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Interview
Persische Dichtung – neu übersetzt - Im Gespräch mit Ali Ghazanfari
Ali Ghazanfari ist Lyriker, Kinderbuchautor, Übersetzer und Germanistik-Dozent; er lebt in Teheran. 2009 hat er im Engelsdorfer Verlag (Leipzig) eine bibliophile Edition von neu übersetzten persischen Klassikern veröffentlicht.
GERRIT WUSTMANN: Sie haben Vierzeiler von Hafez, Saadi und Rumi neu übersetzt. Wie kam es zu dieser Auswahl?
ALI GHAZANFARI: Diese drei Dichter sind die meist bekannten iranischen Dichter in der Literaturwelt. Ich muss erwähnen, dass es viele iranische Dichter der klassischen Epoche gibt, die genau so ausdrucksstark sind wie Rumi, Saadi und Hafez. Doch nur die Letztgenannten widerspiegeln meiner Ansicht nach in der Sprache, der Auswahl und Zusammensetzung der Wörter und der Metaphern das Firmament, in dem man seine Wunschsterne finden kann. Kurz gesagt – wie wir es in der persischen Sprache darstellen – ihre Gedichte treffen das Herz. Ein anderer wichtiger Grund war auch, dass die bisher vereinzelt dargebotenen Übersetzungen dieser Werke für meine Begriffe nicht korrekt waren, sich vom eigentlichen Sinn und Inhalt der Verse sehr oft entfernten und literarisch nicht interpretiert wurden.
GERRIT WUSTMANN: Zahlreiche Gedichte sind mit Anmerkungen versehen, die schwer übertragbare Begrifflichkeiten erläutern, oft auch, damit die Mehrdeutigkeit des Persischen für den deutschen Leser ersichtlich wird. Welche Schwierigkeiten barg die Übersetzung, die ja immer auch ein Spagat zwischen Nachdichtung und Nähe zum Original ist?
ALI GHAZANFARI: Ich habe versucht, die richtige Bedeutung der Wörter intensiver und gefühlvoller widerzuspiegeln, weshalb auch fast drei Jahre vergingen, bis sie erschienen. Dazu kam noch ein wichtiges Element. Als ein Dichter, der sowohl persische, als auch deutsche Gedichte schreibt, empfinde ich es als menschliche Aufgabe, zur Intensivierung der bilateralen kulturellen Beziehungen beizutragen, und diese Werke sind unter anderem ein Schritt in diese Richtung. Bei der Übersetzung von Gedichten betrachte ich zwei Hauptmerkmale. Zum einen die Übertragung der exakten Bedeutung der Wörter und Verse ins Deutsche – vor allem, wenn sich die Leser auch mit der Farsisprache befassen. Und zum anderen: die Übersetzungen müssen als Lehrmaterial für Iraner geeignet sein, die die deutsche Sprache lernen oder gar Texte übersetzen wollen. Ich nenne ein Musterbeispiel von Rumi: „Verkehre dort, wo Männer dir gesellig sind.“
Wenn ich die Übersetzung des Wortes „Männer“ (in Farsi: „Mardan“) einfach so darlege, nehmen die Leser das Wort als „männliches Geschlecht“ auf, was in der literarischen Bedeutung aber falsch wäre. Andererseits muss eine Übersetzung aber auch texttreu geschehen. Somit ergibt sich zwangsweise die Erläuterung der Begrifflichkeiten. Die Schwierigkeiten werden minimiert, wenn man als Dichter beider Sprachen solche Übertragungen vornimmt. Diesen Spagat muss man trainieren und gut beherrschen, denn sonst wird die formgerechte Verbindung zum Original nicht gewahrt. Man muss wissen, dass solche Nachdichtungen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und ohne Zugriff auf die Etymologie der Wörter keinen Sinn machen. Besser man lässt es sein, statt falsche und/oder nicht komplette Darstellungen anzubieten.
Lassen Sie mich einen weiteren wichtigen Punkt erwähnen, der direkt in diesen Zusammenhang passt. Die Schwierigkeiten können nur gemeistert werden, wenn man Mut hat, die falschen alten Darstellungen zu korrigieren. Das kann man in „Saaghinameh“ genau nachvollziehen. Seit fast vierhundert Jahren nimmt man in Deutschland „Schenke“ als „Saaghi“. Das ist völlig falsch und purer Unsinn. „Schenke“ ist oder war ein hoch geachteter Beruf an den Höfen des Adels. „Saaghi“ (meist eine zierliche Dame) schenkt den Wein ein und zwar jedem das gleiche Maß. Das Erwähnte gilt auch für „Rend“, das ich in dem Buch „Der Dichter aller Zeiten“ genau beschrieben habe.