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Kurzprosa
Aus Zeitblei. Grazer Erzählungen von Mechthild Curtius
Immer wieder kommt es in abgelegenen Gegenden vor, dass ein Kauz - wie die anderen aus ihrer Umgebung solche Köpfe nennen - Erfinder oder Künstler wird. Dichter und Filmemacher suchen sie gern und finden sie selten. Wir haben von ihnen eine kleine Reihe von Dokumentar-Filmen gedreht. Serie >Künstler – Käuze – Kerle<. Da gibt es den Steinmetz-Maurer François Michaud , 1810 bis 1890 hat er im französischen Limousin sein Zehn-Häuser-Dorf Le Masgot >ver-tont<, das heißt mit rundlichen Ton-Figuren überbacken wie eine Pastete. Wanderarbeiter sind die Leute aus der an Tonerde reichen Umgebung gewesen, Ziegler und Maurer in den aufblühenden französischen Großstädten. Ihm hat das Häuser-Maurern und Ziegelbrennen nicht gereicht, er hat in den Winterpausen daheim aus dem Material auch graubraune Plastiken geformt. Und das ganze Dorf mit teigähnlichen Tiergestalten, Statuen und Köpfen verziert.
Den norddeutschen Schreinermeister Karl Junker trieb die gleiche Sehnsucht nach Kunst; er hat sich im ostwestfälischen Lemgo ein Traum-Haus aus Holz gebaut. In der stolzen Stadt der Weser-Renaissance erfrechte er sich, mit seiner >Holzorgie< florentinische Renaissance-Palazzi nachbauen zu wollen. Das nahmen ihm die Lemgoer übel. Der vereinsamte Hagestolz zimmerte in sein hohes Haus alle Möbel für Eheschlafzimmer und Kinderstube samt Wiege und somit seine Sehnsucht nach einer Familie hinein. >Jeder s-pinnt auf saine Weise<, hatte der gelacht und unbeirrt weitergemacht, so sehr ihn die eher nüchternen als sturen Westfalen als Geisteskranken verhöhnten. Es muss das Jahrhundert der Erfinder und Spinner gewesen sein. Sei es Lehm, sei es Holz, hier beim Franz Gsellmann war es mehr das Metall. Er ist als Bub öfter bei den Schmieden, den Eisenwerkern, den Bergleuten gewesen, gern in die steirische Eisenstraße gezogen. Hat Eisenbahnern, Uhrmachern, Technikern und Tüftlern auf die Hände geschaut, seine sonderbare Verknüpfung von Technik-Euphorie mit Frömmigkeit verbunden, geglaubt, dass DER HERR den Menschen alle diese Geräte beschert habe, auf dass sich alles bewege. Das hat ihn fasziniert, so hat er in seine Weltmaschine, die bis auf den schmalen Gang rings herum die ganze badezimmergroße Kammer ausfüllt, viele Heiligenfiguren montiert und bunt beleuchtet, die Freunde von den Wallfahrten mitbringen mussten.
Der Gsellmann hatte bei seinen Gesellen weniger Not als der Westfale; die Steiermärker gelten als humoristischer, es >lag in der Familie<; bei seinem Ahnen hatten sie schon einmal gesehen, wer zuletzt lacht, lacht am besten. Denn als der Johann vor hundert Jahren die viel zu vielen Holunderbüsche zu Bäumen heranzüchten wollte, damit die Leute aus den weißgelben Blüten im Frühjahr noch mehr Saft und Schnaps machen konnten, aus den schwarzblauen Beeren im Herbst obendrein Konfitüre, da haben die Bauern skeptisch die Köpfe geschüttelt: >Das sind Äste voller Hollermark, das gibt im Leben keinen richtigen Stamm.< Gab es auch nicht, weißglibberiges Holundermark blieb der männerbeindicke Stamm bis ins Mark und bildete keine Jahresringe richtiger Bäume, aber vom Weitem sieht das jetzt wie ein kleiner fedrigheller Hain aus, wenn die Zweige voller Rispen sich wie aus der Mitte einer Palmenkrone biegen, die Ernte ist leichter, der Ertrag reicher, und aus dem ungarischen Armeleute-Getränk ist >ökologischer Luxus< geworden: Holundersekt, Holderblüten-Gelee, in Reformhäusern teuer, neuerdings kann man Blütensirup in jedem österreichischen Supermarkt kaufen. Kameramann Ernst lässt ihn sich immer mitbringen. Und heuer hat mir die Tochter Maria gleich noch Holundersirup zusammen mit Ansichtskarten von der Weltmaschine und Kernöl verkauft. >Ein Flascherl extra für den sympathischen Herrn vom deutschen Fernsehen; denn mit dem aus Hannover fing das an, heuer ist das deutsche Fernsehen zum vierten Mal hier gewesen. Das hilft uns. Ba ba, Servus, kommen’s wieder.<
