Auf der linken Seite liegt Bukarest zwischen schwarzen Tannen, Ruinen und dem kleinen Schatten des Mondes. Mit einem Blick links über die Schulter, an Franz Scheitel vorbei, ist Bukarest zu sehen. Ist zu sehen, wie es schläft und dabei atmet.
Fällt Franz Scheitel einfach aus dem Blick. Bukarest links.
Ich sehe meine Füße auf dem aufgeschütteten Hügel vor der Stadt. Füße ohne Schuhe, die sich langsam kreuzen. Ein Zeh streicht, dann der nächste, Kreise in die Erde. Während mein Blick spurt: An Franz Scheitel vorbei nach Bukarest. Gefangen zwischen Tanne und Ruine. Aus dem Schlaf hinaus atmet die Stadt. Und lausche ich, ist ein Klopfen zu hören. Das ist der Herzschlag der Schlafenden. In der Stadt. Links. Zwischen kleinem Mondschatten und Rost.
Bukarest hat ein Meer. Es leuchtet nicht und kräuselt sich nur ganz leicht an der Oberfläche. man braucht sich nichts vorzumachen: Kein Schiff wird es befahren. Keinen Fisch wird man in ihm fangen. Es leuchtet eben nicht. Bukarest hat ein Meer. Ich stehe davor. Es ist nicht tief. Es würde mir nur bis an den Knöchel reichen, sollte ich es durchschreiten. In sein Wasser wird man mit der Zeit, irgendwann, Burgen stanzen. Dann rostet es. Das Meer, in Bukarest.
Komm jetzt, sagt Franz.
Ich streiche mit den Zehen. Einmal um das Meer herum.
Ja, sage ich. Laken, Stichlinge. Plastikkanister, ganz rechts.
Franz jedenfalls küsst mich nicht.
07.06.2008 18:22:01
Der Text wurde autorisiert gelöscht am 24.04.2010 15:53:03.
02.05.2008 14:25:53
Frühling
An keiner Fassade wird mehr gearbeitet.
Man hat zu singen aufgehört.
An den Tankstellen gibt es kein Benzin mehr.
Jeder reißt sich den Flieder vom Baum.
Niemand hilft mehr beim Tragen.
Alle schauen geradeaus.
Keiner hält die Tür auf.
Keiner stoppt die Bahn.
Alle ziehen sich die Mäntel aus.
Die Hunde sind immer noch treu.
Jeder gießt sich traubensüßen Saft in den Mund.
Niemand lässt etwas übrig.
Überall wird Brot gebacken.
Der Holunder blüht noch nicht.
Aber die Jungen pfeifen mir schon nach.
29.04.2008 09:12:17
Wasser
Noch einmal Verwildertsein erfahren und
vor den Uhren die wilde Jagd toben lassen.
Beim Zwiebelschneiden. Verwilderungen,
das Rauschen des Wassers, die Lüge im Schilf
ist noch zu hören. Ich atme ja.
Draußen schrillen die Alarmanlagen.
Flattern des Schalls. Alles, was ich sage,
geschieht auch. Die Haare auf deinen Armen
bewegen sich beim
Ein beim Ausatmen.
Du hast es nie erzählt,
was aus dir geworden ist. Bist du ein
mickriger Bootsmann,
ein Wachmann vielleicht?
Der Kapitän einer Barkasse?
Ein Dachdecker? Ein Bürokaufmann?
Pass immer auf,
dass das Wasser nicht seinen Weg findet,
durch die Zinnen,
über den Anker,
deinen Schlagstock,
den Haaren an deinen Armen,
den Akten aus Blei.
Jage, jage, jage, jage, jage.
Jetzt brechen sie die Türen auf und stehlen die Tageseinnahmen.
Nur noch Rauschen.
Rauschen.
Rauschen.
24.04.2008 10:16:43
Marjana Gaponenko
Als Marjana an den Goldenen Fisch schrieb, hatte ich noch nie von ihr gehört. Ich stöberte etwas auf ihrer Homepage, las ihre Lyrik und war nach kürzester Zeit wirklich gefangen. Selten hat mich Lyrik so berührt, wie ihre. Diese Andersartigkeit, fast, als käme sie aus einer anderen Zeit, einer alten Zeit, zu der sich heute niemand mehr zu bekennen wagt. Diese Lyrik scheint zu sagen: Siehst du, klappt alles noch! Hier hat Gott persönlich eine Dichterin auf die Erde fallen lassen, um die Sprache von der Abgenutztheit zu heilen. Marjana Gaponenko sagt all das, was schon mal gesagt worden ist, aber von vorne und unbenutzt. Ihre Lyrik ist eine eigene Welt, ein Versprechen, eine Bezauberung. Da steht eine auferstandener Prinz von Theben, funkelnagelneu und taufrisch, und lächelt uns an.
