für kurze Zeit dorthin zurück und verfasste und publizierte Ende des Jahres als Erinnerung an ihren Mann den Vers- und Prosaband The Book of Robo.

Die Zeit in Mexiko[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Julio Antonio Mella auf seinem Sterbebett, 1929
Concha Michel, 1923
Treppen, Mexico City, 1924
Zwei Frauen aus Tehuantepec
Rene d'Harnoncourt Marionette, 1929
Frau aus Tehuantepec, ca. 1929
Die Hände des Puppenspielers, 1929

Ende Juli 1923 zogen Tina Modotti, Edward Weston und sein ältester Sohn Chandler[3] nach Mexiko. Vereinbart war, dass Modotti sich um Westons Studio und Haushalt kümmern und im Gegenzug das Fotohandwerk erlernen würde. Westons Frau und seine drei übrigen Kinder blieben in den USA.

Zwei Monate nach ihrem Eintreffen in Mexiko ließ sich das Paar in Mexiko-Stadt nieder, wo sich die beiden in der postrevolutionären Bohème bewegten, unter Künstlern wie den Muralisten David Alfaro Siqueiros, Diego Rivera und José Clemente Orozco und den Fotografen Manuel und Lola Álvarez Bravo. Die „drei Großen“ Maler gründeten 1924 die revolutionäre Zeitschrift El Machete, die 1928 Organ der Partido Comunista Mexicano (PCM), wurde.

1924 stellte Modotti ihre Arbeiten in einer Ausstellung zusammen mit Weston erstmals vor. Deren Eröffnung fand in Anwesenheit des Staatspräsidenten statt. Ihre Fotografien aus dieser Zeit, von Westons Stil beeinflusst, werden heute zu Höchstpreisen gehandelt. Bei kurzen Aufenthalten in San Francisco, 1925 und 1926, besuchte sie ihre inzwischen erkrankte Mutter, lernte die Fotografin Dorothea Lange kennen und erwarb eine Graflex, die zu dieser Zeit bei Amerikas Pressefotografen beliebteste Kamera, die weitaus handlicher war als Westons Apparate. Zurück in Mexiko, bereiste sie drei Monate lang das zentrale Hochland, um zusammen mit Weston das Bildmaterial für Anita Brenners Buch über die Wurzeln zeitgenössischer mexikanischer Kunst, Idols Behind Altars, zu erstellen.

1926 trennte sich das Paar und Weston ging zurück in die USA. Modotti hatte eine Beziehung mit dem kommunistischen Maler Xavier Guerrero, der wenig später an die Moskauer Lenin-Schule ging. Sie trat 1927 der PCM bei, arbeitete für die Sandinistenbewegung Manos fuera de Nicaragua und nahm an Demonstrationen für Sacco und Vanzetti teil, wobei sie den italienischen Revolutionär und Agenten der Komintern Vittorio Vidali kennenlernte.

Sie lebte weiterhin von Porträtfotografie, arbeitete aber auch für die Magazine Forma, die radikale New Masses in den USA, die auch einen von ihr übersetzten Artikel Guerreras über revolutionäre Kunst abdruckte, und für Horizonte. Zu ihrem Bekanntenkreis gehörten jetzt auch der Fotograf Manuel Álvarez Bravo, der Schriftsteller John Dos Passos, die Schauspielerin Dolores Del Rio und die junge Frida Kahlo (manche Quellen vermerken, es sei Tina gewesen, die Frida mit Rivera bekannt gemacht habe). Ab September 1928 hatte sie eine intensive Liebesbeziehung zum emigrierten kubanischen Revolutionär Julio Antonio Mella. Zu dieser Zeit fand ihr politisches Engagement bereits deutlichen Ausdruck in ihren Fotos. Als Mella am 10. Januar 1929 auf offener Straße vor ihren Augen erschossen wurde, brachten Mutmaßungen in Zeitungen sie mit dem Mord in Zusammenhang. Ob sie eine Anstellung als Fotografin des Museo Nacional, die ihr wenig später angeboten wurde, aus Protest gegen den Rufmord oder aus anderen Gründen ablehnte, ist unklar. Jedenfalls ging sie für einige Monate nach Tehuantepec und dokumentierte dort das Leben einfacher Leute. Im Juni wurde in Mexiko die kommunistische Partei verboten. Die Eröffnung der Modotti-Ausstellung in der Autonomen Universität von Mexiko-Stadt am 3. Dezember 1929 geriet zur politischen Demonstration, sowohl wegen der politischen Brisanz der Bilder (viele davon aus Tehuantepec) als auch wegen der provokanten Präsentation durch den Maler David Alfaro Siqueiros.

Das Magazin Mexican Folkways publizierte Ende 1929 Modottis Manifest Sobre la fotografia (Über die Fotografie).

