Tocotronic

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Dieser Artikel behandelt die Band Tocotronic. Zum gleichnamigen Album siehe Tocotronic (Album).
Tocotronic
Tocotronic beim Festival Berlin 05
Tocotronic beim Festival Berlin 05
Allgemeine Informationen
Genre(s) Hamburger Schule, Rock
Gründung 1993
Website www.tocotronic.de
Aktuelle Besetzung
Dirk von Lowtzow
Jan Müller
Arne Zank
Keyboard, Gitarre
Rick McPhail (seit 2004)

Tocotronic ist eine deutsche Rock-Band aus Hamburg, die sich Mitte der 1990er Jahre gründete. Der Bandname ist abgeleitet von einer japanischen Spielkonsole namens Tricotronic, einem Vorgänger des Game Boys.

In ihrer Ursprungsphase galt Tocotronic als zentraler Teil der Stilrichtung Hamburger Schule neben den Bands Blumfeld und Die Sterne. Andere Genre-Zuweisungen für Tocotronic lauten Indie-Rock, Indie-Pop[1] und Diskursrock[2].

Die Band hat bisher elf Studioalben veröffentlicht. In den späten 1990er Jahren wurde Tocotronic kommerziell erfolgreich: Seit K.O.O.K. (1999) erreichte jedes Album die Top 10 der deutschen Album-Charts. Das Album Schall & Wahn (2010) platzierte sich als erstes Tocotronic-Werk auf Platz 1. Tocotronics Alben und Songs platzierten sich regelmäßig in den Kritiker- und Leser-Bestenlisten der deutschen Musikpublikationen intro, Musikexpress, Rolling Stone, Spex und Visions[3] und rangieren dort nach der Häufigkeit der Nennungen auf dem 4. Platz (Stand Februar 2013).[4]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfänge (1993–1996)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tocotronic wurde Ende 1993 von den drei Hamburger Studenten Dirk von Lowtzow (Gesang, Gitarre), Jan Müller (Bass) und Arne Zank (Schlagzeug) gegründet. Zuvor hatten Müller und Zank bereits gemeinsam in der Band Meine Eltern gespielt. Von Lowtzow ist als einziger kein gebürtiger Hamburger und war von Freiburg dorthin zum Studium gezogen.

Nach der Gründung machte sich Tocotronic im Hamburger Underground sehr schnell einen Namen. Eines der ersten öffentlichen Konzerte fand 1994 in der Roten Flora statt. Im gleichen Jahr erschien im Eigenvertrieb die Single Meine Freundin und ihr Freund. Im März 1995 folgte mit Digital ist besser das erste Album, das beim Independent-Label L’age d’or veröffentlicht wurde. Daran schloss sich eine Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz mit einigen Festivalauftritten an.

Die Popularität von Tocotronic nahm zu, wofür sowohl die sloganartigen Songs (Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein) als auch die visuelle Erscheinung der Band – Trainingsjacke, Cordhose und Seitenscheitel – verantwortlich waren. Wenige Monate nach dem Debütalbum erschien im Juli 1995 bereits das zweite Album Nach der verlorenen Zeit.

Mit dem dritten Album Wir kommen um uns zu beschweren stieg Tocotronic 1996 erstmals in die deutschen Charts ein. Auf der Popkomm sollte der Band der Comet (Musikpreis des TV-Senders VIVA) in der Kategorie Jung, deutsch und auf dem Weg nach oben verliehen werden. Die Band lehnte den Preis jedoch mit der Begründung ab: „Wir sind nicht stolz darauf, jung zu sein. Und wir sind auch nicht stolz darauf, deutsch zu sein.“[5]

Stilwechsel (1997–2003)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dirk von Lowtzow bei einem Konzert (2005)
Rick McPhail mit Tocotronic bei Rock im Park 2015

Das 1997 erschienene vierte Album Es ist egal aber stellte einen leichten Stilwechsel zu den Vorgängern dar, da von diesem Werk an Synthesizer und Streicherarrangements Verwendung fanden.[1] Das Album erreichte Platz 13 in den deutschen Album-Charts. Im Sommer spielte Tocotronic unter anderem auf dem Roskilde-Festival in Dänemark und unternahm die bis dahin längste Tournee durch den deutschsprachigen Raum.

