Entscheidung im Nebel
In vier Wochen wird über die dritte Reform der Unternehmenssteuern (USR III) abgestimmt. Sie ist nötig geworden, weil die bisher praktizierte Privilegierung internationaler Holdinggesellschaften von der EU und der OECD nicht mehr toleriert wird. Es müssen also künftig alle Unternehmen gleich besteuert werden. Und um nicht den Wegzug der bisher Bevorteilten zu riskieren, müsse nun, so die Argumentation der Befürworter, die Besteuerung aller auf ein international konkurrenzfähiges Niveau gesenkt werden.
Es ist eine Entscheidung im dichten Nebel. Man kann nicht wissen, wo die Steuer-Schmerzgrenze der Holdings liegt, und es existieren keine umfassenden Berechnungen der zu erwartenden Steuerausfälle. Die USR II von 2008 ist in übler Erinnerung: Damals wurde das Stimmvolk in der amtlichen Abstimmungsinformation mit den um ein Mehrfaches zu tief veranschlagten Ausfällen so krass getäuscht, dass es hinterher eine scharfe Rüge des Bundesgerichts absetzte.
Auch diesmal kalkulieren Regierung und Parlamentsmehrheit die Steuerausfälle lieber abstimmungstaktisch als realistisch. Zudem würde die Abwärtsspirale kaum mit der USR III enden. Diese enthält nämlich mit den Patentboxen und zinsbereinigten Gewinnsteuern zwei neue Schlaumeiereien, mit denen sich die Schweiz gleich nochmals ins Schussfeld begibt. Es helfe alles nichts, sagen die Befürworter. Man müsse jetzt um jeden Preis „die Wirtschaft“ und damit Arbeitsplätze in der Schweiz halten. Die Interessen der hoch mobilen Holdings seien auch die der Schweiz.
Für eine politische Urteilsfindung zur USR III empfiehlt es sich, diese These auseinanderzunehmen. Es geht hier nämlich nicht um „die Wirtschaft“. Der Druck auf die Unternehmenssteuern kommt von Multis, die sich der Besteuerung an ihren Produktionsstandorten in grossem Ausmass entziehen und einen weltweiten Tiefsteuerwettbewerb entfachen. Treibende Kräfte sind Aktionariate, die grossenteils aus undurchsichtigen Finanzkonstrukten bestehen. Deren Kapital wird auf der Suche nach höchstmöglichen Renditen computergesteuert um den Globus gejagt.
Als Folge der nicht gegenfinanzierten USR III müsste die Sparpolitik auf allen Ebenen verschärft werden. Absehbare Folgen sind höhere Einkommenssteuern bei Privatpersonen und tiefe Einschnitte in wichtigen Bereichen staatlicher Leistungen: Bildung, Infrastruktur, Solidarbeiträge aller Art, öffentliche Einrichtungen, Sicherheit.
Die Schweiz muss die nötigen Mittel haben, um ein attraktives Land zu bleiben – auch für multinationale Konzerne. Nicht für alle von ihnen hängt dies ausschliesslich an der Höhe der Steuern. Eine Unternehmenssteuerreform braucht es. Aber nicht in dieser Form, wie sie jetzt zur Entscheidung vorliegt.
JA zur Unternehmenssteuerrfirm III
Die Schweiz ist im internationalen Wettbewerb ein Hochpreisland (Löhne, Dienstleistungen, Mieten), welches diesen Wettbewerbsnachteil bisher mit Steuervorteilen wett machte. Dabei soll es auch bleiben. Die Schweiz hat dem Druck des internationalen "Steuerkartells" nachgegeben und will bisherige Wettbewerbsvorteile abschaffen. Deshalb muss sie zum Ausgleich neue zur Verfügung stellen. Darum geht es. Man kann nicht "den Fünfer und das Weggli" haben.
Sicher Herr Stampfli, die Steuerreform III hilft den Grossunternehmen wieder einmal, den Füfer und das Weggli zu bekommen. Zahlen tun wir dann mit höheren Steuern für die gewöhnlichen Leute und Sparmassnahmen für die, die ohnehin nichts haben.
Doch doch, Herr Stampfli: "Fünfer und Weggli" geht problemlos. Mit der USR III für Grossaktionäre nämlich - und zwar so: Zuerst leistungsfrei von Unternehmensgewinnen aus ererbten Aktien auf der faulen Haut liegen (wie die 16% Sika-Erben und andere). Das wäre dann der Fünfer. Dann dank USR III bis zu 80 Prozent dieser Profite steuerfrei abkassieren. Hier kommt schon das Weggli. Die Infrastruktur (Strassen, Schulen, Sicherheit usw.) unseres Landes dann aber dennoch kräftig benutzen – zahlen sollen es doch die Lohnabhängigen, die jeden ihrer hart erarbeiteten Franken versteuern müssen. Das wäre dann noch der Anken auf dem Weggli – oder wie die Welschen schön sagen "le beurre - et l' argent du beurre". Fazit: Wer zu dieser kleinen Fünfer-und-Weggli-Minderheit gehört, der oder die stimmt ja. Nikalus Ramseyer, BERN
Steuern sind immer Zwangsabgaben.