Herzlich Willkommen, Marjana Gaponenko!
Vom Verschwinden
Seitdem ich laufen kann, biege ich nach links, nach rechts.
Ich gehe in den Nebel hinein, ich pfeife ein halllendes Lied.
Wer mich fragt, was ich liebe, dem sage ich dies:
Ich verschwinde gern aus der Sicht und tauche gern auf.
Geliebter, sei lieb und schenke mir eine Gans.
ich verstecke sie unterm Hut und überrasche die Gäste damit.
Im Herbst vergraben wir Drei unsere Köpfe
im kühlen Gewölk. Wir werden ein neues Leben anfangen.
(Marjana Gaponenko)
01.03.2008 10:07:44
Liebe S.
Wir wünschen Dir einen schönen Feiertag. Unsere Enkelkinder sind in München. Andreas fliegt nach London. Martin ist in Ansbach. Ich nehme die zweite Packung Antibiotika. Dr. Scholl hat nun Geräusche an der Lunge gehört. Wolfgang hat diese Woche Urlaub. Andreas wohnt bald in Fürth mit Gabi. Einen Balkon haben sie auch.
Liebe Grüße A.
03.10.2007 11:33:08
Der Text wurde autorisiert gelöscht am 24.04.2010 15:53:46.
27.09.2007 14:10:10
variante
Liebe S.,
schöne Grüße aus Rom. Eindrücke ohne Ende. Altertümer gut und weniger gut erhalten, die ganze Stadt ist voll davon. Realität: einmal Nudeln mit Kaffee: 25 Euro. Das ist normal. Eine Taxifahrt wegen Streik ist ein besonderes Erlebnis. Mama Mia! Schlägereien in der U-Bahn erleben wir in Ringsberg auch nicht. Wir waren nicht betroffen.
Mama
20.08.2007 19:38:56
Liebe
„Die schönen Männer sind kalt!“ Das hat sie jedenfalls gesagt und gelacht dabei. Es ging um Liebe. So eine, ja, Liebe, die mit sieben Kindern gesegnet wird, die an eine Hauswand gelehnt so viel Lust abkriegt, wie die Schenkel nur zu fassen bekommen, die einen scharfen Grat findet und die sich am Morgen nicht die Hände wäscht. Als hätten wir die die gekannt, als hätten wir immer Feuer gefangen und nie bloß geglimmt. Als wären wir wild gewesen oder so seltsam böse am Verhungern, wie wir es uns wünschten, mal so und mal so.
14.05.2007 11:27:49
Rebecca Maria Salentin
Will nicht viel sagen. Rebeccas Texte sprechen sowieso für sich. Ohne ein Wort zu viel.
"Ich habe also dem Herrn Pastor alles gebeichtet, was ich nicht sagen durfte, zuerst die Sache mit dem Hintern, obwohl es mir wirklich sehr peinlich war, darüber zu sprechen. Ich weiß auch nicht, ob es besser gewesen wäre, doch nichts zu sagen, dann wären wir jetzt nicht hier, das weiß ich ganz genau. Obwohl die Barmherzigen Schwestern immer sagen, es wäre gut, dass wir nicht weiter im Sündenpfuhl verharren müssen. Nur weil wir mal heimlich über den Hintern vom Onkel gesprochen haben, war unser Hof aber doch noch lange kein Sündenpfuhl, denke ich immer. Das sage ich allerdings nie, die barmherzigen Schwestern mögen nicht, wenn man widerspricht. Sie gucken dann immer ganz traurig, und sagen: Ja, ja, wo die Wunde einmal schwärt, da entsteht Eiter... Dabei habe ich gar keine Wunde. Dann muss man sich in die Ecke knien und hundert Ave Maria oder Vater Unser beten, bis der Kopf sich dreht und die Knie sehr weh tun. Erst sind sie ganz rot, am nächsten Tag aber blau. Daran sieht jeder, dass man ungezogen war. Manchmal, wenn die Barmherzigen Schwestern nicht gut aufpassen, kommen die Brüder und reißen mir an den Zöpfen oder kneifen in meine Arme, dass die genauso blau werden wie die Knie. Nur wegen Dir!, sagen sie und reißen noch mal, dass mir die Augen brennen. Weil Du schwätzen musstest und Deine blöde Schnatterklappe nicht halten konntest! Typisch Mädchen: plappern aber zu doof zum Denken sein. War doch klar, dass der olle Pfaffe seine Klappe nicht hält, der ist doch auch ein halbes Weib! Wenn die Brüder so reden und vor mir auf den Boden spucken, schäme ich mich sehr für die Sachen, die sie sagen. Dann denke ich, die Barmherzigen Schwestern haben doch recht mit dem Sündenpfuhl auf unserem Hof, so wie die Brüder reden. Das ist doch viel schlimmer, als dass ich verraten habe, dass der Vater den Bruder, der so missgebildet war, dass man sich seiner schämen musste, in den Schweinekoben geschmissen hat und die Säue ihn gefressen haben. Und woher sollte ich denn wissen, dass der Herr Pastor das Beichtgeheimnis gar nicht hält, und es doch weitersagt. Da war das Geheimnis bei mir aber besser gehütet als im Ohr Gottes."
