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Hundertvierzehn | Extra
Baptiste Beaulieu - Arzt, Schriftsteller, Mensch

Baptiste Beaulieu hat sich als Arzt und Schriftsteller kompromisslos der Menschlichkeit verschrieben – ein Portrait.

 

Baptiste Beaulieu
Baptiste Beaulieus Erfolgsgeschichte als Autor beginnt mit einem preisgekrönten Blog, in dem er von seinem Alltag in der Notaufnahme berichtet. Sein fulminantes Romandebüt »Leben ist nicht schwer« war ein internationaler Bestseller. Zuletzt erschien im Fischer Taschenbuch Verlag »Die Taxifahrerin, die das Glück brachte.« Wenn Baptiste Beaulieu nicht schreibt, arbeitet er als Arzt einer Praxis in Toulouse.
Dieser junge Mann Anfang dreißig übt den Arztberuf auf seine ganz eigene Art und Weise aus, denn er liefert sich den Zumutungen dieses Berufs aus, ohne sich eine dickere Haut zuzulegen. Diese große Menschlichkeit findet sich auch in seinen Romanen wieder, die einem aufgrund ihrer präzisen Beobachtungen und ihrer poetischen Schönheit nahegehen.
»Eine Pflegerin, die einem Patienten hilft, wieder aufzustehen, das ist etwas Wunderbares. Zu wissen, dass in den Krankenhäusern rund um die Uhr, 24 Stunden lang, Menschen wach sind, um denen, die hingefallen sind, wieder aufzuhelfen, ist doch ein sehr tröstlicher Gedanke.« Baptiste Beaulieu hat eine Angewohnheit: Stets sucht er hinter den meist unauffälligen Fassaden nach dem Schönen und erzählt von den vielfältigen Lebenswegen der Menschen. Und wenn man ein junger Arzt mit so viel Empfindsamkeit und Talent ist, macht es irgendwann klick.
Nicht einmal fünf Jahre, nachdem er die ersten Einträge auf seinem Blog »Alors voilà« gepostet hat – zu der Zeit war er noch Assistenzarzt –, zeigen die Beliebtheit dieses virtuellen Tagebuchs (sieben bis acht Millionen Leser) und die vielen emotionalen Kommentare, dass er sein hochgestecktes Ziel, »Patienten und medizinisches Personal wieder miteinander zu versöhnen«, erreicht hat.
In derselben Zeit hat dieser junge Mann, der mit seinen einunddreißig Jahren beinahe noch wie ein Jugendlicher wirkt, bereits drei Romane veröffentlicht, die von Kritikern wie von seinen Lesern gleichermaßen geliebt werden. Seine vehementen Stellungnahmen, in Schriftform oder als Video, in denen er zum Beispiel gegen Homophobie wettert oder darüber aufklärt, warum Ärzte immer eine Stunde hinterherhinken, kursieren in allen sozialen Netzwerken und Medien.
In der anderen Hälfte seiner Zeit arbeitet Baptiste Beaulieu – der im richtigen Leben anders heißt –, als Allgemeinarzt in einer Gemeinschaftspraxis am Rande von Toulouse, wo er aufwuchs und auch studiert hat. Ein Doppelleben? Eher zwei stark miteinander verwobene Leben. »Mir liegen beide Tätigkeiten sehr am Herzen, und beide speisen sich aus der jeweils anderen. Wenn ich in der Praxis bin, gehöre ich zu zweihundert Prozent meinen Patienten, aber ich gehöre eben auch zu der Generation, die von vornherein nicht davon ausgeht, sich in ihrem Leben immer der gleichen und nur einer Aufgabe zu widmen«, erläutert er. Für den Arztberuf hat er sich schon in jungen Jahren entschieden, aus Leidenschaft und der Freiheiten wegen, die dieser Beruf einem bietet.