Darum weltweit alle Steuern durch Lenkungsabgaben ersetzen.
Und damit weltweit allen Menschen ein Grundeinkommen zahlen.
Kurzfristig sind mit Steuersenkungen für den grössten Teil der KMU sicher Einnahmenverluste des Staates verbunden. Wie die Rechnung langfristig aussieht, steht in den Sternen. Falls die Margen für die Unternehmen zu knapp werden, können diese immer noch durch Lohnanpassungen reagieren. Auszugsdrohungen sind zwar abstimmungspolitisch wirksam, ihre Realisierung im grossen Stil ist jedoch eher unwahrscheinlich.
Sehr gute Darstellung! Danke. Diese "Reform" ist einmal mehr auf massiven Druck der Brüssel-EU und jener internationalen Organisationen zustande gekommen, die (gegen die Interessen der meist hart arbeitenden Bevölkerung) fast nur den globalen Spekulanten und Finanzkonglomeraten zudienen. Das wäre schon Grund genug, NEIN zu stimmen. Wie weit die Mehrheiten im Bundesrat und unseres Parlamentes im Dienste dieser kleinen Minderheiten von internationalen Profiteuren zu gehen bereit sind, zeigt indes ein Blick ins "Bundesbüchlein" zur Abstimmung vom 12. Februar. "Für Forschung und Entwicklung kann mehr als der tatsächliche Aufwand abgezogen werden (vom steuerbaren Gewinn)", steht da etwa auf Seite 32. Und zwar bis zu 150%. Das wäre etwa so, wie wenn wir ehrlichen Steuerzahler (mit "automatischem Informationsaustausch" via Lohnausweis) die faktisch mit Belegen ausgewiesenen Abzüge für Arztrechnungen oder Reisekosten kurzerhand um das Anderthalbfache erhöhen dürften. Konkret: Belege für Arztkosten von SFr. 3258.- der Steuererklärung beilegen. Und dann flugs gleich 150% davon, also 4887 Franken beim Einkommen abziehen! Jede Steuerverwaltung würde sich ob diesem frechen Ansinnen totlachen - und die Steuererklärung postwendend zurückschicken. Doch siehe da: Mit der total ungerechten USR III würde derlei grober Unfug in Artikel 25a zwecks Bevorzugung der globaler Grossaktionäre zum Gesetz.
Darum gilt erst recht: "USR drei? Ganz sicher NEI!"
Niklaus Ramseyer, Bern
Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf!
Die Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform II war ein demokratisches Debakel, weil wir Bürger in der Abstimmungsbroschüre von Bundesrat Merz in einer Weise hinters Licht geführt wurden, die als arglistige Täuschung bezeichnet werden kann. Diese Abstimmung hätte meines Erachtens wiederholt werden müssen. Und nun stimmen wir wieder über eine Unternehmenssteuerreform ab, die erneut Milliarden an Steuersubstrat kosten wird. Die bürgerlichen Politiker als Adlaten der Hochfinanz und der Multis schwören uns wieder darauf ein, die USR III anzunehmen, ansonsten ein Exodus der Unternehmen bevorstehe und Arbeitsplätze verloren gingen. Die Schweiz gehört schon jetzt für Konzerne zu den steuergünstigsten Ländern. Eine weitere steuerliche Entlastung der Konzerne ist dem Gemeinsinn absolut abträglich und hat nur noch mit feudalherrschaftlichen Machtinteressen einer geldgierigen Elite zu tun. Wer gewinnt bei einem Ja für die USRIII: Die Aktionäre. Als Verlierer stünde der Mittelstand da, dessen Steuerbelastung zunehmen würde. Und das Gemeinwesen käme massiv unter Druck, was für die Solidarität des Landes nichts Gutes bedeuten würde. Die USRIII muss abgelehnt werden, wenn man verhindern will, dass auch in der Schweiz das Gefälle zwischen Mittelstand und Superreichen nicht noch grösser wird.
Vielleicht fallen wir nach der Unternehmenssteuerreform II auch noch auf die USR III herein? Bundesrat Merz hat den Stimmbūrgern erfolgreich die USR II verkauft; mōglicherweise lāsst sich Stimmbūrgerinnen und Stimmbūrgern mit geschicktem Marketing auch noch die URS III verkaufen? Wir werden abstimmen und sehen!
Sie kommentieren ein wenig hart, Herr Hofstetter, aber grundsätzlich liegen Sie schon richtig. Und was man bei der ganzen Diskussion immer vergisst, ist noch dies: Die Steuerbelastung einer Unternehmung ist ein Faktor unter vielen, welche bei einer Standortwahl beachtet werden. Zum Beispiel sind stabile Verhältnisse und Rechtssicherheit Faktoren, welche mindestens ebenso schwer wiegen...
Herr Hofstetter, Ihr Erachten ist Match entscheidend.