„Denn Denken schadet der Illusion“

Monatliche Kolumne des Kultursalons Madame Schoscha

Autor:
Kathrin Schadt
 

Monatliche Kolumne des Kultursalons Madame Schoscha

Madame Schoscha (Barcelona) - Herr Altobelli (Berlin) - 7.Brief

Dass Liebesbeziehungen wie in Calders Geschichte ein Happy End feiern, diese Zuckerwattenvorstellung möchte auch der Parc del Laberint d'Horta durch sein romantisiertes Äußeres bedienen. Die älteste Parkanlage Barcelonas vereint Lustschlösschen, Pavillon, unzählige Elemente der griechischen Mythologie, Bäche, Goldfische und Nymphen. Alles vieldeutig der Liebe gewidmet: Auf der untersten Terrasse befindet sich ein Irrgarten, wie der Name vermuten lässt, in dessen Mitte Eros auf einem Sockel thront. Übrigens auch Schauplatz für den Film Das Parfum von Tom Tykwer gewesen. Das Programm des Gartens findet sich in den Inschriften des Pavillongiebels wieder: Es ist die Eintracht zwischen Natur und Kunst, die das Schöne schafft. Zumindest ein Happy End in Stein gemeißelt. Ob es guten wie schlechten Tagen standgehalten hat, weiß heute kein Mensch mehr. Der Zustand der Inschrift lässt Schlimmstes befürchten: „Sie haben uns, ein Denkmal gebaut […]“.

Barcelona maze
The parc del Laberint d'Horta Source: Garden mazes

 

Dass die klassische Liebesbeziehung auch Formen annimmt, die man nicht mehr nur beswingt „Etwas verrückt“ nennen kann, zeigt die katalanische Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Susanna Barranco in ihren Arbeiten. Mit denen hat sie in Katalonien mehrere hochgradige Preise gewonnen und entzückt darin meist selbst als Hauptdarstellerin, durch ihre liebreizende und gleichzeitig so gewaltig einsetzbare Erscheinung. Ich empfehle Ihnen einen Blick in den Trailer des Films Vacíos (Leere) zu werfen, der sich mit häuslicher Gewalt auseinandersetzt. Er ist zwar auf Spanisch, dürfte aber dennoch einen ersten Eindruck vermitteln. Englischen Untertitel hat dafür der Trailer zu ihrem neuen Film El silencio de Jonc (Joncs Stille), den sie ihrem Sohn gewidmet hat und der von Menschen mit Behinderungen erzählt und gerade im Schnitt ist. Alle Filme sind über ihren Kontakt erhältlich.
 

Ich muss bei dem Thema ungesunde Beziehungen stets an den ceratia-Fisch denken und dabei dann an den Blues „it doesn´t feel good, it doesn´t hurt”:

 




Ceratias uranoscopus Source: Wikipedia

 

das junge ceratia-Männchen sucht sich eine Stelle […] des Weibchens aus […]. Dort beißt er sich fest, und dieser Biß bestimmt seine Zukunft. Von nun an ist er wie in einer Falle gefangen, er kann sich nie wieder von seiner Gefährtin trennen. Seine Lippen verwachsen mit dem fremden Fleisch. Er kann sich nicht mehr von ihr lösen, es sei denn, er würde das miteinander verwachsene Gewebe zerreißen. Maul, Kiefer, Zähne, Verdauungstrakt, Kiemen, Flossen und sogar das Herz unterliegen einer fortschreitenden Degeneration. Reduziert auf eine parasitäre Existenz, ist er bald nicht mehr als eine Art Testikel in Gestalt eines Miniaturfisches, dessen Funktion durch den Hormonhaushalt über die Blutbahn des Weibchens gesteuert wird. Ein ceratia-Weibchen kann drei bis vier solcher Miniaturmännchen am Körper tragen. (Jean Rostand, Bestiarium der Liebe, gesehen bei Vázquez-Montalbán)

 

Der Fachbegriff dafür lautet im Übrigen Sexualparasitismus, wobei sich mir hierbei die Frage aufdrängt, wer von beiden den Parasiten darstellt. Der Rekord liegt dabei bei acht Zwergenmännchen pro Weibchen. Da kommt Neid auf.