Ausweisung aus Mexiko und Aufenthalt in der Sowjetunion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein erfolgloser Mordanschlag auf den mexikanischen Präsidenten Pasqual Ortiz Rubio am 5. Februar 1930 war der Vorwand, die Fotografin zu verhaften. Zwar konnte ihr keinerlei Beteiligung nachgewiesen werden, sie wurde aber ausgewiesen. Zusammen mit Vidali kam sie auf dem Dampfer Edam in Rotterdam an, ging dann nach Berlin, wo sie Bohumír Šmeral, den ehemaligen ersten Vorsitzenden der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und den Reporter Egon Erwin Kisch kennenlernte sowie die Fotografin Lotte Jacobi, in deren Studio sie ihre Bilder aus Mexiko ausstellen konnte.[4]

Sie arbeitete wieder als Fotografin, die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung veröffentlichte mehrfach ihre Bilder, darunter ein Titelbild mit Modottis Porträt von Mella.

Im Oktober entschloss sie sich jedoch, nach Moskau zu gehen, wo sie wieder mit Vidali zusammentraf, den sie als „ihren Mann“ bezeichnete, als sie 1932 einen Aufnahmeantrag an das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale stellte.[5] Sie gab bald darauf die Fotografie auf, angeblich warf sie ihre Kamera in die Moskwa, arbeitete bei der Internationalen Roten Hilfe als Übersetzerin ausländischer Presseberichte und verfasste auch selbst Artikel. Zumindest über Vidali war sie ab dieser Zeit mit dem Geheimdienst verflochten. Ihre Arbeit führte sie 1935 nach Wien, Warschau, Madrid und Paris.

Spanischer Bürgerkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter dem Namen Maria war sie ab dem Juli 1936 wieder in Madrid, zusammen mit Vidali, der Comandante Carlos J. Contreras des Fünften Regiments war. In den drei folgenden Jahren arbeitete sie im medizinischen Hilfsdienst, zeitweise unter Dr. Norman Bethune.

1937 half sie in Valencia bei der Vorbereitung des Internationalen Kongresses Intellektuelle gegen den Faschismus, und bereitete zusammen mit Carlos/Vittorio die Veröffentlichung von Miguel Hernández' Gedichtband Viento del Pueblo vor. Sie kam mit Robert Capa, Gerda Taro, Ernest Hemingway, Antonio Machado, Dolores Ibárruri, Rafael Alberti, André Malraux zusammen, die in den Internationalen Brigaden am Spanischen Bürgerkrieg teilnahmen. Zur Vorbereitung des Congreso Nacional de la Solidaridad hielt sie sich 1938 in Madrid auf. Nachdem der Bürgerkrieg verloren war, traf sie zusammen mit Vidali in Paris ein. Ihrem Ansuchen an die Partei, in Italien im Untergrund arbeiten zu dürfen, wurde nicht stattgegeben.

Zurück in Mexiko[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mexikos neuer Staatspräsident Lázaro Cárdenas hob den Ausweisungsbefehl auf, und zusammen mit Vidali kehrte sie nach Mexiko-Stadt zurück,[6] nachdem die USA einen Asylantrag abgelehnt hatten.[7] Sie lebte jetzt eher schlecht von Übersetzungen, arbeitete für die Alleanza Internazionale Giuseppe Garibaldi und nahm nur noch wenig am gesellschaftlichen Leben teil. Gelegentlich traf sie die emigrierten Schriftstellerinnen Anna Seghers[8] und Constancia de la Mora.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1942 erlag sie in einem Taxi einem Herzanfall.[9] In der öffentlichen Meinung, geschürt von Rivera, wurde Vidali verdächtigt, seine ehemalige Mitstreiterin in Stalins Auftrag beseitigt zu haben,[10] aber auch über Selbstmord wurde gemunkelt. Ein Gedicht Pablo Nerudas, als Nachruf in den Zeitungen publiziert, trug dazu bei, die Wogen zu glätten. Tina Modotti wurde im Prominenten-Friedhof Panteón Civil de Dolores beigesetzt. Unter dem Flachrelief mit dem von Leopoldo Méndez geschaffenen Porträt sind die ersten Verse von Nerudas Gedicht in den Grabstein gemeißelt.

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Photos als Waffe der RH.-Agitation, in: MOPR. Zeitschrift für Kampf und Arbeit der Internationalen Roten Hilfe, März 1932, S. 10–11.
  • Der Blutstrom der 1000 Gemordeten, in: MOPR. Zeitschrift für Kampf und Arbeit der Internationalen Roten Hilfe, April 1932, S. 23–24.

