Prosa
>www. PLOWDIW.bulgaria.com< -ein Mail-Gespräch zwischen Plowdiw und Frankfurt am Main
Plowdiw, 10. Mai.
Guten Abend, dear Elisabeth, Was man immer schon kannte, fällt nicht mehr auf, aber ich weiß, dass gerade die Liebhaber bewachsener Hänge mit Wäldern und Weiden die Rhodopen mögen, Ihren Namen bekamen sie laut Legende von der thrakischen Göttin Rhodopa, seit Homers Zeit bleibt sich das gleich, wie alte Mythen so sind. Davor in der thrakischen Ebene liegt die große Stadt Plowdiw. Seltene und reiche Fauna und Flora, Orchideen, Feigenbäume, Kastanien, Jasmin, eigentlich duftet es für solche wie dich nach verschiedenen Ländern. Viele kommen von weit her wegen der Arten-Vielfalt der Tiere: Die einen gehen auf Bärenjagd, mit der Kamera nämlich, die anderen sind auf die niedlichen Eichhörnchen aus. Mich selbst zieht es zu den Karstquellen, ich bin immer schon vom Wasser fasziniert gewesen. Bäche und Flüsse schäumen überall. In allen Orten rinnt ständig Wasser aus einem Eisenrohr in einen Bohlenholztrog oder Steinbrunnen oder direkt aus dem Hang. Nun bin ich obendrein mit erotischen Erinnerungen geladen:
Eine junge Frau, elegant mitten in der Einöde, mit Stöckelschuhen zu einem roten Seidenkleid holt da einmal Wasser im blauen Eimer. Eine alte Frau trägt einen Sack mit Schafwolle vorbei. Gleich stellt sie den Eimer hin und hilft ihr. Das ist Mattea, meine spätere Frau gewesen. Akazienbäume mit federfeinen Blattrispen beschatten den Bach. An einem Baum lehnt ein blaues Motorrad. Immer hinter den hanghochgelegenen Häusern die Berge, Hänge mit den weißen Schirmen der Wilden Möhre, mit lila Storchschnabel, vor grünem Gestrüpp mit weißen Blütentüten, zwischen brüchigen Mauern mit verdorrtem Weinstock wie winzige Sonnenschirme die Glockenblumen.
Aber das alles schreibe ich für Sie auf, es liegt mir wenig. Ehe ich in diesem Medium zum Poeten wieder Willen und Können werde, schicke ich Ihnen mein neues Buch. Ein österreichischer Verlag hat es in Ihre Sprache übersetzen lassen. Vorerst gefällt es mir, dass wir uns niemals sahen und auch nicht hörten, so muss einzig das geschrieben Wort wirken und sich anstrengen. Nun ist es Nacht, ich brauche doppelt so viel Schlaf wie Sie.
Gute Nacht.
Frankfurt, 12. Mai 2002.
Lieber Djoro Gergitzov, danke noch einmal für Ihr Buch – Zündend sind Ihre Essais. Ihr Wurf, in allen virtuellen Gewässern Wellen zu schlagen: Sei es die Donau, sei es der Maritsa, die zwischen Plowdiws drei Hügeln mäandert, ich wittre den sonderbar sinnlichen Barock Ihrer Stadt, wittre wirklich - wer stellt sich Kirchen und Schlösser vor ohne Gruftgeruch und Duft nach überaltertem Weihrauch in schwarzem Holzbänken, Anblick anders als westwärts, anders; denn in Westfalen verheiratet er sich mit schlichten Deelenkaten und bayerischen Bauten fällt den Verehrern des Klassisch-Schlichten Zuckerbäckerei ein.
