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ein Essay, nicht wahr?
Ein Text in Dur? Ein petit poème en prose? Bau der M a u- und Bau der L e i er scheinen eins zu sein, und so ist auch der Text beides: Klang und Mauer. Texten heißt Mauern, und wenn Ton und Klang sich ändern – paradoxerweise dann, wenn die Dichtung staatstragend wird –, erzittert die Textmauer, die Sprache in ihren Grundfesten, stürzt auf den Dichter, der zu einem weiteren Knochen unter seiner eigenen oder der nächsten Mauer werden kann. Ganz unvermerkt sind wir plötzlich aus Theben nach China gelangt. Allegorische Bewegung von Mauern.
lesen im gespannten Fragemodus, praktisch von Anfang an, dabei schien mir der Titel zunächst offenkundig, kleine Lautverschiebung von 'mau' nach 'lei', obwohl: wieso 'Leier'?, aber schon die ersten angeschlagenen Töne dann doch verdächtiger als das, antikisierend in Metrum und Thema, während da ein täuschender Textblock steht, und der mythische Plot überhaupt: Göttersohn Amphion und seine instrumententechnische Verbesserung der Leier, die die Halbtonschritte einer Dur-ähnlichen Tonleiter hörbar macht, zupackend-aufbauende Klänge, die die Steine nicht zum Weinen bringen wie die orphische Lyra, sondern zu einer sich selbst zusammenfügenden Festungsmauer; die Engführung von Steinen (Tönen) 'aus allen Spalten der Welt' im Algorithmus – kurze Erinnerung daran, dass Musik und Mathematik in (nicht nur) den griechischen Entdeckungen der Vernunft engste philosophische wie rituelle Beziehungen unterhielten –, die merkwürdig gezwungene Überleitung in die Zwangskrümmungen staatlicher Wehranlagen (Abb. 'Lyra, Leier'), und allmählich frage ich mich, wessen Sätze das eigentlich sind, die inzwischen auch die antike Skansion verloren haben und sich eines kulturgeschichtlichen Abhandlungsduktus bedienen; aber passen denn die Satzanschlüsse, stimmen sie noch von Zeile zu Zeile? 'Agenten, Mitläufer, Amtsschimmel -, wuschen / die Knochen derer dort eingesetzt, die beim Bauvorhaben“, oder sind das Schnittkanten, manche fast unsichtbar, andere klaffender? Und was im Textverlauf gerade noch gravitätisch ökonomische Thesen wie aus dem 19. Jahrhundert vorträgt, kennt in der nächsten Zeile die Kybernetik und wirft einen nicht allzufreundlichen Blick auf den Dichter eines 'Singsang[s] seiner Staatskunst'. Und dann erst das kindische Lachen der Prospektoren … – so umständlich also steige ich unzulänglichen Paraphrasen und Deutungen hinterher, wenn ich sie tatsächlich in eine Art Essay zu übersetzen versuchte, und wieviel klüger und dichter tut das dieser Text als Dur-Gedicht –

