Da hat man sich jahrelang zum Sklaven gemacht, um an diesem feinen, klugen, sensiblen Klotz herumzufeilen, nur damit er durch den Vergleich mit einem zweitrangigen »Song« beschmutzt wird, den die südkalifornische Version der Osmond Brothers auf dem Gewissen hat. Die ganze Zeit über hat man sich einsam und allein kasteit, alles nur, um zu schreiben. Und dann muss man vor die Öffentlichkeit. Jetzt soll man sogar noch darüber reden. Der Gipfel: die Lesereise.
Du triffst zum ersten Termin ein. Dein Verlag hat dich aus Versehen in einem exklusiven Hotel mit sensationellen Preisen untergebracht, man hat dich mit jemand anderem verwechselt. Es handelt sich um die Art von Hotel, wo jemand um elf Uhr an die Tür klopft und hereintritt, um das Bett aufzudecken. Das bist du nicht gewohnt. In der Hotelklasse, in der du normalerweise absteigst, hämmern sie um elf an deine Tür und brüllen: »Zeit läuft, Mann!«
Langsam beginnst du dich wohl zu fühlen. Mensch, aus dir ist ja doch noch ein richtiger Schriftsteller geworden. Du hast's geschafft. Wie ein Pfau im schwarzen Polohemd stolzierst du durch das Badezimmer, schraubst an den kleinen Plastikfläschchen mit Shampoo, Schuhcreme und Handbalsam herum. Du riechst daran, bis du halluzinierst. Der Raum bewegt sich und pulsiert wie in einem frühen Led-Zeppelin-Video. Der Kamm schwillt dir. Die ganze Arbeit war doch zu was nütze. Vielleicht solltest du hier schnell abhauen, solang es dir noch gut geht. Aber du kneifst nicht. Du machst einen Fehler: du gehst zu deiner Lesung.
Nie zuvor bist du je so hart auf den Boden der Tatsachen geknallt, wie im Buchladen dieser verregneten nordenglischen Stadt, wo sich das blasse, überarbeitete Personal über die Stühle verteilt, um Masse vorzutäuschen.
Wenn du Glück hast, tauchen dreißig Leute zu deiner Lesung auf. Vielleicht kommen sogar ganze zehn, nur um dir zu lauschen und nachher, Wunder über Wunder, dein Buch zu kaufen. Die anderen zehn werden noch vor der Lesung auf dich zuschlurfen und dir frank und frei erklären, dass sie dein letztes Buch gelesen haben und es für einen Haufen Hundescheiße halten, dass sie selbst alle viel interessantere Bücher in der Mache haben und dass sie dein Buch nicht mal kaufen würden, wenn du mit einer Kalaschnikow auf ihre Unterhosen zielst, um Kontertenöre aus ihnen zu machen. Von den übrigen Gästen sind vier entfernte Cousins, die in diesem gottverlassenen Nest wohnen und unter Stöhnen und Murren und der Drohung, sie öffentlich zu enterben, zu dieser Veranstaltung gepresst worden sind. Du hast sie nicht wiedergesehen, seit du sieben bist und sie in den Schwitzkasten genommen hast, weil sie meinten, deine Mutter hätte einen Schnurrbart. Zwei fortgeschrittene Studenten der englischen Philologie werden in der letzten Reihe hocken und sich laut und vernehmlich Sentenzen aus den gesammelten Werken von Michel Foucault zuflüstern. Und mindestens ein liebenswerter Schizophrener wird reinwanken, gelockt von dem gratis Glas Wein und der matschigen Wurstsemmel.
Ein paar Minuten lang stehst du herum und bist nervös. Du versuchst dich in Small Talk mit dem Buchhändler und seiner Crew. Bist du ein Ire so wie ich, steuert die Konversation unvermeidlich darauf zu, wie gut sich Roddy Doyle verkauft. »Ach Gottchen«, der Ladeninhaber lacht, »Roddy Doyle war im Mai hier gewesen und die Leute sind die Regale hochgeklettert. Wir mussten 300 nach Hause schicken.« Du schwitzt wie ein nasser Schwamm. Du süffelst an deinem warmen Bier. Du zündest dir ein Zigarette an, hast wohl vergessen, dass du in einem Buchladen bist und gar nicht rauchen darfst. Du lässt die Kippe in eine leere Bierflasche verschwinden. Ein paar Minuten später nimmst du einen großen Zug aus der Flasche. Du schmetterst den Schluck Kippe über die Kasse.
