Essay

Bildungsrecht und Ausbildungspflicht

Hamburg

Heute wird der Jugend viel zugemutet; unter anderem dies, daß man ihr erzählt, ihr werde viel zugemutet. Sie drücke die böse Ausbildungspflicht. Welche Last! Ganz gelogen ist es ja nicht, Operatoren hier und Kompetenzen da, wie dressierte Äffchen sollen Heranwachsende schnell und effizient zu völliger Geistlosigkeit Standardisiertes lösen können.

Mit der Lust am mechanischen Funktionieren bis zur Matura, die so ihren Namen nicht mehr recht verdient, werden die Jugendlichen intellektuell impotent; mit der Unlust aber ebenfalls: denn Disziplin ist die Vorbedingung, die Standards zu erreichen und zu überbieten, zu kritisieren, was da zugemutet wird, während etwas anderes vorenthalten bleibt. Schüler klagen dies oder jenes ein? – „Schüler sollten das nicht entscheiden.”1 Maturierte vielleicht schon.

Kaum werden (jedenfalls: diese) Schüler leicht auf die Idee kommen, daß sie, während es in der Ausbildung nur Funktion und Dysfunktion gibt, in der Bildung ein Drittes lernten: sich zu Wissen oder auch nur „Kompetenzen” zu verhalten, herauszufinden, ob das Wissen von gestern das von heute und morgen sei – wie auch: wie es zu verstehen sei, anzuwenden, … Bildung lehrt, die Gesetze, die man versteht und mitbeschließt, nicht zwänglerisch zu befolgen, schafft Menschen, die keine Sklaven sind und sich zu Sklaven nicht erklären lassen.

Ausbildung lehrt das nicht. Sie hält formbar, widerspruchsfrei und eben kompetent; hier lernt man „nie genau das, was man später braucht”, aber auch nicht, inwiefern und warum, denn auch Bildung vermittelt „nie genau das, was man später braucht” – aber „indirekt […], indem sie Denkfähigkeit vermittelt”, denn doch…

Gebildete sehen ein Bildungsrecht, wo die Ungebildeten nur eine Ausbildungspflicht wahrnehmen. Dieses Recht muß – wie jedes – eingeklagt werden, darin aktualisiert es sich; von den Gebildeten für die Kinder, die dies nicht zu tun vermögen.

Dies bleibt der Hiatus zwischen Bürger und Arbeiter, die habituell noch vorhanden sind, wo die entsprechenden Realitäten nicht mehr bestehen; diese Kluft vergrößert sich, seit einige (Noch-)Bürger wieder vom Feudalismus träumen, von einem Neofeudalismus und seinem Finanzadel, der unsolidarisch eben nur das Recht seiner Kinder auf Bildung advoziert – sehr leise, in Privatschulen.

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