Den norddeutschen Schreinermeister Karl Junker trieb die gleiche Sehnsucht nach Kunst; er hat sich im ostwestfälischen Lemgo ein Traum-Haus aus Holz gebaut. In der stolzen Stadt der Weser-Renaissance erfrechte er sich, mit seiner >Holzorgie< florentinische Renaissance-Palazzi nachbauen zu wollen. Das nahmen ihm die Lemgoer übel. Der vereinsamte Hagestolz zimmerte in sein hohes Haus alle Möbel für Eheschlafzimmer und Kinderstube samt Wiege und somit seine Sehnsucht nach einer Familie hinein. >Jeder s-pinnt auf saine Weise<, hatte der gelacht und unbeirrt weitergemacht, so sehr ihn die eher nüchternen als sturen Westfalen als Geisteskranken verhöhnten. Es muss das Jahrhundert der Erfinder und Spinner gewesen sein. Sei es Lehm, sei es Holz, hier beim Franz Gsellmann war es mehr das Metall. Er ist als Bub öfter bei den Schmieden, den Eisenwerkern, den Bergleuten gewesen, gern in die steirische Eisenstraße gezogen. Hat Eisenbahnern, Uhrmachern, Technikern und Tüftlern auf die Hände geschaut, seine sonderbare Verknüpfung von Technik-Euphorie mit Frömmigkeit verbunden, geglaubt, dass DER HERR den Menschen alle diese Geräte beschert habe, auf dass sich alles bewege. Das hat ihn fasziniert, so hat er in seine Weltmaschine, die bis auf den schmalen Gang rings herum die ganze badezimmergroße Kammer ausfüllt, viele Heiligenfiguren montiert und bunt beleuchtet, die Freunde von den Wallfahrten mitbringen mussten.
Der Gsellmann hatte bei seinen Gesellen weniger Not als der Westfale; die Steiermärker gelten als humoristischer, es >lag in der Familie<; bei seinem Ahnen hatten sie schon einmal gesehen, wer zuletzt lacht, lacht am besten. Denn als der Johann vor hundert Jahren die viel zu vielen Holunderbüsche zu Bäumen heranzüchten wollte, damit die Leute aus den weißgelben Blüten im Frühjahr noch mehr Saft und Schnaps machen konnten, aus den schwarzblauen Beeren im Herbst obendrein Konfitüre, da haben die Bauern skeptisch die Köpfe geschüttelt: >Das sind Äste voller Hollermark, das gibt im Leben keinen richtigen Stamm.< Gab es auch nicht, weißglibberiges Holundermark blieb der männerbeindicke Stamm bis ins Mark und bildete keine Jahresringe richtiger Bäume, aber vom Weitem sieht das jetzt wie ein kleiner fedrigheller Hain aus, wenn die Zweige voller Rispen sich wie aus der Mitte einer Palmenkrone biegen, die Ernte ist leichter, der Ertrag reicher, und aus dem ungarischen Armeleute-Getränk ist >ökologischer Luxus< geworden: Holundersekt, Holderblüten-Gelee, in Reformhäusern teuer, neuerdings kann man Blütensirup in jedem österreichischen Supermarkt kaufen. Kameramann Ernst lässt ihn sich immer mitbringen. Und heuer hat mir die Tochter Maria gleich noch Holundersirup zusammen mit Ansichtskarten von der Weltmaschine und Kernöl verkauft. >Ein Flascherl extra für den sympathischen Herrn vom deutschen Fernsehen; denn mit dem aus Hannover fing das an, heuer ist das deutsche Fernsehen zum vierten Mal hier gewesen. Das hilft uns. Ba ba, Servus, kommen’s wieder.<