Net Generation, Next Generation, Digital Natives, Netizens – die Labels für die aktuell 20- bis 30-Jährigen sind so vielschichtig wie die Generation selbst. Und genau das ist auch das Problem: So vielschichtig die Begriffe auch sind – sie alle geben nur Facetten dieser Kohorte wieder. Keiner zeichnet ein vollständiges Bild. Schwammig bleibt alles, vage, nebulös. Wir schauen mal genauer hin…

In einem Artikel von Fosten Amezando bei Wollmilchsau habe ich eine große Infografik-Sammlung gefunden, die ein umfassendes Bild der Generation Y liefert. Die heißt übrigens nicht nur so, weil sie der von Douglas Coupland beschriebenen Generation X nachfolgt. Sondern in erster Linie, weil der Generation Y – why? – nachgesagt wird, alles in Frage zu stellen. Wäre Helmut Schelskys Begriff “Skeptische Generation” nicht schon verbraucht: Er würde haargenau passen.

Anatomie einer Generation

Sie sind zwischen 1980 und 1995 geboren. Als sie in den Kindergarten kamen, schrumpften die Rechner auf Schachtelgröße. Selbstverständlich standen deren Nachfolgemodelle schon auf den Schreibtischen ihrer Jugendzimmer.

Sie haben erlebt, wie sich die Programme von einfachen Routinen zu komplexen Gebilden entwickelten, die den PC zum Alleskönner machten. Bei der gleichzeitigen Entstehung der fast unbegrenzten Möglichkeiten des Internets waren sie live dabei. So stießen sie in Bereiche vor, die vor ihnen noch nie ein Mensch gesehen hatte. Und waren, wenn schon nicht der Zeit voraus, doch zumindest an ihrem Puls.

Fast schon logisch, dass sie heute Grenzen nur schwer akzeptieren. Schließlich haben sie hautnah erlebt, was er heißt, wenn Informationen unbeschränkt verfügbar sind. Mehr noch: Sie sind es gar nicht mehr anders gewohnt. Bedeutete Wissensbeschaffung für die Generationen davor noch mühsame Recherche in Bibliotheken und Archiven, zücken sie kurz ihr Smartphone und schlagen es nach. Doch wenn es nicht ganz so einfach geht, zappen sie weg.

Zu Hause im Internet

Dabei genießen Sie natürlich die (fast) grenzenlose Freiheit des Internets: Es ist quasi ihr zu Hause geworden. Während sie Arbeiten, spielt das Web-Radio die Musik, die sie gerade gerne hören möchten. Den Film, den sie abends sehen wollen, wählen sie ad hoc auf einer der zahllosen Plattformen aus. Shoppen, Reisen buchen, Versicherungen abschließen – der echte Netizen mach dies ausschließlich online.

Selbstverständlich ist auch ihr Privatleben virtuell: In Communities wie Facebook oder StudiVZ tauschen sie sämtliche Neuigkeiten aus. So lassen sie Menschen an ihrem Leben teilhaben, und so nehmen sie auch am Leben ihrer Freunde teil. Nicht nur, dass Kontaktpflege längst mehrheitlich im Cyberspace stattfindet, die virtuelle Welt schwappt zunehmend ins reale Leben: Es gibt kaum noch eine traute Kneipenrunde, in der nicht eben mal kurz Smartphones gezückt werden, um etwas nachzuschlagen, Bilder zu zeigen oder gar entfernte Freunde teilhaben zu lassen.

Fürdie Millennials ist das Internet fast schon überlebenswichtig geworden. Zwei Drittel würden einen Internet-Zugang dem Besitz eines Autos vorziehen. Für ein Drittel ist es gar ebenso wichtig wie Nahrung und Trinken. Das bezeichnet nicht nur das Wertsystem dieser Generation: Es zeigt auch, wie bedeutungsvoll digitale Medien im Alltag der Gesamtgesellschaft geworden sind. Hier sind die Netizens Avantgarde, weil sie selbstverständlich in dieser Welt aufgewachsen sind. Genau das macht sie selbstbewusst.

Mobilität am Arbeitsplatz

Für die Angehörigen der Net Generation ist der freie Internetzugang auch bei der Arbeit selbstverständlich. Mehr als die Hälfte der Absolventen ist nicht bereit, einen Arbeitsplatz anzunehmen, wenn sie dort keine Social Media benutzen dürfen. Strenge Sicherheitsrichtlinien von Unternehmen hinsichtlich der Internetnutzung schrecken sie außerdem ab. Sie wollen sich nicht einschränken lassen, schließlich sind sie den freien Austausch von Informationen gewohnt: Er ist Teil Ihres Lebens geworden.

