Und nun?
Seit Jörg Haiders Aufstieg in der FPÖ ist es immer wieder geschehen: Stimmenzuwächse, teils dramatisch, zugunsten einer Partei, die sich längst nicht mehr die Mühe macht, liberal zu erscheinen. Die Reaktion ist stets die gleiche, wiewohl kein Erfolg in der Vergangenheit für sie spräche: Zum einen wird gesagt, man müsse nun die Sorgen der Rechts-Wähler ernstnehmen. Zum anderen wird pauschal von Österreich als Naziland gesprochen – oder behauptet, Demokratie sei zwingend immer mit einer gewissen Masse an Wählern, die moralisch und/oder intellektuell dem nicht entsprechen, was Demokratie implizit von Wählern verlangt, nämlich Verantwortung, konfrontiert.
Die Sorgen der Wähler ernstnehmen, ja, das soll eine Demokratie; aber nicht in dem Sinne, daß man mit den von der FPÖ und ihresgleichen gestellten Fragen, die eine Deutungsmacht schon begründen, einfach weiterwurstelt. Man kann auch Fragen als Einflüsterungen entlarven, als instrumentalisierte Alltagsparanoia – Fragen sind nahe an dem, was epistemologisch eine Methode ist, falsche Fragen zeitigen falsche Antworten. Redet man von „den Ausländern” oder „dem Islam”, kann die Antwort fast nur mehr gefährlich und schwerlich pragmatisch oder moralisch fundiert ausfallen, gerade nicht, weil diese Art des Fragens sachlich begründet wäre, sondern allein der Fragestellung und ihrer Implikate wegen. Man müßte also neue Fragen riskieren, die alten Fragen, die noch aus den 1930ern stammen, aber als irrelevant verwerfen, als verhetzend, als Ablenkung von jenem Neofeudalismus, dem die „Sachlösungen” der Rechten zugleich zuarbeiten, während FPÖ, AfD & Co. eine entstellte Form des Sozialen propagieren, die sich in Ressentiments und Sündenbocktheorien erschöpft.
Österreich ein Naziland? Dagegen spricht die Mathematik – Nichtwähler und Wähler anderer Parteien ergeben eine große Mehrheit derer, die jedenfalls nicht rechts wählten. Und kann man sich darauf ausreden, daß es einfach immer Wähler gebe, die der Demokratie nicht gewachsen sind? – Dann wären Wahlen überflüssig, dann wären jene, die gegenwärtig am System scheitern, die Richter über das, wozu sie moralisch und/oder intellektuell unfähig sind. Man könnte ebensogut Analphabeten die nächste Bildungsreform planen lassen (und das Aperçu, die letzten dieser Reformen wäre nur so zu erklären, daß man dies bereits tat, liegt nahe).
Man wird hingegen Werbung für die Politik machen müssen: Wenn die stimmenstärkste Fraktion Nichtwähler sind, die der absurden Meinung sind, sie könnten nichts ändern, dann ist das fast genau so schlimm wie der Zulauf zu den Rattenfängern. Man wird aber auch die Verantwortung des Wählenden deutlich machen müssen: daß Wahlen weder ein (z.B.: Lugner-)Event sind, noch dazu dienen, seinem undifferenzierten Zorn Ausdruck zu verleihen – Urschreitherapie qua Wahlzettel, das entspricht nicht dem, wodurch eine Demokratie nicht nur formaliter vollzogen wird, sondern sich aktualisiert. Wer wählt, also von seiner Stimme Gebrauch macht, muß mündig sein. Das bedeutet Information und Reflexion.
Am Rande sei darum aber doch nochmals auf die Bildung eingegangen: Wer gebildet ist, sieht die Absurdität, mit der die Rechten Begriffe in Fragen verknüpfen, die sie dann zur Beantwortung dem Pöbel hinwerfen. Also muß in Bildung investiert werden – damit nur Neofeudale, also jene, die Kapital besitzen und dessen Erhalt über den sozialen Frieden und die Möglichkeit von Entwicklung stellen: also unethisch handeln und für einen Kapitalismus mit Zukunft zu dumm sind oder sich für zu dumm halten, an Wählern den Rechten bleiben.
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