Essays
Schreibende Paare - für jedes Paar ein Kunstwerk eigener Art, die richtige Mischung zwischen Nähe und Distanz zu finden. Ulrike Draesner nähert sich dem Thema.
In seine Richtung ruft die Sehnsucht. Auch. Und manchmal nur.
Er hängt an einer langen oder kürzeren Leine, bleckt seine Zähne, schleckt seine Stacheln oder gibt sich dekorativ, mit besticktem Windhund-Halsband – hier der sind der Ausmalungsphantasie keine Grenzen gesetzt! So lange sie nicht vergisst, eine entsprechende Umschlingungsvorrichtung auch am Schriftsteller selbst anzubringen, denn es ist nicht geklärt, wer hier wen führt. Grünzungig oder stachelig, weichbauchig oder feurig sitzt der Drache da, besitzergreifend, unberechenbar.
Es ist, als wüchsen für zwei Schreibende das Zu- und Auseinander exponentiell. Man findet sich zu viert im Boot statt zu zweit, muss das eigene Alleinsein im Schreiben tragen und nutzen, den anderen anteilnehmen lassen und auf Distanz halten (er ist anders, allemal schreibt er anders), Ungleichzeitigkeiten der Arbeit ausbalancieren (ich habe vier Wochen Schreibblockade, er/sie schreibt in der Zeit einen halben Roman – und hat keine Sekunde für Freizeit mit mir).
Als Max Frisch und Ingeborg Bachmann als zusammenlebten, drang zu viel Schreibmaschinengeklapper durch die Wände. Anderen setzt es zu, wenn dem Zimmer des Partners stundenlang nichts anderes als konzentrierte Stille drachig unter der Türritze herauskriecht. Ernst Jandl und Friederike Mayröcker fanden eine erfolgreiche Balance: sie verfassten eine Reihe Hörspiele gemeinsam. Im Übrigen arbeitete jeder an seinem Werk weiter. Das Paar lebte getrennt, sah sich aber ständig, und der jeweils eine erscheint durchaus als Figur in den Texten des anderen.
Fiktionen baut man als Liebespaar sowieso, und durchaus lustvoll: als Visionen, Zukunftsgedanken, Bilder vom anderen und sich selbst. Bei einem Autorenpaar tut jeder es für sich noch einmal in seinen Texten. Der Prozess, wie man selbst in diese Gebilde einwandert, ist nur zu Teilen durchschaubar oder gar steuerbar; das gilt, in geringerem Maße, auch für ein geliebtes Gegenüber. Intensiver noch wird die Verschränkung, sobald ein Paar über das Geschriebene diskutiert: betreibt Textkritik verdeckt Beziehungskritik (oder umgekehrt), kann das schnell lustig werden, so lustig, dass man begreift, warum „furchtbar“ und „fruchtbar“ sich nur durch eine kleinen Buchstabendreher voneinander unterscheiden. Und dann kommt noch die Doppelung der Unsicherheiten in der wirklichen Welt hinzu: wie bezahlen wir die Miete?, wie gehen wir mit Stipendien um, die uns für Monate trennen, wie lange dauert die Flaute?
Konstruktiv, destruktiv, nervenzerfetzend, bestärkend, befruchtend, desaströs - des Öfteren ist der Schreib- und Liebesparallelismus dies alles in rascher Folge hintereinander. Eines aber ist er auf jeden Fall: intensiv. Man geht gemeinsam getrennt oder getrennt gemeinsam, von zwei Drachen begleitet, in Schritten, die das Paar enthalten und verzerren, auseinandertreiben und bestätigen, von jeder Seite zwei- und zwiefach zugleich.
Originalbeitrag