Ein Interview mit dem Buchautor Oliver Fritsch
Jeder zweiten Krankmeldung in Deutschland liegt inzwischen eine psychische Ursache zugrunde, meist ausgelöst durch zu viel Druck oder Stress. Immer häufiger lautet die Diagnose: Burnout. Aber wie lässt sich der Burnout-Falle entkommen? Die Unternehmer Oliver Fritsch und Michaela Lang waren selbst kurz vor dem Burnout. Karriere, Familie, Stress, Verpflichtungen – irgendwann war alles zu viel. Also entwickelten aus der eigenen Erfahrung heraus Strategien und Verhaltensweisen, um dem Stress zu trotzen – und trotzdem seine Ziele zu erreichen. Entstanden ist so ein praxisnahes Präventionsbuch: Das Anti-Burnout-Buch. Die vorgestellten Tools und Übungen sollen dem Leser ermöglichen, die eigene Situation nachhaltig zu verbessern. Aber das versprechen natürlich viele. Wir haben deshalb nachgefragt…
Herr Fritsch, gibt es nicht schon genug Burnout Bücher auf dem Markt?
In der Tat gibt es mehr als genug Bücher in diesem Bereich und auch in den Medien wurde schon ausgiebig darüber berichtet. Und natürlich haben wir erst mal recherchiert, was es schon alles gibt. Unsere erstaunliche Erkenntnis: Wir haben kein einziges Buch gefunden, das eine praktische Anleitung bietet, Burnout vorzubeugen. Stattdessen werden hauptsächlich die Symptome beschrieben oder eine Orientierung geboten, in welcher Phase man sich gerade befindet.
Ihr Buch handelt vor allem von der Persönlichkeitsanalyse und ihrer 7-Schritte Methode. Was hat es damit auf sich?
Die Persönlichkeitsanalyse macht bei ehrlichem Durcharbeiten deutlich, was einen am meisten im Leben antreibt und wie das eigene Verhalten dadurch geprägt wird. Wir unterscheiden dabei zwischen 20 inneren Motiven, wie zum Beispiel Abenteuerlust, Hilfsbereitschaft, Perfektionismus und so weiter. Je nachdem, welche und wie viele Motive besonders ausgeprägt sind, desto gefährdeter ist man, sich dadurch zu verausgaben. Auf der anderen Seite können aber auch niedrige Werte zum Stress führen, wenn andere erwarten, dass man in diesen Motiven mehr geben sollte als man kann oder will. Wer seine inneren Antreiber und sein eigenes Verhalten kennt, kann Burnout besser vorbeugen und weiß sofort, wo er ansetzen kann. Die 7-Schritt-Methode wiederum hilft dabei, sein Verhalten im Alltag zu verändern und zum Beispiel Kommunikationsprobleme schnell zu lösen.
Was ist denn Ihrer Meinung zufolge ein Burnout?
Mit der genauen Definition tun sich selbst Experten schwer, aber man kann es als totale körperliche und emotionale Erschöpfung aufgrund beruflicher oder privater Überlastung treffend beschreiben. Bei einem Burnout ist man weder körperlich noch emotional in der Lage, seinen Alltag zu bewältigen. Manche sprechen auch von einem Infarkt der Seele. Burnout ist als Krankheit noch nicht anerkannt, sondern wird als Problem der Lebensbewältigung beschrieben und kann unserer Ansicht nach durch Verhaltensänderungen vermieden werden.
Und was unterscheidet einen Burnout von einer Depression?
Interessante Frage, die es aber schon in sich auf den Punkt bringt. Für uns geht es nicht darum, den Unterschied zwischen beidem zu erklären, sondern den Zusammenhang. Kurz vorab – für uns gehören schwere Fälle von Burnout und Depression aufgrund ihrer medizinischen und neurologischen Komplexität in professionelle Hände. Wir sind keine Mediziner und kommen aus dem unternehmerischen und arbeitsorganisatorischen Bereich. Uns ist wichtig, präventiv seine Verhaltensweisen zu ändern oder zu steuern, damit Burnout gar nicht erst entsteht. Daher setzen wir genau da an. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass der Weg in den Burnout zwar mit mehr oder weniger depressiven Stimmungen einhergeht, diese aber in der Regel nur zu einem von vielen verschiedenen Symptomen gehören. Erst der Burnout selbst, also der Totalausfall, kann dann in einer handfesten Depression enden. Andersherum ist bei Menschen, die mit depressiven Stimmungen unseren Rat suchen, nicht immer Burnout der Auslöser. Burnout kann also eine von vielen möglichen Ursachen einer Depression sein, genauso wie zum Beispiel eine genetische Veranlagung oder traumatische Erlebnisse.
Okay, dann anders gefragt: Welche Einschränkungen ruft ein Burnout hervor?