Weiter im Text Ihres Buches: Sie zitieren westliche Wissenschaftler und Autoren, die einmal wieder Sprach- und Denk-Untergang des Abendlandes unken, aber lange vor unseren elektronischen Briefen fiel mir dazu ein die Reaktion katholischer Gelehrter auf die letzte umstürzlerische Art und Weise, zu schreiben, die kopierenden Mönchen in der Tat Einfluss und Brot geschmälert hat: Gutenbergs Erfindung war ihnen Schwarze Kunst - Teufelskunst. Alles was anders ist, neu ist, wird gern als Teufelszeug verteufelt und sicherlich von Bösewichtern missbraucht: Das Erfinden darf es nicht behindern. Utopia gehört eigentlich von Uranfang zum Denken als
Guten Abend, dear Elisabeth, Was man immer schon kannte, fällt nicht mehr auf, aber ich weiß, dass gerade die Liebhaber bewachsener Hänge mit Wäldern und Weiden die Rhodopen mögen, Ihren Namen bekamen sie laut Legende von der thrakischen Göttin Rhodopa, seit Homers Zeit bleibt sich das gleich, wie alte Mythen so sind. Davor in der thrakischen Ebene liegt die große Stadt Plowdiw. Seltene und reiche Fauna und Flora, Orchideen, Feigenbäume, Kastanien, Jasmin, eigentlich duftet es für solche wie dich nach verschiedenen Ländern. Viele kommen von weit her wegen der Arten-Vielfalt der Tiere: Die einen gehen auf Bärenjagd, mit der Kamera nämlich, die anderen sind auf die niedlichen Eichhörnchen aus. Mich selbst zieht es zu den Karstquellen, ich bin immer schon vom Wasser fasziniert gewesen. Bäche und Flüsse schäumen überall. In allen Orten rinnt ständig Wasser aus einem Eisenrohr in einen Bohlenholztrog oder Steinbrunnen oder direkt aus dem Hang. Nun bin ich obendrein mit erotischen Erinnerungen geladen:
Eine junge Frau, elegant mitten in der Einöde, mit Stöckelschuhen zu einem roten Seidenkleid holt da einmal Wasser im blauen Eimer. Eine alte Frau trägt einen Sack mit Schafwolle vorbei. Gleich stellt sie den Eimer hin und hilft ihr. Das ist Mattea, meine spätere Frau gewesen. Akazienbäume mit federfeinen Blattrispen beschatten den Bach. An einem Baum lehnt ein blaues Motorrad. Immer hinter den hanghochgelegenen Häusern die Berge, Hänge mit den weißen Schirmen der Wilden Möhre, mit lila Storchschnabel, vor grünem Gestrüpp mit weißen Blütentüten, zwischen brüchigen Mauern mit verdorrtem Weinstock wie winzige Sonnenschirme die Glockenblumen.
Aber das alles schreibe ich für Sie auf, es liegt mir wenig. Ehe ich in diesem Medium zum Poeten wieder Willen und Können werde, schicke ich Ihnen mein neues Buch. Ein österreichischer Verlag hat es in Ihre Sprache übersetzen lassen. Vorerst gefällt es mir, dass wir uns niemals sahen und auch nicht hörten, so muss einzig das geschrieben Wort wirken und sich anstrengen. Nun ist es Nacht, ich brauche doppelt so viel Schlaf wie Sie.
Gute Nacht.
Frankfurt, 12. Mai 2002.
Lieber Djoro Gergitzov, danke noch einmal für Ihr Buch – Zündend sind Ihre Essais. Ihr Wurf, in allen virtuellen Gewässern Wellen zu schlagen: Sei es die Donau, sei es der Maritsa, die zwischen Plowdiws drei Hügeln mäandert, ich wittre den sonderbar sinnlichen Barock Ihrer Stadt, wittre wirklich - wer stellt sich Kirchen und Schlösser vor ohne Gruftgeruch und Duft nach überaltertem Weihrauch in schwarzem Holzbänken, Anblick anders als westwärts, anders; denn in Westfalen verheiratet er sich mit schlichten Deelenkaten und bayerischen Bauten fällt den Verehrern des Klassisch-Schlichten Zuckerbäckerei ein.
Weiter im Text Ihres Buches: Sie zitieren westliche Wissenschaftler und Autoren, die einmal wieder Sprach- und Denk-Untergang des Abendlandes unken, aber lange vor unseren elektronischen Briefen fiel mir dazu ein die Reaktion katholischer Gelehrter auf die letzte umstürzlerische Art und Weise, zu schreiben, die kopierenden Mönchen in der Tat Einfluss und Brot geschmälert hat: Gutenbergs Erfindung war ihnen Schwarze Kunst - Teufelskunst. Alles was anders ist, neu ist, wird gern als Teufelszeug verteufelt und sicherlich von Bösewichtern missbraucht: Das Erfinden darf es nicht behindern. Utopia gehört eigentlich von Uranfang zum Denken als