Dank des Internets sind ständig auf der ganzen Welt unterwegs. Deswegen möchten sie auch bei der Arbeit nicht an einen Platz gebunden sein. Die meisten ziehen es vor, wenn der Arbeitgeber ihnen die freie Wahl lässt, wo und wann sie ihrer Arbeit nachgehen. Sie sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und wollen für Ergebnisse bezahlt werden – und nicht für Anwesenheit. Das kommt ihrem Wunsch nach Selbstbestimmtheit entgegen, denn so können sie Arbeit und Privatleben optimal kombinieren.

Überhaupt ist die Trennung zwischen diesen beiden Bereichen ihnen fremd: Da sie ständig on sind, schalten sie permanent zwischen verschiedenen Sphären hin und her. Gerade so, wie es ihnen in dem Kram passt – oder wie es die Aufgaben erfordern. Der Wandel der Arbeitswelt kommt ihnen da voll entgegen.

Rein technisch ist das längst kein Hexenwerk mehr: Fast überall besteht heute Internet-Zugang. Dank Hochgeschwindigkeits-Datenverbindungen und preiswerter Übertragungstarife ist selbst mobiles Arbeiten längst nicht mehr nur möglich, sondern auch bezahlbar geworden.

Der Generationenkonflikt

Doch leider resultieren aus dem Lebensstil derMillennials auch Konflikte: Weil sie sich nicht festlegen wollen, sondern immer nach besseren Möglichkeiten Ausschau halten, gelten sie als sprunghaft und selbstsüchtig. Ihre ständige Suche nach Neuem führt außerdem dazu, dass sie schnell gelangweilt sind. Das macht efür sie das Dranbleiben schwierig, wenn sie sich gründlich in Dinge einarbeiten sollen.

Andererseits resultiert der Konflikt zwischen den Generationen auch aus völlig unterschiedlichen Ansichten: Während Manager glauben, die Digital Natives seien aufs Geld aus, legen die mehr Wert auf befriedigende Arbeitsinhalte. Den Ruf der Vorgesetzen nach Übernahme von Verantwortung beantworten sie mit der Forderung nach Abwechslung. Genauso unterschieldich ist auch die Wahrnehmung: Wo die Millenials Leistung zeigen wollen, sehen Unternehmensvertreter eine Tendenz zur Selbstdarstellung. Verkehrte Welten?

Die Zukunft der Arbeit

Unterm Strich spielt die Zeit wohl für die Generation Y: Die Zukunft wird den individualisierten Arbeitsplätzen gehören. Nicht nur, weil es den Bedürfnissen der Wissensarbeiter entgegen kommt, sondern weil es auch den Anforderungen einer sich rapide verändernden Arbeitswelt entspricht: Wissen wird immer bedeutsamer.

Weil Wissen aber schnell veraltet, beschleunigt sich seine Produktion – was aber die Halbwertzeit des Wissens verkürzt und so weitere Produktion notwendig macht. Wer vorn bleiben will, braucht Kontinuität: 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, 52 Wochen im Jahr.

Weil das nur internationale Teams leisten können, verlieren die Orte an Bedeutung, an denen alle zum Arbeiten zusammen kommen: Dies ist schlicht und ergreifend nicht mehr möglich. Übrig bleiben Restunternehmen, die zentrale Aufgaben wahrnehmen. Dort finden sich Co-Working-Spaces und Besprechungsräume, falls doch Mal die physische Präsenz der Mitarbeiter erforderlich oder gewünscht ist. Die wiederum kümmern sich selbst durum, dass ihre Arbeit rechtzeitig fertig wird – wie sie das tun, ist ihr Problem.

Die wichtigste Aufgabe der Führungskräfte wird zukünftig sein, Mitarbeiter zu motivieren und koordinieren, Prozesse zu moderieren und Konflikte zu regulieren. Und zwar immer dann, wenn sie auftreten. Dank Web 2.0 ist das problemlos möglich, stellt aber hohe Ansprüche an den Komunikations- und Führungsstil. Und natürlich an die Mitarbeiter.

Um diese Prozesse produktiv zu gestalten, müssen Unternehmen die Zusammenarbeit zwischen den Generationen und Kulturkreisen fördern. Trainings- und Mentorenprogramme sind dafür wohl die besten Mittel, weil sie Management und Mitarbeiter einbinden und deren Ressourcen nutzen (können). Doch es gelingt nur, wenn alle Beteiligten sich aufeinander einzulassen, die wechselseitigen Bedürfnisse erkennen, respektieren – und voneinander lernen.

Gerade das dürfte den Millennials besonders leicht fallen.