1998 spielte die Band erstmals in den Vereinigten Staaten. Im Folgejahr wurde mit K.O.O.K. das fünfte Studioalbum veröffentlicht. Musikalisch und inhaltlich entwickelte sich die Band weiter: Die Texte wurden bildhafter, die Musik getragener und introvertierter. Mit Platz 7 in den deutschen Charts schaffte Tocotronic erstmals den Einzug in die Top 10 – wie auch alle später folgenden Alben.

Nach der folgenden Tour lieferte Thees Uhlmann (Sänger von Tomte), der die Band als Roadie begleitete, mit Wir könnten Freunde werden – Die Tocotronic-Tourtagebücher einen Blick in das Innenleben der Band. 2000 erschien ein Remix-Album, doch erst 2002 wurde das selbstbetitelte sechste Studioalbum Tocotronic veröffentlicht. Zum zehnjährigen Bandjubiläum erschien im Dezember 2003 die CD/DVD Tocotronic 10th Anniversary.

Berlin-Trilogie und Nebenprojekte (2004–2013)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tocotronic bei Rock am Ring 2013

Schon seit 2000 war Tocotronic bei Live-Auftritten von Rick McPhail (Gitarre, Keyboard) unterstützt worden. 2004 wurde er offiziell das vierte Bandmitglied. Im Januar 2005 erschien das siebte Album Pure Vernunft darf niemals siegen. Es wurde in Berlin aufgenommen und von Moses Schneider produziert, ebenso wie die zwei darauf folgenden Werke. Nachträglich wurden die drei Alben daher zur Berlin-Trilogie zusammengefasst, eine Hommage an die Berlin Trilogy von David Bowie.[6]

Kapitulation, das achte Studioalbum der Band, wurde im Juli 2007 veröffentlicht. Tocotronics langjährige Plattenfirma L’age d’or war aufgelöst worden, weshalb das neue Werk beim Label Vertigo Records verlegt wurde. Das Album wurde von vielen Kritikern und Feuilletonisten ausgesprochen positiv aufgenommen.

Im Januar 2010 kam das neunte Tocotronic-Album Schall & Wahn auf den Markt. Es stieg direkt auf dem Spitzenplatz der Album-Charts ein und wurde damit die erste Nummer Eins der Bandgeschichte.[7] Anfang 2013 erschien dann das zehnte Album Wie wir leben wollen, das gleichzeitig den Abschluss der Berlin-Trilogie bildete.[8]

Die Bandmitglieder sind alle in verschiedenen Nebenprojekten aktiv: Dirk von Lowtzow zusammen mit Thies Mynther in Phantom/Ghost, Jan Müller bei Das Bierbeben und Dirty Dishes, Arne Zank als DJ Shirley und Rick McPhail spielt bei Mint Mind, Glacier und war zuvor mehrere Jahre Frontmann der Band Venus Vegas.

Aktuelles (seit 2014)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 1. Mai 2015 erschien das elfte Album der Band. Es ist nach Aussage der Band unbetitelt, wird jedoch auf Grund seines Covers, sowie in Abgrenzung zum "weißen Album" Tocotronic meist als „Das rote Album“ bezeichnet. Das Thema Liebe zieht sich als Leitmotiv durch alle Songs des Albums.[9]

Politisches Engagement[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tocotronic lässt sich der aktiven linken Szene unter den deutschen Künstlern zuordnen. Neben der Unterstützung von I Can’t Relax in Deutschland, einer Kampagne gegen Nationalismus in der deutschen Popkultur, hat sich Tocotronic auch immer wieder an Solidaritätsaktionen für alternative und antifaschistische Organisationen beteiligt. 1997 spielte die Band auf zwei Konzerten für die Organisation von Überlebenden sexualisierter Gewalt Wildwasser e.V. In Hamburg trat die Band 2002 zum Beispiel auf einem Solidaritätskonzert für den geräumten Bauwagenplatz Bambule in der Roten Flora auf. Am Vorabend des 8. Mai 2005, dem Jahrestag der deutschen Kapitulation, war Tocotronic einer der Topacts bei Deutschland, du Opfer, einer von Jungle World und weiteren linken Gruppierungen organisierten Veranstaltung. Einige Wochen später spielte die Band ferner auf dem Festival „Berlin 05“, welches im Rahmen des „Projekt P“ Jugendliche zur politischen Partizipation ermuntern sollte. Im Rahmen der Kampagnen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 beteiligte sich Tocotronic durch den „Bierbeben-Remix“ von „Aber hier leben, nein danke!“ auf dem Sampler „Move against G8“. Im September 2009 trat die Band anlässlich der Feiern zur zwanzigjährigen Besetzung der Roten Flora erneut dort auf, ebenso im Oktober 2014 zur fünfundzwanzigjährigen Besetzung.[10] Darüber hinaus setzen sich Tocotronic zusammen mit Pro Asyl seit 2015 für den Schutz von Flüchtlingen ein.[11]

Diskografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptartikel: Tocotronic/Diskografie

Studioalben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Tocotronic“ Plattencover
„Kapitulation“ Plattencover
Jahr Titel Chartplatzierungen Anmerkungen
DeutschlandDeutschland DE OsterreichÖsterreich AT SchweizSchweiz CH
1995 Digital ist besser Erstveröffentlichung: 9. März 1995
1995 Nach der verlorenen Zeit Erstveröffentlichung: 31. Juli 1995
1996 Wir kommen um uns zu beschweren 47
(9 Wo.)
Erstveröffentlichung: 1. April 1996
1997 Es ist egal, aber 13
(8 Wo.)
21
(9 Wo.)
Erstveröffentlichung: 28. Juli 1997
1999 K.O.O.K. 7
(8 Wo.)
18
(8 Wo.)
Erstveröffentlichung: 26. Juli 1999
in versch. Sprachen erhältlich
2002 Tocotronic 5
(7 Wo.)
6
(10 Wo.)
Erstveröffentlichung: 10. Juni 2002
2005 Pure Vernunft darf niemals siegen 3
(18 Wo.)
9
(7 Wo.)
32
(3 Wo.)
Erstveröffentlichung: 17. Januar 2005
2007 Kapitulation 3
(10 Wo.)
10
(9 Wo.)
35
(3 Wo.)
Erstveröffentlichung: 6. Juli 2007
2010 Schall & Wahn 1
(7 Wo.)
5
(6 Wo.)
13
(5 Wo.)
Erstveröffentlichung: 22. Januar 2010
2013 Wie wir leben wollen 3
(7 Wo.)
5
(5 Wo.)
17
(2 Wo.)
Erstveröffentlichung: 25. Januar 2013
2015 Tocotronic
auch bekannt als: Rotes Album
3
(6 Wo.)
4
(4 Wo.)
15
(2 Wo.)
Erstveröffentlichung: 1. Mai 2015

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1996: Comet in der Kategorie „Jung, Deutsch und auf dem Weg nach oben“ (Preis abgelehnt)
  • 2010: 1Live Krone in der Kategorie in der Kategorie „Bester Plan B Act“
  • 2010: HANS – Der Hamburger Musikpreis in der Kategorie „Hamburger Künstler des Jahres“
  • 2015: Soundcheck Award in der Kategorie „Bestes Album des Jahres 2015“: Tocotronic - Rotes Album[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hossbach, Martin (Hrsg.), Balzer, Jens: Die Tocotronic Chroniken. Blumenbar Verlag, 2015, ISBN 978-3-351-05020-7
  • Lindt, George (Hrsg.), Rech, Ingolf: Wir werden immer weitergehen (Buch mit Dokumentarfilm). Lieblingsbuch Verlag, 2013
  • Uhlmann, Thees: Wir könnten Freunde werden – Die Tocotronic-Tourtagebücher. VENTIL Verlag, Mainz 2000. ISBN 3-930559-79-X
  • This Book is Tocotronic: Ein Lesebuch. Leander Wissenschaft, 2013, ISBN 978-3-981-53683-6

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

 Commons: Tocotronic – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Biografie auf Laut.de
  2. Konzertkritik auf Kultur-in-Bonn.de
  3. Tocotronic in den Jahresbestenlisten deutscher Musikpublikationen
  4. Tocotronic auf Platz 4 der meistgenannten Interpreten in den Bestenlisten deutscher Musikpublikationen
  5. Die Geschichte von Tocotronic von früher bis heute komplett multimedial aufgeschrieben von Felix Bayer
  6. Albumkritik zu Schall & Wahn auf Zeit-Online
  7. Tocotronic mit erstem Nummer-1-Album
  8. Rezension zu Wie wir leben wollen
  9. Rot ist die Liebe Rezension auf sueddeutsche.de vom 25. April 2015
  10. Konzertbericht „Rote Flora“ (25 Jahre)
  11. proasyl.de: Tocotronic unterstützen PRO ASYL
  12. Soundcheck Award 2016 – von Radioeins vom RBB und Tagesspiegel