eingekreist - die Monatskolumne April 2012

Monatskolumne

Autor:
Christian Kreis
 

Monatskolumne

Kochkunst

Beim Kochen ist meine Oma kein Freund von Abwechslung. Aber eigentlich mag sie generell keine Abwechslung. Ein Mann, der immergleiche Ferienplatz und eine handvoll Gerichte waren ausreichend. Darunter die scharf, bis in die tiefe Dunkelbräune gebratenen Rindsrouladen mit schlesischen Klößen und Rotkohl. Und während sie die Klöße auf die Teller häufte, denn von drei Klößen kann man ja nicht satt werden, betonte sie die ganze Zeit, daß die Zubereitung der Klöße eine wahre Kunst sei. Denn manche meinen ja, so ein Kloß mache gar keine Arbeit, was nun überhaupt nicht stimme, vom Rotkohl mal ganz zu schweigen. Sie schwieg dann natürlich auch nicht, sondern setzte uns über jeden einzelnen Arbeitsschritt, der diesen Rotkohl auf unsere Teller gezaubert hatte, ausführlich ins Bild. Ihr Redeaufwand war dabei mindestens genauso groß wie der Zeitaufwand bei der Zubereitung. Da fällt mir ein. Neulich habe ich wieder meine gefüllten Auberginen gemacht. Sie müssen gehälftet werden, dann muß ich sie mit Hilfe eines Eßlöffels aushöhlen, wobei es darauf ankommt, wiederum nicht zuviel von dem Fruchtfleisch aus der Aubergine wegzunehmen, was unweigerlich zur Folge hätte, daß sie im Ofen austrocknen und die Haut zu hart werden würde. Sind die Auberginenschiffchen mit Hackfleisch vollbeladen, sollen sie vierzig Minuten im Ofen schmoren, derweil ich natürlich nicht vergessen darf, sie immer wieder mit dem Bratensaft zu übergießen, ohne mir bei diesem heißen Unterfangen die Hand zu verbrennen. Es gibt also viel zu beachten, was ein beträchtliches Können verlangt. Und sollte ich nun sagen, wo meine Schwäche beim Kochen ist, fällt mir eigentlich nichts ein, außer meinem Improvisationstalent. Ich muß nämlich genau wissen, wieviel ich von welchen Zutaten wie lange zu kochen habe, sonst gerate ich in eine Art Küchenstarre. Das heißt, ich verharre mit dem Kochlöffel in der Hand und weiß nicht, was ich mit den Nahrungsmitteln anfangen soll. Erst ein Rezept mit präzisen Mengenangaben erlöst mich aus diesem Zustand. Oder alternativ gäbe es den Klassiker der Einfallslosigkeit, belegte Brote ohne Beilage und Liebe gemacht. Meine Freundin dagegen „erfindet“ spontan Gerichte. Während ich lustlos Schnitten schmiere, eine mit Käse und eine mit Wurst, nimmt sie irgendwelche Zutaten und es entsteht ein schmackhaftes und raffiniert gewürztes Irgendwas. Doch wenn ich mir wünsche, daß sie das, was sie schon mal vor zwei Wochen gekocht hat, noch mal kochen soll, kommt nie wieder das gleiche heraus, sondern etwas, was zwar auch gut schmeckt, aber eben anders. Essen hat für mich aber sehr viel mit Wiederholung zu tun. Das verschafft mir ein Gefühl von Sicherheit. Sonst muß ich bei jedem Happen fürchten: Dies, was ich jetzt schmecke, werde ich nie wieder so schmecken, jeder Bissen dieses Gerichtes ist bereits ein unwiderruflicher Abschied von diesem Gericht. Diese wöchentlich mehrmals durchschmeckten Vanitaserfahrungen nähren mich zwar körperlich, doch zehren sie mich nervlich aus. In solchen Momenten, auch wenn es kulinarisch und erst recht politisch nicht korrekt ist, sehne ich mich zurück nach den schlesischen Klößen von Oma, die beständig gleich schmeckend in einer angedickten braunen Soße dümpeln, frei von Knoblauch oder fremdländischen Gewürzen. Omas Küchenapartheit hat nun mal meine Zunge geprägt.     
 

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