Drei Anmerkungen zu BELLA triste 48
Erstens, wie sich die Verantwortlichen gerade das entscheidende kleine Bisschen zu sicher gewesen zu sein scheinen, dass das alles ohnehin von niemandem außerhalb der p. t. Peergruppe gelesen würde: Eine ansehnlich großformatige BELLA triste Sonderausgabe, irgendwie das Prosanova | 17 Festival betreffend, aber eben (wenn wir uns bloß an das immerhin drei Seiten lange Editorial halten) wirklich nur *irgendwie* …
… wobei … mit dem Wort *irgendwie* hier entschieden nicht die Stimmung gemeint ist, die dieses Editorial, und die drauf folgende Textauswahl, und überhaupt die ganzen Aufmachung von BELLA triste Nr. 48 umkreisen und/oder beschreiben und/oder behaupten. Über +/- 150 Seiten wird hier aufs Equilibristischste die Ambiguität aufrecht erhalten, die zwischen einerseits der Begeisterung der Protagonisten für den ihnen gemeinsamen Resonanzraum und andererseits dem Bewusstsein des sozusagen Kindischen, des bloß Momentanen, des Vor-Diskursiven an dieser Begeisterung besteht. Eh sympathisch, obendrein nachvollziehbar – und als literarisches Programm durchgehalten. Wir können sagen, BELLA triste 48 is indeed having its cake and eating it, too, will sagen, tritt uns mit einer durchgängig deutlichen Haltung entgegen, die ungefähr so zusammengefasst werden könnte: "Erstens sind wir eine muntere Clique, die sich ihren eigenen Codes und Glücksversprechen bombensicher ist, und sind also viel sexy-er als Ihr anderen; und sind aber zweitens im Stande, dieses unser Irregefühl und seine literaturmarktmäßige Einbettung als die (soziologisch ggf. notwendige?) Illusion zu beschreiben, die es ist…"
Das alles sitzt also; die Redaktion kann redigieren, die Autor_innen schreiben. Bloß geht vor lauter sorgsam austarierter Stimmigkeit zwischen Diskurs und Leben, (Marktteilnehmerzynismus und sagen wir mal Jugendlichkeit) die Frage flöten, wie sie den spießig-distanzierten Leser beschäftigt, der nicht dabei war und dem der Begeisterungsaspekt des Ganzen egal ist: Sind das jetzt lauter Texte über Prosanova | 17? Oder Texte, die beim Prosanova | 17 zum Vortrag kamen? Die dort entstanden? Liegt am Ende gar eine komplexere Anordnung zwischen Produktion, Auswahl, Redaktion zugrunde? Wenn ja, welche? … Denn, siehe oben: So sicher und klar man sich von Anfang an dem Doppelcharakter des je eigenen Netzwerkerseins nähert, und der Frage, was der erwünschte Effekt der Anordnung ist –
UND AM LIEBSTEN HÄTTE ICH ES GEHABT, WENN WIR UNS NACH PROSANOVA ZU EINER RICHTIGEN BANDE ZUSAMMENGESCHLOSSEN HÄTTEN, ALSO ALLE KÜNSTLER*INNEN, BESUCHER*INNEN, HELFER*INNEN.
(…)
Die Sonderausgabe schafft es, etwas festzuhalten. An dem man noch einmal / so oft man will nachvollziehen kann, was der Auslöser war.
(…)
Und vielleicht ging es bei unserem Festival auch darum: Eine Einheit zu behaupten und gleichzeitig die Brüchigkeit aufzuzeigen.
(…)
– so undeutlich, so nebelig und (nicht böse sein) so literarisch bleiben die Äußerungen der Herausgeber zum pragmatischen Aspekt dieses Programms: Wer, warum, wann, was? Es erfordert, können wir uns denken (müssen aber auch nicht), ein bisschen zu viel guten Willen, dies alles nicht als Koketterie zu deuten … Oder eben, als Geste des Vertrauens, dass es eh nur Leser*innen geben werde, die schon wissen, wer, warum, wann und was.
Zweitens, dass diese Textwelt, die sich da hochzieht, ziemlich selbstreferenziell ist, aber mit genug Widerhaken versehen, und uns zur Lektüre anzustiften (will sagen Stellen, die einen schon beim Durchblättern anspringen). Man ist sich hier insgesamt der eigenen Sprache als Medium und Gegenstand sicherer, als dies in anderen solchen deutschsprachigen Textwelten der letzten Jahrzehnte der Fall war, und man geht ordentlich zur Sache. Ob wir dann, was im Hallraum jener Insidergags hin und her geschoben wird – den sogenannten Selbstvergewisserungsdikurs, der nur teilabhängig von den einzelnen Textthemen stattfindet – klug oder doof finden, steht auf nochmal einem anderen Blatte und hat wohl im Einzelfall entschieden zu werden. Mann kann da z. B. denken, dass sich in manchen (Reflexionsan-) Sätzen eher der Drang zur einprägsamen Formulierung offenbart als eine Ahnung davon, worüber man (außerliterarisch jetzt) redet … oder zumindest, dass jene eine Formulierung von Phillip Kampert in "Polemos" (jenem kurzen Text über … war's eine Podiumsdiskussion? …) in diesem Sinne gar nicht geht –
(…) redet plötzlich über den Weg zum Roman. Er ist lang, er ist anstrengend – kurz: ein Krieg.
– was umso tragischer ist, als jener ganze kenntnisreiche und wohlgefügte Text dran hängt, dass "Krieg" als Metapher fürs Schreiben aufgeht (und das kommt natürlich, wenn's nicht gerade von einer Steintafel aus dem Grab König Nebukadnezars II. oder z. B. den Frontbriefen Trakls herstammt, sträflich unbedarft herüber).
Drittens, dass wir als Leser*innen das wie gesagt Selbstreferenzielle, das zum Teil schamlos Selbstbespiegelnde, selbst noch die wiederkehrenden Anzeichen dafür, dass einige der Beteiligten nicht wüssten, worüber sie schreiben sollten, wenn sie nicht grade über ihr Autor*insein schrieben (…"Schreib was Du kennst", flüsterte zärtlich die Schreibschule… ) – dass wir alles das gerne akzeptieren, da wir nur so verlässlich *nicht gelangweilt* werden wie hier.
Freilich Szenegewusel; und in einer Weise selbstbewusst, die wir nicht immer nachvollziehen müssen; aber alles dieses steht nicht der herausgeberischen Maxime im Weg, man unterlasse möglichst weiträumig das Doofe und Fade.
Autor*innen: Birgit Birnbacher, Timo Brandt, Yevgeniy Breyger, Sirka Elspaß, Juan S. Guse, Tim Holland, Kristin Höller, Maren Kames, Phillip Kampert, Johannes Koch, Rebecca Martin, Marcella Melien, Anne Munka, Daniela Plügge, Henrik Pohl, Nikola Richter, Milena Maren Röthig, Simon Sailer, Sarah de Sanctis, Rike Scheffler, Michelle Steinbeck, Tabea Steiner, Anke Stelling, Florian Stern, Olivia Wenzel, Bettina Wilpert
Bilder: Henry Cyrenius, Jaqueline Krone, Tarek J. Schakib-Ekbatan
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