Höchststände an den Aktienmärkten – na und?

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Höchststände an den Aktienmärkten – na und?

Von Erwin Heri, 22.11.2013

In welcher Weise spiegeln Aktienindices die reale Wirtschaftsentwicklung? Ein paar Klarstellungen.

In den letzten zwei Jahren hat die Entwicklung verschiedener Aktienindices wieder einmal einen grossen Teil der Anlegergemeinde überrascht. An verschiedenen Orten schreiben wir historische Höchststände.

Trendhafte Zeitreihen

Und einmal mehr lecken die immer gleichen Katastrophen-Gurus ihre Wunden. Nicht weil die vorausgesagten Katastrophen nicht eingetroffen wären – da sind die meisten wahrscheinlich froh –, sondern weil, wenn sie denn ihren eigenen Aussagen trauen, nicht investiert waren - wenn sie denn überhaupt selber Geld verwalten.

Längerfristig orientierte Anleger und Investoren, die eine fundamentale und vielleicht auch historisch orientierte Sicht haben, sind etwas weniger erstaunt. Aktienindizes sind trendbehaftete Zeitreihen, die der langfristigen Entwicklung der Unternehmensgewinne nachstreben. Und trendbehaftete Zeitreihen erklimmen halt immer wieder neue Höchststände. Das ist an sich nicht besonders aufregend. Trotzdem reiben sich die Leute jeweils die Augen, wenn wieder einmal ein Zwischenhoch erreicht wird. Und sofort wird auch wieder orakelt, ob es das denn nun gewesen sei, oder ob wir weitere Gipfel erklimmen werden.

Chaotische Bilder

Der Grund für diese Unsicherheit ist einfach. Die ebenso regelmässig wie unerwartet einsetzenden Einbrüche lassen einen jeweils daran zweifeln, dass der langfristige Trend auch wirklich real und nachhaltig ist. Während nämlich die langfristigen Kursgrafiken von weitem betrachtet den Trend visuell bestätigen, zeigen sie von nahem – sprich über die kurzfristigen Perioden – ein chaotisches Bild. Das ist auch der Grund, weswegen immer wieder behauptet wird, die Börse hätte sich schon lange von der realen Wirtschaft abgekoppelt und würde ein Eigenleben führen, das traditioneller ökonomischer Analyse nicht zugänglich sei. Entsprechend solle man bei der Geldanlage auch nicht auf irgendwelche wirtschaftliche Regularitäten setzen, sondern die Opportunitäten dort ergreifen, wo sie sich bieten.

In der Tat zeigen auch ökonometrische Untersuchungen, dass der Beitrag fundamentaler Unternehmensdaten, beispielsweise aus der Rechnungslegung, zur Erklärung kurzfristiger Aktienkursentwicklungen eher gering ist. Deswegen ist es auch hier sinnvoll, sich auf die längerfristige Analyse zu konzentrieren. Im längerfristigen Bereich zeigen einschlägige Studien nämlich – untersucht werden hier die Entwicklungen über mehrere Jahre oder Jahrzehnte – dass der Verlauf der Aktienkurse durchaus das Wertschöpfungspotential der Unternehmen abbildet. Solche Horizonte spielen aber für Analysten und/oder Anleger, die den raschen Kick suchen oder auf einen kurzfristigen Hype setzen wollen, keine Rolle. Für diese bleibt die Entwicklung der Aktienkurse oft chaotisch und „abgehoben“.

Die Determinanten

Dies eröffnet zwei Fragenkomplexe: Zum einen denjenigen nach den Determinanten des langfristigen Trends und zum anderen denjenigen nach der Bedeutung der Unternehmensdaten im „kurzfristigen Chaos“. 

Der langfristige Trend, der uns die regelmässigen Börsenrekorde liefert, ist die einfachere der beiden Fragen. Er ist das Ergebnis des wirtschaftlichen Erfolges der letzten Jahrzehnte. Er repräsentiert die grundsätzlichen Fortschritte im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gefüge und die Innovationskraft der an diesem Prozess beteiligten Unternehmen. Wird sich diese Tendenz fortsetzen und uns irgendeinmal weitere Höchststände bringen?

Wer an die Phantasie und die Innovationskraft künftiger Generationen glaubt und der Meinung ist, dass die permanente Suche nach neuen Produkt- und Prozessmöglichkeiten erfolgreiche Unternehmen hervorbringt, zweifelt nicht an der längerfristigen Entwicklung. Kann man davon profitieren? Diejenigen, die begriffen haben, dass Aktien eine Langfristanlage sind, die einen Geduldshorizont von mindestens zehn Jahren verlangen, profitieren schon lange davon.

Volatile Erwartungen

Und das „kurzfristige Chaos“? Dieses hat damit zu tun, dass die Börsenkurse nicht das gegenwärtige Umfeld oder die gegenwärtigen Kennzahlen des Rechnungswesens abbilden, sondern nur die entsprechenden Erwartungen. Erwartungen über den Erfolg eines neuen Medikamentes, eines neuen Produktes, eines neuen Produktionsprozesses, etc. und die entsprechenden Erwartungen über deren Wirkung auf Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz.

