Schachspiel am Himmel

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Schachspiel am Himmel

Von Arnold Hottinger, 08.04.2017

Trumps Raketenschlag gegen die syrische Luftwaffe hat umgehend eine folgenreiche russische Reaktion gezeitigt.

Die Russen, wahrscheinlich Putin selbst, haben rasch einen Gegenzug auf den amerikanischen Kriegsschlag in Syrien gefunden. Sie erklärten die bisherige russisch-amerikanische Koordination der beiderseitigen Luftwaffenaktivitäten über Syrien für beendet. Dies stellt die Amerikaner vor die Wahl, über Syrien entweder vorsichtiger als bisher vorzugehen oder einen Zusammenstoss mit den russischen Kampfflugzeugen oder auch Luftabwehrraketen zu riskieren. Das Netz der russischen Luftabwehrraketen über Syrien gilt als dicht und technologisch auf der Höhe der Zeit.

Priorität für Asads Überleben

Wenn die Amerikaner nun Vorsicht üben, wird der IS davon profitieren, weil die Luftwaffen der amerikanischen Koalition bei ihren Einsätzen behindert sind. Wenn die Amerikaner aber die Vorsicht in den Wind schlagen, nehmen sie mögliche Verluste an eigenen Kampfflugzeugen oder jenen ihrer Alliierten in Kauf.

Die Risiken steigen. Indem sie die Amerikaner vor ein erhöhtes Risiko in Bezug auf die von ihnen aus der Luft unterstützte Raqqa-Offensive stellen, machen die Russen klar, dass ihnen mehr daran liegt, Asad im Amt zu erhalten, als dem IS in Raqqa ein zügiges Ende zu bereiten. Das ist unschön, aber logisch. Wenn Asad stürzt, verlieren die Russen ihre bisherigen Syriengewinne. Wenn der IS in Raqqa noch ein paar Monate länger überlebt, schadet das dem Prestige der Amerikaner, die dort engagiert sind. Früher oder später wird Raqqa ohnehin fallen.

Drohende Überraschung für die Amerikaner

Die russische Massnahme dient auch dazu, mögliche weitere Aktionen der Amerikaner gegen Asad abzuschrecken oder mindestens risikoreicher werden zu lassen. Falls solche geplant sein sollten oder falls sie sich künftig als nötig erweisen, weil Asad erneut zu Gasangriffen greift, würden weitere amerikanische Schritte gefährlicher werden. Sie müssten mit russischen Gegenmassnahmen rechnen.

Wenn die Amerikaner sich von den zusätzlichen Risiken beeindrucken lassen, werden die Russen und die Truppen Asads ungestört weiter ihre bisherigen Ziele verfolgen, nämlich die Austilgung der Rebellen und die Erhaltung des Asad-Regimes. Wenn Trump und die Amerikaner ihre Aktivität über Syrien im bisherigen Massstab, aber ohne das Sicherheitsnetz der bisherigen informativen Kooperation mit den Russen, fortführen, erhält Russland den Vorteil, das Gesetz des Handelns zu bestimmen. Die Russen haben es in der Hand, ob, wie und wann sie die Amerikaner am syrischen Himmel überraschen. Washington muss die Möglichkeit in Kauf nehmen, das Opfer eines russischen oder auch von den Russen unterstützten und mitinszenierten syrischen Überraschungsangriffs zu werden.

Wie schnell und ohne gründliche Abklärung da vom Tausende Kilometer entfernte Washington aus einmal mehr zugeschlagen wurde, erstaunt doch etwas. Und die Frage cui bono? (wem nützt es?) stellt sich natürlich. Sicher ist, dass Assad schon blöder als blöd sein müsste, gerade jetzt Giftgas einzusetzen: Er ist der Letzte, dem so etwas nützen kann. Militärisch hat er längst die Oberhand; und politisch hat doch Trump (vor seiner "Kehrtwende" nach der Ansicht der Fotos von toten Kindern) gerade erklärt gehabt, "Regimechange" sein nicht sein Ding. Nein: Zuallererst nützt die üble Sache den Aufständischen und Islam-Terrorgruppen aller Art bis hin zum grässlichen IS: Sie können sich nun plötzlich über jene Luftunterstützung durch US-Streitkräfte freuen, die sie sich seit Jahren wünschen. Und zweitens freuen sich jene Phantasten, die immer noch auf einen "Regimechange" in Syrien pochen – ohne jedoch Alternativen aufzuzeigen. Es sei denn man wünscht sich jene Chaos- und Faustrechts-Zustände, wie sie inzwischen in Libyen grassieren. Und: Jene "Sicherheitszonen für Zivilisten", wie sie unbedarfte TalkerInnen in deutschen TVs jetzt wieder fordern, die gibt es in Syrien schon – in Damaskus oder jetzt auch wieder in Aleppo seit die Terroristen vertreiben sind. Niklaus Ramseyer , BERN

Richtig: Schachspiel am Himmel. Allein, die Schachspieler sind nicht die westlichen Medienschaffenden, sondern die Generalstäbe Russlands und der USA, nicht jene der Nato. Oder hat die UNO einen Generalstab?

