Heisse Auslegeordnung

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Heisse Auslegeordnung

Von Christoph Zollinger, 30.04.2016

Es braucht einen Paradigmawechsel. Der Klimavertrag von Paris besteht nur aus Worten und formulierten Absichten. Jetzt müssen Taten folgen, weltweit.

Der Klimagipfel Paris vom Dezember 2015 verspricht Ermutigendes und Historisches: eine friedliche Revolution, nichts weniger. Das Generationenprojekt beginnt heute, mit uns. Bisheriges Denken und Handeln war ungenügend. Es braucht Wahrnehmen, Wissen, Wollen, Wandel und Weichenstellungen auf allen Stufen.

Veränderte Wahrnehmung

Wenn 195 Länder – die Gemeinschaft aller Staaten – dem neuen Klimavertrag zugestimmt haben, ist damit eine bemerkenswerte Allianz entstanden. Nach dem Debakel von Kopenhagen (2009) konnte die Spaltung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern überwunden werden. Reiche und Arme sollen fortan ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die gemeinsame Verpflichtung: die globale Erwärmung unter zwei Grad zu halten, ja, ein 1,5-Grad-Ziel anzustreben. Dazu sollen die nationalen Klimaziele überprüft und nachgebessert werden.

Im neuen Klimavertrag setzen die Regierungen jetzt die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen – doch mit Leben füllen müssen das neue Entwicklungsmodell alle: Unternehmen, Investoren, Zivilgesellschaft, die nationale und lokale Politik.

Im Klartext: auch an unserem Wohnort, in allen Kantonen, in der Schweiz, in Europa, weltweit ist es Aufgabe der Menschen (nicht nur der Politik), zu akzeptieren, dass die neue, klimafreundlichere Welt nur gelingen wird, wenn die versprochenen Massnahmen durchgezogen werden. Die persönliche Wahrnehmung, dass ein generationenübergreifendes Massnahmenpaket in Gang gesetzt wurde, das nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist, diese Wahrnehmung ist Voraussetzung.

Der aktuelle Wissensstand

Dass der Klimawandel Tatsache ist, dass er hauptsächlich menschenverursacht und überaus gefährlich ist, das ist allen Ernstes nicht mehr abzustreiten. Die Beweise und Datensammlungen tausender Wissenschaftler rund um den Globus sind mittlerweile fast weltweit akzeptierte Fakts. Das heisseste Jahr seit Messbeginn 1880 war 2015. Der neue Hitzerekord übertraf jenen aus … 2014. Seit dem Beginn des neuen Jahrtausends war jedes Jahr wärmer als jedes einzelne vor 1998.

Das Eis der Arktis und unsere Gletscher schwinden, der Permafrost in unseren Bergen taut auf und der Tourismus dort oben leidet auch diesen Winter: schneearm wird zur Norm. Seit der Industrialisierung hat sich der Gehalt von CO2 in der Luft um 43 Prozent erhöht, weil der Mensch zunehmend Treibhausgase aus Kraftwerken, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft freisetzt.

Wer will, kapiert das. Wer nicht will, lesen Sie bitte trotzdem weiter.

Nichts wissen wollen

Während Jahren wurden immer wieder Zweifel an diesen wissenschaftlichen Tatsachen laut und in vielen Medien transportiert. Klar und deutlich schreibt der Economist dazu: „People’s views on climate change go hand in hand with their politics“. Menschen machen ihre Meinung über den Klimawandel aufgrund ihrer politischen Einstellung, wird erklärt, bezogen auf die USA. Diese Theorie ist wohl nicht ganz abwegig und nicht nur für die USA gültig?

Schon vor sechs Jahren hat Naomi Oreskes, Wissenschaftshistorikerin an der Harvard-Universität in ihrem Buch „Merchants of Doubt“ minutiös nachgewiesen, wie eine Handvoll Wissenschaftler in den USA während Jahrzehnten die Wahrheit über Themen wie Gefährlichkeit des Rauchens, Ozonloch und Klimawandel pseudowissenschaftlich bekämpften. „They were not interested in finding facts. They were interested in fighting them.“ Kurz und bündig: sie verkauften Zweifel und bekämpften Fakten. Während vier Jahrzehnten streuten sie gezielt Zweifel an diesen Umweltgefahren, finanziert von der Tabak-, Öl- und Kohleindustrie und konservativen Stiftungen.

Heute stellen wir fest, dass immer noch Leute wie Donald Trump, US-Präsidentschaftskandidat, Milliardär und Ideologe, in diese Kerbe hauen und ihre populistischen Behauptungen nur zu oft auf fruchtbaren Boden fallen. Rückschauend auf den letztlich dennoch erfolgreichen Kampf gegen die Tabakindustrie meinte Oreskes in einem Gespräch in Davos: „es hat 50 Jahre und Millionen von Toten gebraucht. So viel Zeit haben wir beim Klimawandel nicht“ (TA).