Solche Erwartungen haben es an sich, selber sehr volatil zu sein und unvorhersehbar Enttäuschungen oder Euphorie hervorzubringen. Wenn die kurzfristige Aktienmarktdynamik aber von diesen Erwartungen getrieben wird, dann wird sie selber volatil und mag chaotisch aussehen. Damit hat sie sich aber noch lange nicht von den ökonomischen Gegebenheiten verabschiedet. Die Zusammenhänge sind einfach anders als oft dargestellt.

Dem Markt voraus sein

Und wie kann man davon profitieren? Nur dann, wenn man kurzfristig bessere Erwartungen bilden kann als „der Markt“, sprich, als alle anderen Mitkonkurrenten in diesem globalen „Spiel“. Es ist offensichtlich, dass dies nicht vielen systematisch gelingt. Da sich die Anleger auf der anderen Seite als Kollektiv auch nicht systematisch täuschen, werden erfolgreiche Unternehmen längerfristig den Index weiter nach oben treiben.

Wer aus den obigen Überlegungen schliesst, der Aktienindex müsste Ende Jahr höher notieren als heute, hat die Argumente nicht verstanden. Aber die heutigen Indexniveaus werden nicht der letzte Höchststand sein. 

Dieser Artikel ist reine Bullen-Propaganda, denn er spricht lediglich von den Firmen, nicht aber von den Staaten und den Haushalten. Der Crash 2008 war eine Folge einer Überschuldungskrise der Haushalte, die Baissen in 2010 und 2011 sind auf die Überschuldung gewisser Eurozone-Staaten zurückzuführen. Diese Probleme sind nicht verschwunden, ganz im Gegenteil, sie sind akuter denn je, aber die Bullen übersehen sie einfach. Und was die Vergangenheit betrifft: man muss nur lange genug zurückschauen und dann sieht man, dass es durchaus auch Bärenmärkte gibt, die Jahrzehnte dauern können. Und wenn man noch weiter zurückschaut, dann stellt man fest, dass auch Zivilisationen immer wieder verfallen. All das hat mit dem Schuldenzyklus und den durch ihn verursachten Zinseszins zu tun. Wenn immer mehr Geld in Umlauf kommt, ohne dass dafür gearbeitet und entsprechenden Reichtum geschaffen wird, dann entstehen Blasen, deren Platzen das systemisch zentrale Vertrauen vollkommen zerstören können.

"In welcher Weise spiegeln Aktienindices die reale Wirtschaftsentwicklung?" Ein paar persönliche Anmerkungen.

Jede messwertbasierte (indexbasierte) Analyse gilt es zunächst einer kritischen Prüfung der Messmethode zu unterziehen. Die grundlegendsten Fragen sind: Interagiert der Sensor mit dem System? Sind die Interaktionen von Sensor zu System messrelevant oder zu vernachlässigen? Lässt sich die Interaktion von Sensor zu System determinieren und lassen sich die Messwerte somit nachträglich bereinigen? Wo wird der Sensor platziert und lassen lokale Messwerte auf ein Gesamtsystem schliessen?

Im vorligenden Fall stellt sich daher bereits methodisch ein ganzer Fragenkatalog:
1. Punktuelle Messwerte
Ist die willkürliche Auswahl der indices-bestimmenden Aktien aussagekräftig bezüglich des gesamten Aktienhandels?
2. Interaktion von Sensor zu Sensor
Beeinflussen sich die verschiedenen Aktienindices gegenseitig?
Kann die gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Aktienindices determiniert und eliminiert werden?
3. Interaktion von Sensor zu System
Haben Aktienkurse einen Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung?
Kann der Einfluss der Aktienkurse auf die Wirtschaftsentwicklung determiniert und eliminiert werden?

Persönliche Bewertung:
Sind Aktienindices "Faktoren" und/oder "Messwerte" (Sensor und/oder Aktor) der realen Wirtschaftsentwicklung ist wohl die entscheidende Frage.

Ob die Möglichkeit den jeweiligen Anteil zu determinieren und zu eliminieren methodischer oder ideologischer Art ist, sei dahingestellt. Meine Meinung ergibt sich aus der Herleitung.

Schöne Worte wenn man bedenkt dass die durchnittliche Haltezeit gerade mal 22 Sekunden beträgt. Ich habe aber schon mit einer renommierten schweizer Aktie innert 7 Jahren 80% verloren..
Nur bares ist wahres.

Der Markt hat definitiv nichts aber auch gar nichts mit den Firmen zu tun. Von dem her, sollte man langsam das Spiel herunterfahren und einen Neustart beginnen! Ohne diese hypernervöse Zocker und Automaten, die irgendwelche komischen Algorithmen abspulen, sondern mit Leuten aus der Industrie, die sich bei den Firmen auskennen und echte Werte vermitteln.

Dass die Zahlen nach oben gehen, ist doch jedes Jahr das selbe. Auf ende Jahr geht‘s rauf, Januar/Februar dümpelt alles vor sich hin. So wie es fast jeden Freitag Nachmittag kurz nach oben geht. Wer wirklich Ahnung von Aktien hat, kauft während der Krise und wartet zehn oder zwanzig Jahre, wenn die Aktien hoch stehen. Dann kann er die kurzfristigen Schwankungen getrost vergessen.

Was es im Moment auch so einfach macht ist, dass die FED sehr berechenbar ist. Niedrigzins, oder gar Minuszins. Das muss das schwarze Herz eines jeden Bankers hochschlagen lassen, wenn er von der langsamen Enteignung der Sparer profitieren kann.

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