Es dürfte kaum Zufall gewesen sein, dass die US-Militäraktion in Syrien gerade in dem Moment stattfindet, wenn Chinas Präsident Xi Jinping zu Besuch ist in den USA.
D. Trump zeigt damit, dass er Handlungsfähig ist, in der Lage ist zu agieren und nicht nur zu reagieren.
D. Trump zeigt damit auch, dass er bereit ist, es darauf ankommen zu lassen, da bisher Russland in dieser Region sehr aktiv war und es wenig Berührungspunkte gab.
Nun weiss sowohl Xi Jinping als auch V. Putin, dass D. Trump eine militärische Konfrontation nicht scheut, ob im russischen Hoheitsgebiet (Syrien) oder im südchinesischen Meer.

Keine Beweise für die Behauptungen, keine Beratung mit den Kongress-Abgeordneten, kein UNO-Beschluß. Das ist keine Demokratie, das ist eher Regierungskriminalität. So kann der 3. und letzte WK beginnen.

US-Raketenangriff in Syrien ist eine äußerst ernste Verletzung des Völkerrechts. Schon vergessen? Meldungen über Massenvernichtungswaffen im Irak, die die USA als Vorwand für ihre Invasion verbreitet hatten. Ereignisse vom 5. Februar 2003, als der damalige US-Außenminister Colin Powell zur Rechtfertigung der US-Invasion in den Irak dem UN-Sicherheitsrat „überzeugende Beweise“ von Massenvernichtungswaffen in dem Land vorgelegt hatte. Schon vergessen? Foto von Powell, wie er dem UN-Sicherheitsrat eine Ampulle mit weißem Pulver – sogenanntem Anthrax oder Milzbrand zeigt. Ich glaube, wir sollten uns unbedingt an diese Bilder erinnern und daran, dass man uns gesagt hatte, im Irak gebe es Massenvernichtungswaffen und das sei der Grund für die Invasion. Infolge der Invasion gab es eine Million Todesopfer, und sie hat eine Serie von Gräueltaten in der Region losgetreten. Würden wir jetzt vom IS sprechen, hätte diese Invasion nicht stattgefunden? Würden wir jetzt von zahlreichen entsetzlichen Angriffen in verschiedenen Teilen der Welt reden, hätte diese illegitime Invasion nicht stattgefunden?

Laut den Syrern wurden Chemiewaffen durch einen Luftangriff der Syrer in einem Lager freigesetzt, in der von den Rebellen besetzten Stadt Chan Scheichun. Sehr schnell wurde nach diesem Vorfall ein Angriff der Amerikaner auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt ausgelöst, bevor der Fall abgeklärt war.

Die Kriegsmaterialexporte der Schweiz an die USA werden nach diesem Angriff sicher nicht eingestellt, obwohl es sich wieder um einen völkerrechtswidrigen Kriegsakt der USA handelt und nach der Schweizer Kriegmaterialverordnung an Staaten die Kriege führen kein Kriegsmaterial geliefert werden darf.

Zu erinnern ist: Inspektoren waren doch in Syrien und haben die Vernichtung des Giftgases überwacht und die Chemikalien abtransportieren lassen, wie seinerzeit im Irak unter Saddam? Nach diesen Kontrollen sollte die syrische Luftwaffe über keine Chemiewaffen mehr verfügen. (1)

Zu erinnern ist auch: Eine Regimewechsel Operation war schon lange vor dem Bürgerkrieg in Syrien geplant. (2) (3) Wie US-General Wesley Clark im Pentagon einige Wochen nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 hörte, war es das Ziel der USA in sieben Ländern in fünf Jahren einen Regimewechsel zu organisieren, beginnend mit der Bombardierung des Irak, dann hiess es würden Syrien, der Libanon, Libyen, Somalia, der Sudan und am Schluss der Iran drankommen. Auch der ehemalige Aussenminister Roland Dumas sagte in einem TV-Interview, dass die Briten schon zwei Jahre vor dem Ausbruch des Aufstandes den Krieg in Syrien vorbereitet hatten.

(1) The Syria Chemical Weapons Saga: The Staging of a US-NATO Sponsored Humanitarian Disaster By Prof Michel Chossudovsky Global Research, April 06, 2017 http://www.globalresearch.ca/the-syria-chemical-weapons-saga-the-staging...
(2) Seven Countries in Five Years, General Wesley Clark
https://www.youtube.com/watch?v=aW0a8rNekBY
(3) Roland Dumas: The British prepared for war in Syria 2 years before the eruption of the crisis https://www.youtube.com/watch?v=jeyRwFHR8WY

Ja, das ganze lief von allem Anfang an auf Regime-Change hinaus. Unglaublich, mit welchem Zynismus und welcher Zerstōrungswut Geopolitik betrieben wird!

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