Porträtfotografien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelausstellungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1989: Biel, Photoforum Pasquart, Tina Modotti.[11]
  • 2014: St. Gallen, Historisches und Völkerkundemuseum, Tina Modotti. Emigrantin, Fotografin, Revolutionärin.[12]
  • 2015: Retrospektive, Okt. 2015.-Feb. 2016, Udine[13]

Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1920: The Tiger’s Coat
  • 1921: Riding With Death
  • 1922: I Can Explain

Standbild und Plakate The Tiger's Coat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Frida Kahlo and Tina Modotti. Whitechapel Art Gallery, London 1982 (Ausstellungskatalog; in deutscher Sprache: Mark Francis (Hrsg.): Frida Kahlo und Tina Modotti. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-8015-0180-9).
  • Patricia Albers: Shadows, Fire, Snow. The Life of Tina Modotti. Clarkson N. Potter, New York NY 1999, ISBN 0-609-60069-9 (in deutscher Sprache: Schatten, Feuer, Schnee. Das Leben der Tina Modotti. List, München 2000, ISBN 3-471-77039-9), oder „Das Leben kämpft in mir“. Tina Modotti. List, München 2001, ISBN 3-548-60053-0 (umfassende Recherche, mit ausführlichen Anmerkungen und Index).
  • Letizia Argenteri: Tina Modotti: Between Art and Revolution. Yale University Press, New Haven 2003, ISBN 0-300-09853-7
  • Christiane Barckhausen: Tina Modotti. Wahrheit und Legende einer umstrittenen Frau. Biografie. 3. Auflage. Neues Leben, Berlin 1991, ISBN 3-355-00621-1 (mit Zeittafel, Aufstellung der Fotos und Schriften von Tina Modotti plus Personenregister).
  • Christiane Barckhausen (Hrsg.): Tina Modotti. Leben – Werk – Schriften. Agimos-Verlag, Kiel 1996, ISBN 3-931903-02-8.
  • Christiane Barckhausen: Tina Modotti. Den Mond in drei Teile teilen. Wiljo Heinen, Berlin, 2012, ISBN 978-3-939828-88-4 (Biographische Skizze).
  • Ángel de la Calle: Modotti. Eine Frau des 20. Jahrhunderts. Rotbuch-Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-86789-137-0.
  • Elena Poniatowska: Tinísima. Novela. Ediciones Era, Mexiko 1992, ISBN 968-411-305-6 (in deutscher Sprache: Tinissima: Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-40816-X).
  • Reinhard Schultz (Hrsg.): Tina Modotti. Photographien und Dokumente (= Reihe Kunst und Geschichte. Bd. 2). Sozialarchiv e. V., Berlin 1989 (Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung des Sozialarchivs Berlin e. V.).
  • Reinhard Schultz (Hrsg.): Tina Modotti. Ihr fotografisches Werk. Ihr Leben. Ihr Film. Zweitausendeins, Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-86150-631-9 (incl. DVD: The Tiger’s Coat).
  • Tina Modotti. Fotografien einer Revolutionärin. Wiljo Heinen, Berlin u. a. 2012, ISBN 978-3-939828-86-0 (Bildband; Texte von Christiane Barckhausen und Reinhard Schultz).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tina Modotti – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Modottis Fotoarbeiten

Tina Modotti und Diego Rivera

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Porträts von Klagenfurter Powerfrauen auf ORF vom 11, März 2021 abgerufen am 17. März 2021
  2. Möglicherweise gab das Paar die Heirat auch nur vor. Die Modotti-Biographin Patricia Albers konnte trotz ausführlicher Aktensuche in Kalifornien und Oregon keinen Nachweis dieser Eheschließung finden.
  3. Der 13-jährige Chandler Weston, über den sonst wenig bekannt ist, war wohl (auch) als Gehilfe des Vaters mitgenommen worden. Er wurde 1925 durch den zweiten Sohn, Brett Weston, ersetzt, der bereits in Mexiko den Grundstein zu seiner eigenen bedeutenden Karriere als Fotograf legte.
  4. Christiane Barckhausen: Tina Modotti. Den Mond in drei Teile teilen, Berlin 2012.
  5. Tina Modotti (1896–1942) – Fotografin, Revolutionärin und Internationalistin. nadir.org
  6. Vgl. Letizia Argenteri, Tina Modotti: Between Art and Revolution, New Haven 2003, S. 187
  7. Modotti, Tina fotostiftung.ch (abgerufen am 31. Dezember 2016)
  8. Vgl. Anna Seghers, Unsere Freunde sagen. Nachruf auf Tina Modotti. In: Martin Hielscher (Hrsg.), Fluchtort Mexiko, Hamburg/Zürich 1992
  9. Argenteri, S. 195
  10. Patricia Albers, Shadows, Fire, Snow. The Life of Tina Modotti, New York 1999, S. 331
  11. Biografie von Tina Modotti im Onlinewerk über die historische Fotografie in der Schweiz, fotoCH, abgerufen am 26. September 2020.
  12. Monica Boirar: Tina Modotti – Emigrantin, Fotografin, Revolutionärin. In: Fotointern, 8. November 2014, abgerufen am 26. September 2020.
  13. Tina Modotti: una retrospettiva svela la fotografa udinese, abgerufen am 31. Dezember 2016