(Rebecca Maria Salentin.)
Herzlich Willkommen an Bord, liebe Rebecca! Dann mal los.
04.02.2007 15:56:51
wer weiß, wozu es gut ist
ich glaube, es zerreist mich. das lied, das nördliche licht, alle stimmen auf einmal. schaue ich auf die hände des künstlers, zerreist es mich. seine lippen schmecken nach sanddorn und ich rieche das gesunde aber kummervolle blut in ihm. wir küssen uns erfahrungslos und zu tode gelangweilt. in seinem nacken die tätowierung. da steht: laotse. ich zucke mit den schultern. ich frage: weiter nichts? nein, sagt er. das lied macht mich traurig, die stimmen überschneiden sich, ihn so anzusehen, als ob ich nichts höre.
20.11.2006 10:52:35
Der Text wurde autorisiert gelöscht am 24.04.2010 15:54:23.
23.08.2006 17:39:21
wieder eingefallen
am ortsausgang kroch dir schnecke den daumen entlang. niemand tat etwas. als der wind pfiff und man mit den augen sich an der spur entlang tastete, den spurrinnnen glauben schenkte, mehr war nicht einmal nötig. ich habe dir gesagt: laß dich nicht tragen. vom wind nicht, vom wasser nicht. kriech an der hecke entlang, bleib nahe an den büschen. es schießt, wie immer, aus allen ecken. hinter den gardinen leuchteten die fotos grell aus all den jahren. sich weiter um die büsche schleichen, drück dich auf den rasen, das sagte ich, ich bin nicht sicher, war es das?. die schnecken krochen ihren weg über die brauen. bräutigam sein und braut: je nach dem. er nannte sich königin. wir lachten noch lange, weil er im kleid bei uns blumen streute. auf all den fotos, jahre her. bevor sie weiter schossen, der wind um die häuser pfiff, und wir dann froh waren unter dem ortsschild mit dem durchgestrichenen namen. wo man schlafen konnte, das gesicht auf das gras legte. ich die leichten finger auf dem jochbein.
21.08.2006 10:20:57
25.07.2006 22:33:19
Hafenbaby
Immer noch kein Wind. Joa das Grubenmädchen hat Algen gefressen. Gegen die Schmerzen im Rücken. Der Kapitän glaubt, daß alles, was heilen soll durch das Wasser gehen muß. Auch wenn es nur süßes Wasser ist. Deswegen sind es auch keine richtigen Algen, vielleicht Wasserpest, vielleicht Entengrütze. Aber grün. "Und grün reicht schon", sagt der Kapitän. Das Grubenmädchen hat sonst nur Rock ´n Roll im Mund. Eine Rockerin vom Feinsten. Und der Kapitän hat nichts als die Augen auf ihrer Tätowierung. Er ist ein Zwerg mit struppigen Haaren. Wenn er den Anker an Bord kurbelt, sieht man ihn nicht. "Und was soll das mit dem Wassergedöns?", hat Joa dann den Kapitän gefragt. Der hat sich die Hände auf die Hüften gelegt, die ganze Handfläche und die Finger so am Arsch, und gesagt hat er: "Warts ab."
Was bedeutet, daß Joa jetzt, wenn sie die Möwen hört, Kußhände in die Luft wirft. "Da ist die Möwe. Los küß sie, küß sie!" Das kann einem auf die Nerven gehen, mit der Zeit.
Ich habe mich am Bug vorbeigeschlichen. Stehe unter dem Mond, und der Mond verschwindet immer mal wieder hinter den Wolken, und ich habe gar nicht gemerkt, wie es dunkel geworden ist. Oder das da ist doch noch die Sonne, und es liegt an dieser blödsinnigen Brille. Joa sitzt auf den Knien und betet immer noch das Lied runter. "Dreizehn Strophen, weißt du?" Natürlich weiß ich. Lieder von immer und ewig. Lieder, die von uns handeln, von Joa und von mir, und von mir und den anderen, schließlich von mir und Joas Gott, dem Fluß, der Zille.
16.07.2006 16:31:55
auf den knien. arbeit.
16.07.2006 16:24:10
zur straße hin. an die arbeit!
13.07.2006 11:18:16
Der Text wurde autorisiert gelöscht am 24.04.2010 15:55:12.
12.07.2006 17:10:52
Der Text wurde autorisiert gelöscht am 24.04.2010 15:55:42.