Notwendig: gesellschaftlicher Wandel

Auch wenn wir uns bewusst sind, dass das Pariser Abkommen wohl das Klima nicht wird stabilisieren können, so ist es doch denkbar, dass diese Anstrengungen sehr viel Positives bewirken werden. Eine wichtige Rolle dabei spielt das private Kapital: wie und wo es in Zukunft investiert wird.

Einflussreiche Investoren-Initiativen haben sich z.B. bereits auf einer gemeinsamen Globalen Investoren Plattform zusammengefunden (http://investorsonclimatechange.org/statement/). Sie wollen den notwendigen Denkwandel mit gezielten Investitionen unterstützen und dabei Geld verdienen. Eine andere Initiative, die Globale Business Plattform hat sich zu einer weltweiten Business-Koalition vereinigt (http://wemeanbusinesscoalition.org/). Diese Unternehmen aus der ganzen Welt haben sich zum Ziel gesetzt, die kohlenstoffarme Bewegung Kick-Start durch die Festlegung ehrgeiziger Ziele, Reporting-Emissionen und kohlenstoffarme Investitionen zu unterstützen. Nicht als Gutmenschen, sondern als professionelle, verantwortungsbewusste Investoren.

Der gesellschaftliche Wandel in der Rezeption der Gefahren des Klimawandels scheint in Gang gekommen zu sein. Wer will, kann sich jederzeit kompetent dazu informieren über das „Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)“, dem führenden internationalen Gremium für die Bewertung des Klimawandels. Der Schweizer Thomas Stocker ist seit 2008 Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe, welche die Berichte des Weltklimarates ausarbeiten. Daneben leitet Stocker seit 1993 die Abteilung für Klima- und Umweltphysik des Physikalischen Instituts der Universität Bern. Er orientiert sachlich und ist verlässlich als persönlicher Wegweiser für Unentschlossene.

Wichtige Weichenstellungen

Einfach wird es nicht werden. Auf einen kurzen Nenner gebracht, wurde in Paris neben dem oben erwähnten u.a. beschlossen, dass „so schnell wie möglich“ Treibhausgase neutralisiert werden sollen (Gleichgewischt zwischen Ausstoss von Treibhausgasen und deren Absorption). Um das zu erreichen, müssen alle Staaten im Fünfjahresrhythmus neue, schärfere Abgasziele setzen. Zusätzlich sollen vom Klimawandel stark betroffene Länder Unterstützung erfahren: jährlich werden dafür ab 2020 von den alten Industriestaaten 100 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.

„Es gilt, den Kopf aus dem Sand zu ziehen! Klimafolgen sind schon längstens spürbar!“. Diese Botschaft ruft uns Andreas Fischlin, ETH-Professor am Institut für Biochemie und Schadstoffdynamik und IPCC-Vizevorsitzender der Arbeitsgruppe II zu. Ambitionierter Klimaschutz ist billig, laut Weltklimarat zum Preis von weniger als 0,06 Prozent des Wirtschaftswachstums (TA).

Dank immer leistungsfähigerer Computer und deren Datenauswertung sind die Klimaforscher davon überzeugt, dass eine kritische Erderwärmung nur verhindert werden kann, wenn eine radikale Abkehr von fossiler Energie gelingt. Unsre lieb gewordene Energieversorgung ist zu hinterfragen. Dazu braucht es Weitsicht und Langzeitdenken. (Immer schwerere, spritschluckende, PS-starke SUV und Pick-ups, der trendige Lifestyle-Import aus den USA, ignoriert beides. Entlarvend).

Auch wenn momentan die Hauptverursacher des Treibhauseffekts Erdöl und Kohle so billig zu haben sind, wie seit Jahren nicht mehr – ohne eine signifikante Erhöhung dieser Preise wird zu wenige passieren. Es ist jetzt der historisch einmalige Moment, mit gezielten Steuererhöhungen auf Benzin, Heizöl und Erdgas einzugreifen. Man sollte die Hoffnung auf eine weitsichtige Politik nicht zu früh aufgeben…

Ebenso wären staatliche Preisaufschläge für die Emission von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2),  also beim Handel mit Verschmutzungsrechten wären zielführend. Der Ökonom Ottmar Edenhofer meint dazu in der ZEIT: „Der höhere CO2-Preis fördert die regenerativen Technologien, bestraft Energieträger mit hohem CO2-Ausstoss und verschafft den Finanzministern neue Einnahmen“. Regierungen und vorausblickende Konzerne machen sich bereit für eine solche Zusatzabgabe.

