Ein Interview mit Bettina Sturm
Am 25. März, also morgen, ist der sogenannte Equal Pay Day. Er soll daran erinnern, dass Frauen für die gleiche Leistung wie Männer noch immer deutlich weniger Gehalt bekommen. Im Schnitt beträgt die Differenz 23 Prozent. Bettina Sturm, 43, war bevor sie sich 2005 selbständig machte Headhunterin und Personalleiterin im In- und Ausland. Heute ist sie Inhaberin der Karriereberatung “Dein Copilot” und sagt: Frauen sind daran selber schuld. Eine provokante These – und ein guter Grund, nachzufragen…
Frau Sturm, warum sind Frauen selber schuld?
Ich habe einmal von einem Personalchef die Ansicht gehört, wenn Manager rechnen könnten, würden sie mehr Frauen einstellen. Die haben die besseren Abschlüsse, motzen weniger und leisten mehr und sind mit einem Drittel weniger Gehalt zufrieden.
Klingt ziemlich zynisch.
Ja, aber das stimmt. Frauen sind heutzutage so gut ausgebildet, aber wenn es um ihre eigene Vermarktung im Unternehmen geht, dann agieren sie wie kleine Mädchen.
Warum?
Das hat mehrere Gründe. Frauen haben oft eine andere Einstellung zum Thema Gehalt. Wenn ich nachfrage: „Wie wichtig ist für Sie Ihr Gehalt?“, dann bekomme ich häufig Aussagen wie: „Hauptsache die Kollegen sind nett“ – „Wenn die Aufgabe eine Herausforderung ist, ist mir das Gehalt nicht so wichtig.“ Als Personalleiterin habe ich mir dann immer gedacht: „Spitze, schon wieder 5000 Euro eingespart.“ Diese Lücke zwischen – was wäre gehaltlich möglich gewesen und was habe ich herausgeholt – ist von den Frauen im selben Unternehmen nicht mehr einzuholen. Frauen wagen sich auch aus eigenem Antrieb selten an das Thema Gehaltserhöhung ran. Gehen sie dann auf ihren Chef zu, sind viele schlecht vorbereitet und lassen sich meist viel zu schnell abwimmeln. Frauen müssen lernen ihren Wert in Geld zu vermarkten und die Sprache der Männer zu sprechen.
Was ist denn Sprache der Männer?
Männer wollen eine klare Ansage. Sie brauchen Zahlen, Daten und Fakten. Warum sollte die Mitarbeiterin mehr Geld bekommen? Durch welche Zahlen ist ihr Wunsch belegt?
Was machen Frauen falsch?
Frauen haben viele Ängste in Bezug auf das Thema Geld. Sie würden ja gerne, trauen sich aber nicht. Sie haben Angst vor der Ablehnung des Chefs, wenn sie mehr Geld fordern. Sie haben das Gefühl, gierig zu sein oder dass nach einer Gehaltsverhandlung die Kündigung kommen könnte. Ich erlebe immer wieder in meiner Arbeit, dass viele Frauen ihren Wert nicht kennen. Sie wissen nicht, welchen Nutzen sie dem Unternehmen bringen. Auf den Punkt gebracht: Was hat das Unternehmen davon, dass ICH hier arbeite? Oft ist der erste Schritt meiner Arbeit, meine Klientinnen zu unterstützen sich ihrer selbst bewusst zu werden. Eine Jobanalyse hilft hier: Welche Aufgaben erfülle ich? Welche Kompetenzen bringe ich ein? Was habe ich Außergewöhnliches geleistet? Was sind meine Erfolge?
Wie können Mitarbeiterinnen sich konkret auf eine Gehaltserhöhung vorbereiten?
Wichtig ist eine gute Vorbereitung. Die fängt in dem Moment an, in dem ich einen neuen Job antrete. Mitarbeiterinnen sollten von Anfang an zu großen Hamstern werden. Das heißt, alle Argumente die Ihren Wert unterstreichen sammeln, sammeln, sammeln. Alles, was zeigt, was Sie geleistet haben. Legen Sie sich ein Erfolgstagebuch an. Setzen Sie sich einmal die Woche hin und lassen Sie Revue passieren: Was habe ich gemacht? Was war normal, was war außergewöhnlich? Wo habe ich das Unternehmen nach vorne gebracht? Schaffen Sie Fakten in Form von Kennzahlen! Diese Kennzahlen helfen, dem Vorgesetzten zu zeigen, welchen Nutzen das Unternehmen durch Sie hat. Informationen sammeln ist die Grundlage für jede Gehaltsverhandlung: Was verdiene ich jetzt? Was will ich verdienen? Was verdienen andere in dieser Position?
Was machen Sie in solchen Fällen konkret?
Ich starte zunächst mit einer Analysephase. Dann trainieren wir das Gehaltsgespräch. Als ehemalige Personalleiterin weiß ich was und wie was gesagt werden sollte. Meine Tipps sind:
- Mit Leistung punkten: Analyse der Erfolge, Fakten schaffen, Kennzahlen finden.