Keiner hat ein Taschentuch. Gedankenverloren reißt du Seiten aus einem Buch, dick wie die Bibel. Als alles aufgewischt ist, seufzt der Buchhändler und meint, es wären bestimmt mehr Leute gekommen, gäbe es nicht das Fußballspiel oder das Wetter oder diese Jahreszeit. Aber eigentlich will er damit nur sagen, dass viel mehr Leute da wären, wenn du Roddy Doyle wärst. Du merkst, wie die Leute erst dich anstarren, dann das Poster von dir in Lebensgröße, das man mit Tesafilm hinter das wackelige Podium, auf dem du lesen wirst, gehängt hat. Auf dem Foto bist du schlank, lachst entspannt, bist geputzt und gestriegelt und dann noch mit Airbrush überarbeitet, damit ja nichts schiefgeht. Im wirklichen Leben neigst du zu Übergewicht, du bist müde, abgespannt, durcheinander und grinst wie der nächste Kunde beim Hirndoktor. Beim Rasieren hast du dich geschnitten und nun pendelt ein Fetzen rotes Klopapier an deinem Kinn. Du kamst mit der Hosenpresse im Hotel nicht klar und so wirken deine Beinkleider, als hättest du es noch zu einer heißen Nummer gebracht, ohne die Hose abzustreifen. Der Buchhändler stellt dich vor. »Joe liest aus seinem neuen Roman ›Desperados‹.« Er grinst breit. »Hoffe, alle Eagles-Fans haben hergefunden.« Du erhebst dich und fängst an zu lesen.
Die Kasse blinkt und piepst während der ganzen Lesung. Alle Witze, an denen du so lange herumgebosselt hast, verpuffen. Wie um das zu kompensieren, lachen die Leute bei den traurigen Passagen so laut, dass du meinst, sie würden gleich platzen. Dann, als du gerade an die treffliche Stelle kommst, wo die Großmutter stirbt und dabei die süße kleine Puppe im Arm hält, die das Waisenkind ihr gegeben hatte, steht der Schizo auf, lässt die Hose runter und fängt damit an, dass die Regierung ihn verfolgt, dabei masturbiert er mächtig los. Du schaust auf und siehst, dass der Buchhändler auf eine Lippe beißt. Auf die eigene, nicht auf die vom Schizo. Ist doch klar.
Du bist fertig und setzt dich unter dem tosenden Tröpfeln des Applauses nieder. Jetzt kommt das Schlimmste. Der Ladeninhaber sagt, es bliebe noch Zeit für Fragen. Völliges Schweigen. »Bitte«, drängt er, »seien Sie doch nicht so schüchtern.« Hüsteln. Nervöses Gekicher. Ein durchdringender Furz vom zweiten Cousin. Wieder Schweigen.
Zurück im Hotel isst du alle Erdnüsse aus der Minibar. Du wirst unglaublich durstig, jetzt wird getrunken. Du fällst ins Koma, kommst auf dem Badezimmerboden wieder zu dir und singst: »Gott, knall mich als Elfer ins große Lebenstor«, im Mund hast du das Fläschchen mit der Bodylotion und auf dem Kopf die Einweg-Plastikduschhaube. Der Hotelmanager klopft an die Tür und fragt, was das für ein Aufruhr sei. Du lädst ihn auf ein Glas ein. Er ist sauer. Er sagt, du sollst sofort abreisen. Du klammerst dich an sein Jackett und erklärst ihm: »You can check out any time you like, but you can never leave.«
Aus dem Englischen von Hans Jürgen Balmes

Die wilde Ballade vom lauten Leben
Robbie und Fran kennen sich seit der Schule. Sie hängen rum, machen Musik und gründen eine Band, The Ships. Als sie von einer wenig glamourösen Tour durch die Collegebühnen der USA zurückkehren, verändert eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter alles. Auf den kometenhaften Aufstieg folgt ein bitterer Fall, der die Band auseinanderreißt und den Gitarristen Robbie zu Boden ringt. Jahre später berühren sich die Lebengeschichten der vier Bandmitglieder zu einem finalen Comeback.