„dynamische literarische Praxis”
Eigentlich ist zu dem vorliegenden Band in seinem Vorwort von Daniela Strigl alles gesagt: Man würde dem, dessen Laudationes hier gesammelt sind, gerne seinerseits eine Lobrede schreiben, doch ist nur mehr ein Epitaph möglich – Schmidt-Dengler, der wie kaum einer seiner Liebe zur Literatur kohärent und exakt Ausdruck zu verleihen wußte, ist nicht mehr, er wurde – unter anderem – der Literatur viel zu früh genommen.
Im „guten Sinne schmucklos” schreibt Schmidt-Dengler (den man in Wien unter dem respektvoll gebrauchten Kürzel WSD kannte, und zwar war er der WSD) von jenen, die wie er die Sprache nicht zum Selbstzweck machten, indem sie sich ganz auf sie konzentrierten. Durch Sprache entzaubern sie, was verhext ist, so auch Gauß, dem WSD hier „stupende[n] Konstanz” attestiert, Schärfe, aber eben auch das Beharren. Wiederum zeichnet dies auch den aus, der dies an Gauß rühmte. Wie Gauß war WSD „ein echter Odysseus”, Klischees des Exotischen umschiffend, aber auch in der Heimat nicht zu sehr daheim, reich an „Zwischentöne[n]”. Zu ihnen mag gerechnet werden, daß WSD, wo er von den Qualitäten, die an Theodor Kramer zu entdecken sind, ein Hinweis, für welchen er Gauß und Hackl dankbar gewesen sei, dennoch den Irrealis bemüht: „Zwischentöne, die in diesen oft monoton wirkenden Gebilden zu vernehmen wären”...
Auch dies ist Beharrlichkeit – gepaart mit Diplomatie. Vielleicht ist es jene wie auch das Stimmige, weshalb „der Justament-Standpunkt” bei WSD doch kaum je vorkam..? Seine Sympathie gehörte der Literatur, die nicht bloß das andere, sondern auch etwas in sich suspendierte, das Gefährdete der Literatur Ferdinand Schmatz’ etwa, die in vor allem auch sich selbst „das, was sich schräg in die Sprache hineinschleicht”, wahrnahm: wobei das Schräge das sein mag, was am geradlinigsten erscheint. Das wird bei Herta Müllers Würdigung deutlich, es geht um Engagement, um ein Anecken, dem „die Qualität des Schreibens” „Deckung” gewähre; oder auch Unabweisbarkeit dessen, was sonst so absurd zu sein scheint, wie es die Realität insgeheim ist. Rilkes Quasi-Dialektik vom Schönen als des Schrecklichen Anfang wird da von WSD umgekehrt.
So formulierte WSD Gültiges, nicht zeitlos Gültiges, sondern durch die Zeit hindurch Gültiges, wie man in Anlehnung an Celan sagen könnte; und seine Interventionen bleiben, weil sie ihre Zeit trafen, über diese hinaus bestehen, es war ja eine Hoffnung des zu früh Verstorbenen, daß wir „wieder zur Bibliothek werden können.” In keiner Bibliothek, so ließe sich folglich sagen, sollte dieser Band fehlen.
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