- Gehaltsinfos einholen: Was gibt es für Gehaltsbestandteile beziehungsweise Ersatzleistungen? Was verdienen andere in der Position? Unbedingt erst einmal den eigenen Marktwert ermitteln!
- Cheftyp ermitteln: Vom Kuschler bis Querkopf alles dabei – und auf die muss man gesondert eingehen.
- Verhandlungsgeschick: Souveränität ausstrahlen, durch Outfit und Körpersprache überzeugen.
- Wenn der Chef nein sagt: Mit typischen Einwänden umgehen lernen, dranbleiben, nächste Runde.
Und, um verhandlungsfit zu werden: Üben, üben, üben!
Hannes Jähnert
“Frauen sind selber schuld” das provoziert nicht nur, es schließt auch an die Haltung unserer Bundesfamilienministerin Kristina Schröder an. Mit Verlaub: Das ist ziemlich kurzsichtig! Klar kann man vieles trainieren und das sollte man — besonders Frauen — auch tun, doch liegen die Ursachen der sich forttragenden Unterbezahlung von Frauen (bei selber Tätigkeit und entsprechender Qualifikation sollen es mittlerweile ‘nur noch’ 8% sein) etwas tiefer. Argumentiert wird hier i.d.R. mit einem inkorporierten (vielleicht “lange ansozialisierten”) weiblichen Habitus, der nicht einfach wegzutrainiern ist. So nehmen zum einen vor allem die karrierebewussten und bereits gut verdienende Frauen, die das Problem bereits erkannt haben, an derartigen Trainings Teil, wogegen Frauen aus ‘unteren’ Milieus dafür eher seltener Notwendigkeiten sehen, zum anderen übersieht ein solches Trainigskonzept häufig die andere Seite. Der Chef (hier ist das Maskulinum angebracht) freut sich in der Regel nicht über Frauen, weil er dafür weniger bezahlen muss. Ganz im Gegenteil! Der Einzug von Frauen — und vor allem der Frauen in den oberen Etagen — werden eher abgewehrt — man schaue sich nur die aktuelle Quoten-Diskussion an. Die Vorteile weiblicher Führungskräfte (wenn es sowas überhaupt gibt) dagegen, wird überhaupt nicht gesehen und das Problembewusstsein für die schlechtere Einschätzung weiblicher Leistung fehlt in den männer-bündischen Chefetagen häufig leider völlig, weshalb es sich auch weiter durchträgt und die Behauptung Frauen seien ja selber schuld etwas relativiert.
Michael
Guten Tag Frau Sturm,
Sie bereiten Ihre Klienten gezielt auf die Gehaltsgespräche vor. Wie erfolgreich verlaufen diese danach und welche Rückmeldung erhalten?
Viele Grüße!
Marketing Jobs
Zu diesem Thema ist ja gerade ein Film in den Kinos (We Want Sex) @ Bettina
Und ja Frauen hatten es immer schwerer sich durch zu setzen obwohl sie die selbe Arbeit verrichten.
Nur auf der anderen Seite sie bekommen auch Kinder und fehlen dann in dieser Zeit in der Firma was einem Arbeitgeber meist schadet…Genauso sind sie nicht für alle berufe belastbar für Bürojobs,Politik und Bäcker, friseur mag sein…Doch nicht für Stahlbau, Schiffsbau oder andere Jobs die mit Kraft zu tuen haben…Naja mir soll es ja egal sein solange die Wirtschaft stabil bleibt…Finde es aber mal eine sehr gute Diskussion!! Lg chris
Reinhard Hartl
Vielleicht verletzen Frauen öfter als die männlichen Kollegen den Verhandlungsgrundsatz der letzten Konsequenz, nach dem Motto “und wenn es mich das Leben kostet”. Ist natürlich übertrieben, aber in jeder Verhandlung geht es primär um die konkrete oder empfundene Verhandlungsmacht oder Verhandlungsposition. Mit dem Grundsatz der letzten Konsequenz ins Rennen zu gehen verhindet das Einknicken in irgendeiner Phase der Verhandlung. Es ist wie ein Leuchtturm, den man nie aus den Augen verlässt. Diesen Mechanismus muss man trainieren, z.B. schon bei Kleinigkeiten im Alltag.
Thorsten Dieser
@Reinhard stimme dir vollkommen zu – Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Frauen sogar die produktiveren Arbeiter, sich aber trotzdem oft Ihrer Sache nicht sicher sind. Das färbt auch auf solche wichtigen Gespräche oder Verhandlungen ab.
Reico
Ich sehe die Sache 50:50. Natürlich sollten die Frauen fordernder werden und ihre Leistungen nicht unter den Scheffel stellen. Auch ist jedoch zu sagen, dass das Thema Chancengleichheit immer noch nicht so aktuell ist, wie es sein müsste.