Noch ist der Jubel zum Pariser Abkommen verfrüht. Doch weltweit steigt das Verständnis für das Gefahrenpotenzial der Klimaerwärmung. Das Generationenprojekt ist angestossen.

Klimavertrag: http://unfccc.int/resource/docs/2015/cop21/eng/I09r01.pdf
The Economist: Special Report CLIMATE CHANGE, November 28th 2015
Naomi Oreskes & Erik M. Conway: “Merchants of DOUBT”, 2010

Wir können gar nicht, wenn wir nicht wirklich wollen und einige sehr grosse Tabus brechen.
Es ist der Wachstumszwang in unserem aktuellen Wirtschaftssystem.
Wie sollen wir bescheidener und sparsamer leben, damit es dem Planeten besser geht, wenn dadurch unsere Wirtschaft zusammenbricht? Einfach weiter Vollgas, die einen konsumieren und die andern Gewinn maximieren, oder doch das System selber optimieren?
Wir müssen das komplette System des erzwungen Wachstums ändern.
Dafür braucht es ein neues Wirtschaftssystem ohne die permanente Ankurblung des Wachstums. Es braucht ein System wo ausschliesslich die Qualität gefördert wird. Und da gute Qualität effizienter als sinnloses konsumieren und Überproduzieren ist, wird damit weniger Konsum nötig und gleichzeitig mehr nachhaltige Lebensqualität abgedeckt. So wie wenig gutes, gesundes Essen, den Bedarf besser deckt und langfristig gesünder und zufriedener macht, anstatt dauernd möglichst viel Süsses reinzustopfen, damit man nicht merkt, dass man eigentlich nur etwas nahrhaftes essen müsste.
Die Ressourcenverschwendung ist die Auswirkung des Wachstumszwangs und der wiederum wird generiert von dem exponentiellem wachsen des Geldsystems.
Damit die Investitionen immer mehr Gewinnmaximierung erzielen, müssen die andern mehr verbrauchen und mehr Schulden machen.
Das BIP muss durch sinnvolle Parameter ersetzt werden. Gewinn, Umsatz und Verbrauch allein ist doch nicht gut!
Wir müssen diese ungebremsten Exponentialfunktionen mit einem Deckel versehen, sodass eine Nachahmung der Natur gegeben ist. In der Natur hat es praktisch jedes Ding am Anfang schwer zu wachsen, allmählich kommt das Wachstum in Fahrt, schiesst förmlich empor, aber oben flacht das Wachstum wieder ab und wird durch natürliche Grenzen gestoppt.
Dadurch entstehen natürliche Kreisläufe.
Stoppen wir den Wachstumszwang und dann können wir erst über Weltrettung ernsthaft nachdenken.
Beenden wir auch den Stress von der permanenten Konkurrenz in der Wirtschaft und dadurch erzwungene Beschleunigung.
Man kann praktisch alles gewinnbringend verkaufen. Nur Bescheidenheit und Verzicht, das wird in diesem System nicht Erfolg haben, also ändern wir das System!

Vogel Strauss, ich beneide dich!
Viele Länder wählen Autoritäten und suchen durch sie Schutz vor sich selbst. Unsere Wünsche garantieren Wiederwahlversprechen. Was soll`s! Wärme besteht aus Energie, heisse Köpfe auch und der Streit um CO2 wird dadurch immer streitbar bleiben. Verbrennung erzeugt nun mal Hitze, Wärme ist sympathisch, manchmal sogar nützlich, also ist Verlass auf uns, haben`s ja gerne warm! Wenn es dann abkippt das Klima, unumkehrbar wird, werden wir sie zur Rechenschaft ziehen. Schuldige werden gesucht aber Immunität wird sie vor unserer Wut schützen. Wie ich denke mit Recht, wir machen zu wenig Druck! Wiederwahlmöglichkeit nach gelungener Arbeit, nach erfülltem Versprechen wäre angesagt. Mit Preissteigerungen und neuen Steuern ist dem Klima nicht geholfen, erzeugt nur zusätzliche Armut und die Schere vergrössert sich. Wir müssen umdenken, radikal umdenken und eine neue Ära einleiten, so wie es Deutschland getan hat. Atomkraft ist auch keine Alternative, wegen Restrisiko das keins ist, ist ja eher nach dem GAU ein GMR d.h. grösstes mögliches Risiko alles zu verlieren, die Heimat, Hab und Gut und dazu als Draufgabe das Leben unserer Kinder und unser eigenes. Wir müssen alle miteinander die Wende beschliessen, eine neue Wende und die Mauer erneut einreissen, uns und unseren Kindern zu liebe. Eine schleichende Apokalypse hat längst begonnen. Weltweit 1600 Milliarden im Jahr für Militär? Wann erwachen wir? Metanoia, Metanoia, anders geht’s nicht auf Dauer!.. cathari

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