Die Evolution des Urheberrechts
Wir alle sind Verbrecher des Urheberrechts. Und wenn nur ein einzelner behauptet, niemals einen nicht bezahlten Titel konsumiert zu haben, ist er für mich der heilige digitale Messias. Deswegen muss Medienkompetenz in meinen Augen vollkommen neu definiert werden. Es muss ein anderes Verständnis des Gesamtsystems entstehen. Die Menschen können ihre Kreativität leben. Klassische Kreative (Musiker beispielsweise) beobachten derweil, wie die bestehenden Wertschöpfungsmodelle aufweichen. Digitale Supermächte und die viel beschworene neue Spezies des ‘Pro-Sumenten’ beanspruchen ihr Stück vom Kuchen.
Der Künstler von heute vermarktet sich selbst und versteht sich als Unternehmer.
Mitten in diesem Gewirr steht – fast schon verloren – ein Relikt aus alten Tagen namens GEMA. Dieser Dinosaurier kann nicht nur der rasanten Entwicklung nicht folgen, ihm fehlen auch die Informationen über die tatsächliche Nutzung von Musik. Big Data, Daten-Analyse, Web-Techniken, Transparenz? Hier leider Fehlanzeige. Denn die alten Strukturen denken eher in geschlossenen Systemen. Man hält sich an alten Traditionen fest (siehe auch Media-Control). Die Künstler werden zumeist nicht gehört, zum Teil auch schlichtweg unvermögend erzogen.
Wenn man heute komplette Wertschöpfungs-Möglichkeiten im Social Web abbilden würde, so hätte man die Kontrolle verloren und somit wäre Musik grundsätzlich frei. Also das Gegenteil von dem, was die GEMA verlangt. Dabei brauchen wir doch so dringend eine Annäherung des Urheberrechts an gesellschaftliche Realitäten und Rahmenbedingungen, die sowohl den Bedürfnissen der Nutzer als auch denen der Künstler angemessen sind. Was dabei nicht funktionieren kann und nicht sein darf sind überhöhte Abmahnungen, überzogene Überwachung und Datensicherung in Verdachtsfällen oder gar eine ‘Web-Verbannung’ (Stichwort Three Strikes Modell). Meiner Ansicht nach reine Verzweiflungs-Vorschläge, die in die vollkommen falsche Richtung laufen. Systeme müssen sich öffnen statt zu kriminalisieren.
Könnte Google die neue GEMA sein?
Urheberrecht muss heute weit über Gesetze (und Landesgrenzen) hinaus gehen, dazu werden Technik und Analyse-Tools benötigt. Die GEMA verfügt aber nicht über diese Tools, und schon gar nicht über eine globale Reichweite. Aus diesem Grund wäre Google aus meiner Sicht eine ideale Verwaltungsinstanz für Lizenzen – der Gigant hat die nötige Technik und Infrastruktur um eine höchste Stufe der öffentlichen Transparenz zu schaffen.
Das Urheberrecht erlebt eine Evolution, das geschlossene System einen Kontrollverlust – währenddessen entstehen minütlich neue Geschäftsmodelle rund um digitale Güter. Wie aber sieht die Lösung aus? Der Künstler von heute sollte aufstehen und für seine digitale Selbstbestimmung kämpfen, selbstbewusst sein und sich als Unternehmer verstehen. Die Aufgabe der Politik ist derweil, ein höchst flexibles System zu kreieren, womöglich in Kooperation mit globalen Unternehmen. Hier darf die Politik nicht versagen!
Egal wie es ausgeht, die GEMA hat ein Problem. Und dieses ist nicht so einfach wegzudiskutieren. Ich sehe die Urheberrechts-Schützer hier ganz klar in der Position, zeitnah eine gangbare Lösung präsentieren zu müssen. Schließlich sollte es uns allen am Herzen liegen, dass das Urheberrecht zukunftsfähig bleibt. Menschen sollen und müssen von ihrem kreativen Schaffen leben können. Das geht nur in einem Klima der Offenheit und durch einen radikalen System-Wandel.