Bisher kaum wahrgenommen, entwickelt sich in einigen deutschen Unternehmen eine vollig neue Arbeitswelt: Soziale Netzwerke, Wikis, Blogs und virtuelle Teams ersetzen routinierte Abläufe. Nach einer Schätzung der Unternehmensberatung Double Yuu experimentiert bereits die Hälfte aller deutschen Konzerne mit derlei internetbasierten Werkzeugen. Neu sind diese Tools gewiss nicht. Aber ihr Einsatz leitet einen Wandel ein, wie ihn die Wirtschaft noch nicht gesehen hat: Unter dem Stichwort Enterprise 2.0 formiert sich eine völlig neue Unternehmenskultur, die tradierte Arbeitsweisen ebenso ablöst wie bisherige Machtstrukturen.

Der Harvard-Professor Andrew McAffee prägte den Begriff Enterprise 2.0 schon im Jahr 2006. Danach setzen Unternehmen die webbasierte Software ein, um Projekte zu steuern, Wissen effizienter zu verwalten und die Kommunikation nach außen und innen besser zu gestalten. Vollzieht ein Unternehmen diese Transformation erfolgreich, werden erhebliche Potenziale freigelegt:

  • Per Kommentar oder im Wiki kann sich jeder einmischen und sein Wissen teilen – und damit auch jene Experten, an die bei der Zusammensetzung eines Teams vielleicht gar nicht gedacht wurde.
  • Die Teams selbst bleiben offen und können sich jederzeit verändern. Vor allem dann, wenn neue Probleme auftauchen und die dafür erfahrensten Kollegen gesucht werden. Die Hinweise dazu kommen dann aus allen Ecken des Unternehmens. Überhaupt beschleunigt sich der Auswahlprozess, um die jeweils besten Fachkräfte für ein Projekt zu suchen.
  • Ebenso werden Projekt-Doubletten transparenter. Das gilt insbesondere für international operierende Unternehmen. Wenn zufällig drei Teams an drei Standorten an einem vergleichbaren Problem laborieren, wird dies im Wikinetz schnell sichtbar. Ineffizienzen werden so vermieden, bevor sie entstehen.
  • Durch die effizienten Arbeitsabläufe verbessern die Unternehmen langfristig die Qualität ihrer Produkte. Durch die stärkere Vernetzung aller Mitarbeiter wird Wissen einfacher und schneller aktiviert, so entstehen am Ende auch bessere Lösungen für die Kunden.

Einer Harvard Business-Studie zufolge steigern Unternehmen mit einer ausgeprägten Kollaborations-Kultur ihre Produktivität um bis zu 250 Prozent. Eine Befragung von McKinsey ergab, dass 60 Prozent der Unternehmen überzeugt sind, durch die Umstellung auf Enterprise 2.0 entscheidende Wettbewerbsvorteile zu generieren. Entsprechend schätzt auch das Marktforschungsinstitut Forrester, dass sich bis 2013 die Investitionen von Konzernen weltweit in die Enterprise-2.0-Tools auf 4,6 Milliarden Dollar verzehnfachen werden. Und eine Umfrage des IT-Unternehmens IBM ergab, dass 71 Prozent der Informationsvorstände der effizienten Zusammenarbeit unter Kollegen oberste Priorität einräumen.

Meine Kollegin Larissa Haida hat in der aktuellen WirtschaftsWoche dazu einen längeren Artikel verfasst – thematisch passend in Wiki-Form. Dort beschreibt sie allerdings auch, dass vor allem für die Manager das mit Enterprise 2.0 verbundene kulturelle Umdenken auf flache Hierarchien und Wissensteilung eine große Herausforderung darstellt. Denn sowohl die Führungsrollen als auch die Mitarbeiterfunktionen ändern sich von Grund auf. Wer nicht bereit ist, als Führungskraft Wissen zu teilen und als Mitarbeiter mehr Verantwortung zu übernehmen, wird diese Kulturrevolution nicht überstehen.

Denn auch das hat die Praxis gezeigt: Die Mitarbeiter nutzen die Vorteile der Wikis, Blogs und sozialen Netzwerke erst, wenn das Management deren Einsatz vorlebt. Laut einer Centrestage-Studie ist die Unternehmensführung in 76 Prozent der Fälle die treibende Kraft bei der Umstellung auf Enterprise 2.0.