Nah an den Patienten

Als Arzt gibt es für ihn drei Schlüsselworte: Wohlwollen, Zuhören, Unvoreingenommenheit. Und er hat seine ganz eigenen Methoden, die so in keinem Lehrbuch zu finden sind. Schon als Student hat er sich angewöhnt, jeden seiner Patienten nach dessen Lieblingsbuch zu fragen. »Indem ich jemandem diese Frage stelle, rüttele ich ihn ein bisschen auf, weil ich nach einem Detail aus seinem Leben ohne die Krankheit frage, ich gebe ihm damit sozusagen seine Alltagskleidung zurück«, begründet der begeisterte Roman- und Lyrikleser sein Vorgehen, überzeugt davon, dass Bücher das Leben verändern können. Heute besteht seine »Superkraft« darin, dass es ihm gelingt, seine Patienten zum Weinen zu bringen. Und zwar jene Tränen, die Erleichterung bringen.
Manchmal erlaubt er sich sogar, mit den Familien zu weinen. Und er hofft, dass sich daran, solange er seinen Beruf ausübt, nichts ändern wird. »Ich habe während meiner Ausbildung zu viele gleichgültige Ärzte erlebt. Da lasse ich mir lieber vorwerfen, ich sei zu nah an meinen Patienten dran«, rechtfertigt er sich. Er erinnert sich an eine Szene aus seiner Lehrzeit, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er sieht den großen Professor noch vor sich, wie er sich einen Stuhl heranzieht, um sich ganz nah neben seinen Patienten zu setzen, ihm die Schulter tätschelt und ihm dann eröffnet: »Es handelt sich um eine aggressive Form von Leukämie. Sie sollten ihre Vorkehrungen treffen.« Sprach's, und ging aus dem Zimmer, um seine Visite fortzusetzen.
»Ich werde wütend, wenn mir jemand erzählt, dass ein Arzt sowas tut, um sich zu schützen«, ereifert sich Baptiste Beaulieu. »Was ist denn dann mit den Patienten? Wer schützt sie? Wer mit Patienten arbeitet, wird dazu verleitet, sich grausam zu verhalten, und ich bin auch manchmal grausam gewesen. Wichtig ist, dass man ab und zu in sich geht und darüber nachdenkt, was man da tut.«
Wenn man in seinem Blog liest und hört, mit wie viel Mitgefühl er über all diejenigen spricht, die er behandelt, wird schnell klar, dass die Allgemeinmedizin zu ihm passt wie die Faust aufs Auge. Dabei wäre er beinahe Onkologe geworden. Denn was ihm an einem Praktikum in der Onkologie gefallen hat, war, dass er dort die Hälfte der Zeit mit den Familien verbringen konnte, um sie zu begleiten und mit ihnen gemeinsam die Zeit der Trauer vorzubereiten.

»Ein Kleinod der Menschenliebe«  

Doch als es an die Aufnahmeprüfung für die Facharztausbildung geht, ist er nicht in Form, weil er Liebeskummer hat. Dafür wird er bei seiner Zweitwahl genommen, der Allgemeinmedizin. Als Assistenzarzt, wo er Nachtschichten in der Notaufnahme übernimmt, fällt ihm das große gegenseitige Unverständnis zwischen dem medizinischen Personal und den Patienten auf. Das bringt ihn schließlich auf eine Idee: Die beiden Gruppen einander begegnen und sich versöhnen zulassen, mithilfe eines Blogs, in dem er anekdotisch Szenen aus dem Leben im Krankenhaus erzählt, die er entweder selbst erlebt hat oder von denen ihm berichtet wurde. Es ist November 2012, und das Leben von Baptiste Beaulieu wird sich kurz darauf sehr verändern.
Der Blog wird mit einem Preis ausgezeichnet, woraufhin die Journalistin Sandrine Blanchard auf ihn aufmerksam wird und dem »zugleich lustigen und tragischen Kleinod der Menschenliebe« im Januar 2013 einen Artikel widmet.
Alexandrine Duhin, Programmleiterin für Literatur bei Fayard, liest den Artikel, schaut sich »Alors voilà« an und ist sofort begeistert von »der sprachlichen Qualität, der großen erzählerischen Begabung und dem romanhaften Charakter der Texte«. Noch am selben Tag trifft sie sich mit Baptiste Beaulieu.
Obwohl er später noch von weiteren Verlagen kontaktiert wird, unterzeichnet er schon bald den Vertrag mit Fayard für »Leben ist nicht schwer«, den Roman, der aus dem Blog enstehen wird. Damals ist er fast fertig mit seiner Doktorarbeit (über die Mikroflora), als die Uni bei ihm anruft. Auch dort interessiert man sich für seine Arbeit an den Beziehungen zwischen dem medizinischen Personal und den Patienten und überredet ihn, das Thema seiner Doktorarbeit zu ändern.

Gratis-Umarmung

Seither sind zwei weitere Romane erschienen, Die Taxifahrerin, die das Glück brachte (2017 in deutscher Übersetzung erschienen), und La Ballade de l’enfant gris (Mazarine, 2016, bisher nicht auf Deutsch erschienen). Zwei weitere »Kleinode der Menschenliebe«, mit der so seltenen Fähigkeit, uns zugleich zum Lachen, zum Weinen und zum Nachdenken zu bringen. Seine Bücher wurden bereits in rund fünfzehn Sprachen übersetzt. Wenn Baptiste Beaulieu für eine Lesung in einer Buchhandlung zu Gast ist, strömen seine Fans herbei, um ihn kennenzulernen und sich einen ›free hug‹, eine Gratis-Umarmung bei ihm abzuholen – die körperliche Nähe scheint wie eine Verlängerung der Nähe, die aus seinen Büchern spricht und sie so berührend macht. »Dieser Autor spricht seinen Lesern oftmals aus der Seele, weil er für das, was sie fühlen, so poetische und menschliche Worte findet«, betont Alexandrine Duhin. »Er ist eine Person, die den Anderen und der Welt gegenüber extrem sensibel ist – und das ist bei ihm keine Pose, sondern schlicht eine Gegebenheit.«
So ist der Roman »La Ballade de l’enfant gris« nach dem Tod eines kleinen Patienten entstanden, nach dem er am Boden zerstört war. So sehr, dass er damals sein Studium unterbrach und nach Rom und Jerusalem reiste, um dem dringenden Bedürfnis zu folgen, »bis zum Umfallen zu feiern«.
Ob er damals daran gedacht hat, den Beruf zu wechseln? »Die Frage war nicht so sehr, ob ich mein Medizinstudium fortsetzen wollte, sondern ob ich überhaupt weiterleben wollte«, sagt er. Die Geheimnisse, die den Tod umgeben, sind eines seiner wiederkehrenden Themen, genauso wie die Härte des menschlichen Daseins. Im Alltag und in den sozialen Netzwerken zeigt er sich zunehmend kämpferisch, für die Sache der Frauen, gegen Diskriminierung, gegen Mobbing am Arbeitsplatz…

