Ein Interview mit Synchronsprecherin Irina von Bentheim

Irina von Bentheim ist Profisprecherin. Den meisten ist sie wohl eher bekannt als die deutsche Stimme von Sarah Jessica Parker alias Carrie Bradshaw aus der Kultserie „Sex and the City“. Die Berliner Schauspielerin ist vor und hinter Kamera sowie Mikrofon groß geworden: Sie war Kinderfilmstar an der Seite von Heinz Erhardt, Heinz Rühmann oder Peter Alexander. Heute gehört sie zum festen Stamm der Synchronsprecher und leiht ihre Stimme neben Sarah Jessica Parker auch Naomi Watts („21 Gramm“, „The Ring“) oder Julia Ormond („Legenden der Leidenschaft“). Zudem ist sie an diversen Hörbuch- und Radioprojekten beteiligt, hat ihren eigenen Verlag hörbarWeiblich, ein Kabarett-Programm, mit dem sie regelmäßig in „Die Stachelschweine“ in Berlin gastiert, und sie tritt mit ihren eigenen Bühnenshows auf. Falls Sie immer noch nicht wissen, von wem die Rede ist – dann sollten Sie sich diese Hörprobe anhören:

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Frau von Bentheim, gerade haben wir einen Ausschnitt aus Ihrem Hörbuch gehört. Und ich gestehe, ich habe dabei trotzdem sofort Carrie Bradshaw vor Augen. Wie viel Carrie steckt denn in Ihnen?

Soviel wie in jeder Großstadt-Frau. In mir vielleicht noch mehr, weil ich Carrie nicht nur in meiner Arbeit sehr nah komme, auch vom Temperament her sind wir uns ähnlich. Ihre Gefühlswelten sind mir vertraut. Einzig habe ich nicht soviel Zeit und Geld für den Schuhkauf. Sie hat mich allerdings schon ganz schön stark beeinflusst, nicht mit dem was sie trägt, sondern mit der Lust auf ein ausgefallenes, weibliches Styling.

Als Profi sind Sie in der Lage, große Gefühle und unterschiedliche Charaktere in ein einziges Wort – etwa ein Hallo – zu legen. Können Sie uns ein paar Hörbeispiele geben?

Aber sicher, sehr gerne:

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Wirklich vielseitig. Dabei wird allerdings auch deutlich, wie sehr die Stimme einen verrät. Was einer denkt oder fühlt, offenbart schon der Klang eines einzigen Wortes. Sind Sie entsprechend in der Lage, aus der Stimme Ihres Gegenübers die wahre Intention heraus zu lesen?

Selbst als Profi habe mich schon aufs Glatteis führen lassen und bin auf Stimmen angesprungen, die nicht hielten, was sie versprachen. Ich bin eine Stimmen-Liebhaberin und lege viel wert auf Stimme und vor allem auf Sprache. Ich bekomme beispielsweise Pickel, wenn einer das macht Sinn sagt. Das ist kein deutscher Satz. Er kommt aus der Synchronisation, weil er so schön lippensynchron aussieht, aber er ist eine Krankheit. Ich weigere mich so was zu sprechen. Richtig wäre allein: Es hat Sinn. Zurück zur Stimme: Meine Lieblingssynchronstimme ist die von Gert Günther Hoffmann, er sprach unter anderem Sean Connery oder Paul Newman. Ich habe mich schon in Männer wegen ihrer Stimme verliebt und bin überaus glücklich, dass mein Mann die schönste Stimme der Welt hat.

Aber wenn Sie sich nicht aufs Glatteis führen lassen: Was lesen Sie dann aus einer Stimme und wie lassen sich die jeweiligen Botschaften im Subtext entschlüsseln?

Die Stimme ist Ausdruck unserer Seele. Es gibt Stimmen, die am Telefon so schneidend sind, dass ich den Hörer vom Ohr weghalten muss, weil es mir wehtut. Es gibt Menschen, die mit ihrer Stimme ihre Gefühle überspielen wollen und andere, die sie nutzen, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ein echter Stimmkünstler war übrigens Bhagwan. Seine Stimme war zart und dabei wie ein Pfeil, der sich in deine Seele bohrt. Kein Wunder, dass ihm so viele Menschen verfallen sind. Er hat jeden Satz in einer einzigartigen Weise ausklingen lassen.

Ihre Stimme wird sehr oft mit dem Attribut erotisch belegt. Fühlen Sie sich manchmal darauf reduziert?

Ich finde es schön, erotisch zu wirken. Erotik ist doch das Schönste im Leben, und meine Herzensangelegenheit ist es, an niveauvoller Erotik zu arbeiten, die inspiriert und auch heilen kann.

Was macht denn eine Stimme erotisch und anziehend – und kann das jeder trainieren?

Nein, das wird einem in die Wiege gelegt. Jeder Versuch erotisch zu klingen, ist zum Scheitern verurteilt, weil es gewollt klingt. G.G. Hoffmanns Stimme liebe ich zum Beispiel deshalb, weil er nie gedrückt hat. Seine Stimme klang klar, hatte eine Ironie im Unterton und war sehr weich und schmeichelnd. Da britzelt es automatisch.

Aber können denn nun Nicht-Profis ihre Stimme trainieren, um überzeugender oder sympathischer zu werden?

Das wichtigste ist Atemtraining. Über die Atmung kann man seiner Stimme mehr Volumen geben und damit auch mehr Überzeugungskraft. Sprechtechnik wird leider viel zu wenig gelehrt. Ich habe jahrelang Gesangsunterricht genommen und so meiner Sprechstimme noch mehr Facetten gegeben.

Würden Sie sagen, dass sich auch die eigene Persönlichkeit durch die Stimme verändern lässt?

Jeder, der mich gut kennt, wird auch immer hören, wie es mir geht, wenn er privat mit mir redet. Im Beruf natürlich nicht. Insofern kann ich nicht meine Persönlichkeit durch die Stimme verändern, aber meine Persönlichkeit verändert meine Stimme. Wenn ich also fortlaufend an meiner Persönlichkeit arbeite und so mehr Selbstvertrauen bekomme, wird sich das auch stimmlich niederschlagen.

Wie Sie hören, habe ich gerade eine fiese Erkältung, die mich beinahe sprachlos macht. Wenn ich schon mit einem Profi spreche: Was sind Ihre besten Tipps gegen Heiserkeit?

Opernsänger essen einen Apfel und gurgeln mit Paraffin-haltigen Lösungen. Ich selbst schwöre auf Salbei in jeder Form – als Tee, Bonbon oder als frisches Blatt, auf dem ich kaue. Mit Teebaumöl zu gurgeln, ist was für Hartgesottene. Damit habe ich aber schon so manche Halsentzündung eindämmen können.

Ich danke für die Tipps und das Gespräch.