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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Komm! Ins Offene haus für poesie
Kritik

Luft so klar

Was von Elise Cowens Werk übrig ist
Hamburg

Unter dem Untertitel Gedichte und Fragmente sind die einzigen überlieferten Zeugnisse der Dichterin Elise Cowen in der Stadtlichterpresse erschienen. Cowen hat weitaus mehr geschrieben, bevor sie mit knapp 29 durch ein geschlossenes Fenster im Elternhaus auf die Straße sprang, doch die Aufzeichnungen wurden auf Wunsch der Eltern verbrannt. An diesem kurzen Umriss kann man unschwer erkennen, dass hier nicht unbedingt das Glück an sich am Werk war. Caroline Hartge hat den Band, der nach jahrzehntelangen Rechtsstreitigkeiten im Original von Tony Trigilio erst 2014 herauskommen konnte, übersetzt und mit Anmerkungen versehen. Neben den Gedichten sind dies eine praktisch kritische Edition aller whereabouts, sowie eine umfassende Biografie der den BeatlyrikerInnen nahestehenden Cowen. Zudem existiert mit Öffne die Haustür und Shalom ein früherer Essay Hartges zu Cowen im gleichen Verlag. Darin schreibt Hartge (dem nichts hinzuzufügen wäre):

Elise Cowens Biographie legt mehrere denkbare Assoziationen nahe; war sie psychotische Muse ... Opfer ihrer Zeitläufe ... mutige Rebellin ... Treibgut in der Drogenparanoia? Bei aller erklärter, offensiver Unangepasstheit Cowens mag ihr Verhältnis auch in ihrer charakterlichen Disposition begründet gewesen sein, dem dauerhaften Gefühl der Befremdung einerseits und andererseits ihrem unzureichenden Durchsetzungsvermögen. Ihr kurzes Leben war keineswegs bar aller Aussichten: materieller Wohlstand, Zugang zu höherer Bildung, geistige und körperliche Fruchtbarkeit und die Fähigkeit zur Freundschaft waren Cowen gegeben. Aber als Dichterin unbemerkt, als Frau düpiert und stillgelegt, als Berufstätige auf Dauer zu unerbaulicher Betätigung verurteilt, vertauschte sie im Zuge zunehmenden Drogengebrauchs und teils stationärer psychologischer Behandlung ihre mühsam errungene subjektive Identität als Erwachsene mit einer objektiven, kindhaften Abhängigkeit von ihren Eltern und geistiger Zerrüttung, der sie sich zuletzt durch den selbst herbeigeführten Tod entzog.

Die Gedichte, die, dem Zustand entsprechend, kaum bearbeitet wirken, lassen eine interessante, maulige Stimme erkennen, die auf der Suche ist. Sie probiert aus, landet im Improvisierten und scheint dann am besten, wenn sie sich beschränkt auf kleine Momentaufnahmen oder wertungslose Betrachtungen. Was war in den Flammen? Es wird für immer unbeantwortet bleiben, und jenseits aller Spekulation, ist Hartges Übersetzung nicht immer ganz am Original. Cowen wagt manchmal anderes, als das was Hartges Übertragungen in Teilen zeichnen. Andererseits scheint im Original ein mitunter recht wirrer Geist am Werk und da hier eigentlich lediglich ein gemopster Blick in eine unterirdische Werkstatt vorliegt, gilt es, den Band namens Aus Tod & Wasser gemacht zusammen mit Öffne die Haustür und Shalom und auch der in kleiner Auflage gedruckten (ebenfalls sehr lesenswerten) Perspektive Leo Skirs Elise Cowen: Eine kurze Erinnerung an die fünfziger Jahre zu lesen. Als das Portrait Cowens selbst, einer von Ginsberg & Co buchstäblich in den Schatten gestellten, geisterhaft verstockten Stimme.

FROM THE BROWN brick back wall bathroom
window (through this dirt-frosted window)
in rainy day light a rag blows out
white—every once in awhile,
when the light is on here.

AUS DEM BRAUNEN Backsteinmauernbadezimmer-
fenster (durch dieses dreckverkrustete Fenster)
weht in regnerischem Tageslicht ein Lappen
weiß heraus – dann und wann,
wenn hier das Licht an ist.

 

EACH ORANGE IS
heavy enough to crush a table
equal to its weight.
tables solid water oranges naked
bodies goldfish bowl lost—gaping in orange horror
and green—moment drained of his ocean.

Soutine gasping through his goldfish
To see oranges displace this weight in a table

JEDE APFELSINE IST
schwer genug einen Tisch zu zerquetschen
der gleich viel wiegt.
Tische festes Wasser Apfelsinen nackte
Körper Goldfischglas verlorener – in orangem Entsetzen klaffend
und Grün – Augenblick, seines Ozeans entleert.

Soutine japst durch seinen Goldfisch
Um zu sehen, wie Apfelsinen dieses Gewicht in Tisch verdrängen

 

WHEN I GET
                real
     Money
Holy or no
The cockroaches
     go
Where?

WENN ICH
                richtig
     Geld kriege
Heilig oder nicht
Gehen die
     Küchenschaben
Wohin?

 

ALSO TRUE (?) THAT made body disgusting so
Daddy wouldn't want it & compete with
mother with knowledge, but afraid there
too so incomplete. Defencelessness, sickness
any defense. Mirror of their own in
funny juxtapositions. Observer knowledge
like psych only safe left— "soul" on the pane.
But with love not used for power no
fear—hatred defencelessness no longer right
word as not defending—whoa! came too
soon again & just words now. Anyhow

AUCH WAHR (?) DAS machte Körper ekelerregend so dass
Daddy ihn nicht wollte & wetteifern mit
Mutter mit Erkenntnis, aber ängstlich dort
auch so unvollständig. Wehrlosigkeit, Krankheit
jedwede Gegenwehr. Spiegel ihrer selbst in
lustigen Gegenüberstellungen. Erkenntnis des Beobachters
wie durchschaut nur zurückgelassen sicher – "Seele" auf der Scheibe.
Aber mit nicht als Macht benutzter Liebe keine
Furcht – Hass Wehrlosigkeit nicht länger richtiges
Wort da es nicht verteidigt – hoppla! kam wieder
zu früh & bloß Worte jetzt. Jedenfalls

 

SNOW

I guess how you fall
Is nobody's business but
                your own
Esho, or whatever your name
                is you dead bitch

SCHNEE

Vermutlich geht es
Keinen etwas an wie du fällst außer
                dich selbst
Esho, oder wie immer du dich
                nennst totes Miststück

Ein wichtiges Veröffentlichungspaket, das die Stadtlichterpresse hier vorgelegt hat. Die traurige Geschichte Elise Cowens mag Patin stehen für einige verstummte Stimmen, die aus was für Gründen auch immer vor ihrer Zeit oder wegen ihrer Zeit nie Gehör gefunden haben.

Elise Cowen
Aus Tod & Wasser gemacht
Übersetzung:
Caroline Hartge
Stadtlichterpresse
2018 · 285 Seiten · 20,00 Euro
ISBN:
978-3-936271-92-8

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