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Autorenbuch Dato Barbakadse Frühling – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Dato Barbakadse

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Frühling

                An Ingeborg Bachmann

Gestern war rotes Wetter.
Du weißt, was das bedeutet,
Dass die Sonne untergegangen ist und in der Stadt rotes Wetter war. Schau, wie der Orkan heult und sich abmüht,
Der den Winter offenbar verloren hat, den Schnee, die Bäume verloren hat, Und er weiß, dass er sie nicht mehr einholen kann.
Sieh, wie er heult und sich abmüht, wie ein Mensch,
Der seinen Hausschlüssel nicht finden kann.
Du weißt, es ist grausam sich am Ende zu drehen:
Wie es scheint, wird sich auch der Lärm von vorne legen  - 
Der gemütliche Bewohner aller Häuser,
Niemand wird die Hunde zum Ufer jagen,
Niemand wird auch uns die Tür aufmachen.
Du weißt, diese Zeit wird Wunder verrichten.
Die Bürger stoßen aufeinander
Und der Gedanke an die schwere Vergangenheit durchzieht ihre Gesichter, Das Unheil umging tänzelnd die Stadt und beschloss,
Dass der Orkan die Stadt nicht verlassen kann;
Seine Spur ist zum Stahlring geworden,
Seine Worte schmecken etwas nach Stahl.
Na ja, Tibet – das war schon,
Es bewegte sich schon, wie die Zeit, wie ein Fisch;
Sieh: wird es wirklich in dieser Männerstadt nicht mehr kalt werden?
Ist der Winter denn wirklich für immer gegangen
Und stehen die Wände wirklich fest, fundamentlos da?
Werden etwa Fragen nur den Antworten gegeben?
Große, himmlische Bären verlassen die Hotels,
Und die Hotels leeren sich,
Geschlachtete Kälber verlassen die Felder
Und auch die Felder leeren sich.
Irgendwo klingt die Stimme des Feuers wie eine Glocke
Und auf dem Schachbrett ersticht der rote Tag die umgefallenen Figuren. Auch jene Zeit, die morgen kommt, wird Wunder verrichten.
Du weißt, unser Gesicht ist in einem Tropfen Wasser gegeben,
Unsere schwere, glücklose Vergangenheit,
Der lange Flur unseres Wohnheimes,
Der den Hunderten von roten Wettern überlassene Herzschlag.
Aber sieh, das wird nicht sein: dass der Winter zum Orkan zurückkehrt, Mit schwankenden Bäumen, mit Schnee und weichen, gefährlichen Dächern,
Er ist weit,  für manche – wie ein Haarband der Geliebten,
Für manche – wie eine Brust,
Für manche – wie ein Brief.

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