„Arbeitsgrundlage für anspruchsvolle Geister” (Erasmus)
Höchst lesenswert – wie ja viele Bücher des Wagenbach Verlags – ist Verena von der Heyden-Rynschs Porträt des Druckers und Verlegers Aldo Manuzio. Am schlanken, akkurat und gut lesbar verfaßten Text besticht vieles; allein für die Eingangsbemerkung, Gutenberg habe eben nicht den Buchdruck erfunden, und auch nicht jenen mit beweglichen Lettern, sondern einige Erfindungen (etwas Maschinen, um Lettern zu gießen), durch deren Kombination sich ein neues Niveau der Buchproduktion ergab, ist man immer dankbar.
Die Verfasserin schafft Kontexte, führt klug und behutsam in die Materie ein und verbindet all das zu einem Bild, das solide und originell darstellt, was Manuzio leistete; aber auch, welche Fragen heute noch aktuell seien, die damals gestellt wurden. Teils tut sie dies implizit: „Das Drucken beflecke die Bildung, indem es sie den Ungebildeten zugänglich mache”, so referiert fir Autorin Warnungen Stratas, die damals Ressentiment waren, die man heute aber auch so lesen kann, daß Information eben nicht Wissen generiere, sondern Bildung benötigt werde, um Informationen entsprechend lesen zu können. So wiederholt sich das alte Ressentiment heute, wenn über die Verschwörungstheoretiker im Internet diskutiert wird, über von Wikipedia scheinbar Informierte, die Ärzte oder andere Gebildete zugleich konsultieren und ennuyieren, und zwar als doch nicht so unbegründete Polemik. Die Klage über „abwegige Gedanken” wird viel später Foucault veranlassen, der Neugier das Wort zu reden (etwa als Philosoph mit der Maske) 1, abwegig aber ist vielerlei in der Zeit einer Postmoderne, die mit der ihr nachgesagten Beliebigkeit zu oft deckungsgleich ward.
Manuzio aber war ein Humanist, der Menschen zu bilden trachtete, nicht zu informieren, ein „homo grammaticus”, wie es heißt. Er dachte in Spannungen – etwa zwischen „christlicher und jüdischer veritas”, zwischen Neugier und logischer Topik, zwischen „Platonismus, Aristotelismus und Christentum”, aber nicht allein unter- und miteinander, sondern „dem hebräischen und muslimischen Denken”. Das Ziel einer „Synthese” war dabei keines einer verfügten Assimilation; auch dies etwas von Gegenwartsrelevanz.
Ihm, seinem think tank, unten die Arbeitsräume, „oben die bescheidene Unterkunft des Druckers und seiner Mitarbeiter”, verdankte Europa „Impulse”, die wie Schmuggelware sich auch in diesem Buch finden, das also nicht nur thematisch der Gestalt Manuzios verpflichtet ist; und könnte man jemand besser würdigen..?
Seine Kontakte mit Erasmus und anderen entsprechen seinem Wirken, seine Kontakte waren einige der „fruchtbarsten Freundschaften der europäischen Renaissance”, auch dies besagt: ein Leben als Impetus, der „Geist einer Politik der Empörung und Freiheit” wird hier aus Bildsamkeit geboren – woraus auch sonst, will Freiheit nicht das längst geknechtete Stereotyp ihrer selbst sein..?
So ergibt sich mehr denn ein Bild, ein Porträt, das fast schon Plädoyer ist – und übrigens auch für die Bibliophilie, der der Band auch in seiner Gestaltung verpflichtet ist. Dieses Buch ist kurzum vorbehaltlos zur Lektüre empfohlen.
- 1. "Die Neugierde ist ein Laster, das nacheinander vom Christentum, von der Philosophie und sogar von einem bestimmten Wissenschaftsverständnis stigmatisiert worden ist. Neugier wurde als etwas Nichtiges verstanden. Aber das Wort gefällt mir. Es lässt mich an etwas ganz anderes denken: an »Sorge« und »Sorgfalt«; an die Sorgfalt, die man auf die Dinge verwendet, die existieren oder existieren könnten; an ein geschärftes Gespür für die Wirklichkeit, die aber davon nicht in Bewegungslosigkeit verfällt; an die Bereitschaft, alles um uns herum als merkwürdig und einzigartig zu empfinden; […] an eine gewisse Nachlässigkeit gegenüber den traditionellen Hierarchien zwischen dem Wichtigen und dem Wesentlichen.” – Foucault, Schriften in vier Bänden
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