Dazu muss man zunächst zwischen dem endgültigen Burnout und dem Weg dorthin unterschieden. Auf dem Weg zum Burnout sucht sich der Körper verschiedene Ventile wie Schlaflosigkeit, Herz-Kreislaufprobleme, Hörsturz, Immunschwäche, Magenbeschwerden und so weiter. Das kann einen schon mal tage- oder wochenweise aus der Bahn werfen. Wer das finale Burnout-Stadium erreicht hat, muss mit massiveren Konsequenzen rechnen: Durch den Dauerstress werden zahlreiche körperliche Funktionen in Mitleidenschaft gezogen, die sogar irreparable Schäden nach sich ziehen und bis hin zur Berufsunfähigkeit führen können. Auf jeden Fall ist eine mehrmonatige medizinische und psychologische Behandlung notwendig. Vereinfacht erklärt fühlt sich der Körper bei Stress in Gefahr und schüttet zum eigenen Schutz vermehrt Adrenalin aus, um sich davor zu schützen. Neben vielen chemischen Reaktionen in Körper und Gehirn wird unter anderem auch die Glückshormonausschüttung heruntergefahren. Wenn die Gefahr vorüber ist, reguliert sich in der Regel alles wieder in den Normalzustand zurück. Bleibt man aber durch den Dauerstress in vermeintlicher Dauergefahr, kann unter anderem die permanente Unterdrückung der Glückshormone in eine Depression führen. Im schlimmsten Fall führen die vielfältigen hormonellen und chemischen Reaktionen in Körper und Gehirn sogar zu genetischen Veränderungen.
Sie schreiben ja ein Präventionsbuch: Wie also kann es dazu überhaupt kommen?
Burnout entsteht in der Regel durch ständige Überlastung oder weil man sich viel mehr zumutet als man körperlich und emotional leisten kann. Man gönnt sich keine Pausen oder Ruhezeiten mehr und brennt, wie es ja übersetzt heißt, regelrecht aus. Die Batterien können immer weniger geladen werden und bleiben schließlich leer. Glücklicherweise sind wir in der heutigen Zeit ja völlig frei, zu entscheiden, was wir tun wollen oder nicht, und wir müssen uns in der Regel zu nichts zwingen lassen. Auch wenn wir das jetzt nicht gerne hören möchten, so heißt das in der Konsequenz, dass es letztlich an uns selbst liegt, beispielsweise unser Verhalten zu ändern, unsere Ängste zu überwinden und unerfüllte Erwartungshaltungen loslassen zu können. Man muss ja nicht auf jeder Hochzeit tanzen, auch wenn dies von den Medien und falschen Freunden oft suggeriert wird.
Wie kann man selbst erkennen, dass man an Burnout leidet oder zumindest auf dem Weg dorthin ist?
Wer einen Burnout erleidet, wird das sicher nicht übersehen, denn dann geht wirklich gar nichts mehr. Alles erscheint einem nur noch schwarz, man hat keine Erfolgserlebnisse mehr und Gleichgültigkeit und Hoffnungslosigkeit machen sich breit. Im Vorfeld indes können mehrere Anzeichen auf einen bevorstehenden Burnout hindeuten: länger anhaltende Schlafstörungen oder Konzentrationsmangel, zunehmende Gereiztheit, regelmäßige Erschöpfungszustände, immer wiederkehrende Krankheiten, das ständige Gefühl, nur noch zu funktionieren und nicht mehr zu leben oder seine Aufgaben nicht mehr zu schaffen, sozialer Rückzug.
Und was lässt sich dagegen tun?
Als Erstes ist es wichtig, innezuhalten und den Mut zu haben, sich seiner Situation bewusst zu werden. Das Entscheidende ist, die Schuld nicht bei anderen zu suchen, sondern sich selbst an der Nase zu packen und zu überlegen, was man selbst dazu beigetragen hat, dass man sich in dieser Situation wiederfindet. Und dann geht es darum, daraus zu lernen und zu überlegen, was man tun muss, um es in kleinen Schritten systematisch und konsequent zu verändern. Schafft man es nicht allein, was oft der Fall ist, kommt man nicht darum herum, um Hilfe zu bitten – angefangen bei Familie und Freunden, aber auch beim Arbeitgeber und Kollegen oder bei Therapeuten und Beratern wie uns. Kurze Auszeiten wie ein Wellnesswochenende, eine Massagereihe, ein Yoga Kurs oder auch ein Kurzurlaub tun zwar erst mal gut, aber sie verschleppen letztendlich das Problem nur, wenn man hinterher weitermacht wie zuvor. Um eine drastische Verhaltensänderung im Alltag kommt keiner herum.
Sie beide waren ja selbst schon von einem Burnout betroffen. Wie sind Sie da rausgekommen?
Wir haben zum Glück nie den endgültigen Totalausfall erlebt, aber wir waren beide auf dem besten Weg dahin. Michaela war sogar ganz kurz davor. Sie kam dennoch ohne dauerhafte Schäden davon und konnte mit einer Auszeit und einer massiven Veränderung ihrer Lebensgewohnheiten die Kurve kriegen. Geholfen haben ihr verschiedene Verhaltensanalysen, durch die sie ihre Situation klar erkennen konnte. Diese stellen wir auch in unserem Buch vor. Außerdem hat sie es gewagt, mal um Hilfe zu bitten und dann auch angenommen. Ich hatte einen ersten Einbruch in meiner Funktion als Projektmanager, wo ich erst mit starken Rückenschmerzen und einer stressbedingten Gürtelrose zu kämpfen hatte. Meinen zweiten Einbruch hatte ich dann, nachdem ich in den USA betriebsbedingt kurz vor dem 11. September 2001 entlassen wurde und nicht wusste, wie ich meine Familie durchbringen sollte. Das große Aha-Erlebnis war, dass auch Arbeitslose, die verzweifelt einen Job suchen, hochgradig Burnout gefährdet sein können. Ich schaffte es dann mit dem Sprung in die Selbstständigkeit, aus der Opferrolle herauszutreten und mein Leben in die Hand zu nehmen.