»Je älter ich werde, umso wütender werde ich.«

»Je älter ich werde, umso wütender werde ich«, bestätigt er. »Wenn ich mitbekomme, dass ein Arzt rechts wählt, dann frage ich ihn, wie er denen seine Stimme geben kann, die die Lebensumstände unserer Patienten verschlechtern wollen. Das ist, als würde man jemanden mit Verbrennungen behandeln, nachdem man dem Pyromanen ein Streichholz gegeben hat.«
Sein wichtigstes Thema aber bleibt der Kampf gegen Homophobie, ein Einsatz, der mit seinen persönlichen Erfahrungen zu tun hat. Nachdem er wiederholt angegriffen wurde, weil er mit einem jungen Mann Hand in Hand unterwegs war, während ihm das niemals mit einem Mädchen passiert ist, wurde ihm klar, dass  sich fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung auf diese Weise durch seine sexuelle Orientierung ›gekränkt‹ fühlen. »Junge Schwule haben ein siebenfach erhöhtes Selbstmordrisiko, und ich habe den Eindruck, dass das allen egal ist. Das Schlimmste aber ist das, was die Welt den Transgendern antut, das ist einfach unverzeihlich«. Standpunkte, die ihrerseits ebenfalls heftige Reaktionen hervorrufen.
»Was ich an Bap so faszinierend finde, ist seine wohlmeinende, fast schon naive Seite, während er zugleich jemand ist, der sich unglaublich stark für Sachen einsetzt. Er kann von einem Moment auf den anderen auf die Barrikaden gehen, aber es geht dabei immer um Ideen, die er verteidigt«, fasst seine Freundin Marine Toro zusammen. »Er ist jemand, der sich ständig selbst hinterfragt und der das, was man ihm sagt, aufnimmt, um seine Weltsicht daraufhin zu überprüfen.«
Zur Zeit schreibt Baptiste Beaulieu an seinem vierten Buch. Im Gegensatz zu den drei vorherigen wird er es diesmal aber nicht ausschließlich auf dem Smartphone schreiben, weil er sich eine Sehnenentzündung an beiden Daumen zugezogen hat. Das Krankenhaus fehlt ihm mehr und mehr, vor allem das Lachen der Krankenschwestern und Pfleger. Vielleicht wird er eines Tages dorthin zurückkehren. »Das Schönste, was ein Mensch sich zur Lebensaufgabe machen kann, ist, eine Verbindung zu schaffen«, sagt er. Dann ist er bereits auf einem sehr guten Weg.

Aus dem Französischen von Marlene Frucht

Die Taxifahrerin, die das Glück brachte

Der neue Roman von Baptiste Beaulieu »Die Taxifahrerin, die das Glück brachte« ist eine Hommage auf das Glücklichsein, eine Kampfansage an den Trübsinn!
Der junge Chirurg und Held dieses Romans verliert seine Frau an Krebs, und damit seinen Lebenswillen. Von seinem Selbstmord überzeugt, steigt er in ein Taxi, doch hat er nicht mit seiner Fahrerin gerechnet. Sara ist die schrulligste und außergewöhnlichste Taxifahrerin, die die Literatur zu bieten hat. Sofort spürt sie das Unglück des Chirurgen, und handelt mit ihm einen Pakt aus: Sieben Tage soll er mit ihr verbringen, dann könne er aufgeben. Der Arzt stimmt zu, ohne zu ahnen, dass diese Zeit sein Leben von Grund auf ändern wird…
Auf Saras Beifahrersitz entdecken wir die irrsinnig schönen Seiten des Lebens neu. Ihre Ausgelassenheit und uneingeschränkter Lebensoptimismus steckt nicht nur allmählich den Arzt, sondern auch uns Leser an. Ein Buch, das mit seiner französischen Leichtigkeit, Witz und Zuversicht beflügelt und Lust auf Leben macht.

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