Noch so eine Initiative

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Noch so eine Initiative

Von Urs Meier, 01.10.2015

Das Burkaverbot wird auf nationaler Ebene zur Abstimmung kommen. Warum eigentlich verbieten?

Am 29. September hat das «Egerkinger Komitee», das uns schon die Minarett-Initiative eingebrockt hat, sein Volksbegehren «Ja zum Verhüllungsverbot» lanciert. Nachdem 2013 im Tessin per Initiative ein Burkaverbot in die Verfassung gehievt wurde, streben die Initianten nun ein gleiches auf nationaler Ebene an. Die von SVP- und EDU-Kreisen portierte Initiative wird wohl problemlos zustande kommen. In einer Volksabstimmung hat sie ernsthafte Chancen.

Eine Nikabträgerin auf dem Jungfraujoch (Foto: Keytone, Marcel Bieri)
Eine Nikabträgerin auf dem Jungfraujoch (Foto: Keytone, Marcel Bieri)

Das mit dem Verhüllungsverbot anvisierte Verdikt gegen Burka und Nikab holt ganz unterschiedliche Motive ab: Argwohn gegen den Islam genauso wie aufklärerisch-laizistische Impulse oder Empörung gegen die demonstrative Unterordnung verhüllter Frauen. Zudem haben die Initianten einige Trümpfe in der Hand. So kennen europäische Länder (Frankreich, Italien) bereits ein solches Verbot. Im Fall Frankreichs ist es zudem kürzlich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für zulässig erklärt worden.

Die Diskussionen pro und kontra Burkaverbot sind von allen Weltanschauungen her in sämtlichen Aspekten längst durchexerziert. Die bevorstehenden Debatten um die Initiative werden diese eingefahrenen Geleise kaum verlassen. Zu befürchten ist allerdings, dass hier einmal mehr ein Randphänomen als politisches Instrument zum Schüren einer Abschottungsmentalität missbraucht wird.

Da die Debatte nun einmal bevorsteht, sollte auch die mit einem Verbot verbundene Vorstellung von Staat und Verfassung kritisch unter die Lupe genommen werden. Ist es tatsächlich eine Staatsaufgabe, uns den im übrigen doch recht seltenen Anblick verhüllter Gestalten zu ersparen? Muss die ja durchaus gut begründbare Meinung, Burka und Nikab seien mit Gleichberechtigung und Individualität aller Menschen nicht vereinbar, wirklich mit dem ganzen Arsenal von Recht, Justiz und Polizei durchgedrückt werden?

Die Zumutungen des Fremden eliminieren zu wollen, ist in der heutigen Welt kein taugliches Rezept. Wohlverstanden: Mit der Tatsache, dass auch hierzulande ganz vereinzelt Frauen in Erscheinung treten, die ihr Gesicht nicht zeigen, soll man sich kritisch auseinandersetzen. Manche finden hierzu für sich persönlich eine klare Haltung und stehen auch dazu. Ausgezeichnet! Aber das reicht auch schon.

Auch mir bereitet es ein mulmiges Gefühl, wenn ich eine vermummte Gestalt erblicke. Aber seien wir mal ehrlich, es sind viel öfter irgendwelche Fussballfans, Bilder von Rechtsextremisten auf dem Rütli oder Demonstranten jeglicher Gesinnung, die uns so unterkommen. Wenn ich bei Google "vermummt Schweiz" eingebe und die Bilder angucke, kommen hunderte von Bildern mit oben genannten Motiven, davon zähle ich knapp 20 mit Burkaträgerinnen... Ich finde es zum Teil heikel, wie diese Diskussion geführt wird. Beim Reden schwingen geschieht es oft, dass über eine ganze Kultur geurteilt wird.

Gilt das Vermummungsverbot eigentlich auch für die Polizei?

Unter einer Burka haben sich schon mal auch
männliche Atentäter versteckt. Wenn bei einer
Demonstration Schaufenster eingeschlagen
und parkende Autos zerstört werden, dann
will die Polizei die kriminellen Demonstranten
filmen um sie zu bestrafen und zum Schaden-
Ersatz zwingen. Deswegen gilt in Deutschland
bei Demos ein Vermummungsverbot.

Seit 2009 ist unsere Bundesverfassung die Krankengeschichte der SVP.

"Warum eigentlich verbieten?" So fragen sie. Zum Beispiel: Weil wir in diesem unserem weltoffenen und toleranten Land nicht jahrelang (und erfolgreich) gegen die Käfighaltung für Hühner gekämpft haben – nur um jetzt irgendwelchen rückständigen und sexuell ganz offensichtlich gestörten Männern die textile Käfighaltung von Frauen zu erlauben. N. Ramseyer, Bern

Leben wir denn nicht in einem Land, dass auch für Meinungs- und Religionsfreiheit steht?
Lassen Sie die Frauen das anziehen, was sie möchten.
Ob jetzt knapp oder völlig verschleiert, kann Ihnen doch egal sein.
Darum finde ich die Frage, "warum eigentlich verbieten?", passend zu diesem Thema

Das Problem ist ja nicht die Burka, diese Diskussion ist einem liberalen Menschen zuwider. Das Problem ist, ob wir eine potentiell gewalttätige, antidemokratische, antiemanzipatorische Organisation/Sekte/"Religion" in einem aufgeklärten System dulden können, ohne dass dieses zugrunde geht. Schön bei einem einem begrenzten, weit weniger rabiaten System wie Scientology diskutieren wir ja über Grenzen, und das zu Recht.

Reicht das wirklich schon?

Burkas sind mir eigentlich egal, solange keine Bomben darunter transportiert werden (was ja nicht absolut ganz und gar auszuschliessen ist und in Afrika auch schon praktiziert wird). Aber "Abschottungsmentalität" scheint mir gar nicht so schlecht angesichts der Lage. Lese gerade Jean Raspails "Heerlager der Heiligen", irgendwie prophetisch.

Eine Bombe kann man auch in einem Koffer transportieren. Folglich: Kofferverbot, und zwar unbedingt in die Verfassung...

Vermummungsverbot und Verhüllungsverbot?

Würden dann aber auch für Motorradfahrer, Biker-Clubs und Sondereinheiten der Polizei gelten oder nicht? Wenn schon, denn schon! Öffentlich gezeigte Gesichter sind manchmal auch nur Masken… cathari

Das mit dem Töff ist ein billiges Scheinargument. Fahre auch Töff. Wenn ich ihn parkiert habe, ziehe ich den Helm ab. Und wenn ich jemanden begegne und mit ihm kurz reden will, öffne ich das Visier. So geht das! Und wie schon Shakespeare sagte: "When in Rome do as a Roman!" Will sagen: Frauen in schwarze Säcke einzunähen und sie so zu isolieren und zu entpersonalisieren geht im Rechtsstaat Schweiz zum Glück nicht. N. Ramseyer

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