Ein Interview mit der Aachener Band Organic

Dave Naithani ist PR-Berater, ein Freund – und Musiker. Im Jahr 2000 gründete er zusammen mit vier Freunden die Band Organic. Aus der erträumten Rockstar-Karriere ist bisher zwar nichts geworden – trotzdem haben die Fünf nie aufgegeben, ihren Traum zu leben: Inzwischen ist ihre fünfte selbstproduzierte CD (“Five“) erschienen, Organic hat eine wachsende Fangemeinde, spielte auf diversen Festivals, gab schon eine eigene US-Tour und spielte als Support Act für die Donots, die Sportfreunde Stiller, Mia, Guano Apes, Die Happy, u.a.

Hörprobe: Lost for Words

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Dave, eure Band “Organic” gibt es seit rund elf Jahren. Ist das jetzt mehr Leidenschaft oder Verzweiflung doch noch einmal Profimusiker zu werden?

Es waren von Anfang an Leidenschaft für die Musik, Freundschaft und Spaß am Auftreten, die uns angetrieben haben – daran hat sich zum Glück bis heute nichts geändert. Aber ganz klar: Wir haben alle immer wieder mal vom großen Durchbruch geträumt. Und die Überzeugung, das Zeug dazu zu haben, hat uns zusätzlich angespornt, Vollgas zu geben. Heute schwingt eher ein Jetzt erst recht! mit. Die meisten Bands, denen wir in den vergangenen Jahren begegnet sind, haben mittlerweile die Flinte ins Korn geworfen. Wir sind offen gesagt schon ein wenig stolz auf das, was wir als Band erreicht und erlebt haben – und das in vollständiger Gründungsbesetzung. Das Schöne ist ja, dass man nach so langer Zeit zusammen auch über die Dinge lachen kann, die man zum jeweiligen Zeitpunkt gar nicht so lustig fand. Etwa mitten in der Woche fünf Stunden lang in einer bis unters Dach bepackten und von Mama geliehenen Karre quer durch die Republik zu fahren, um vor zehn bekifften Studenten in einem AStA-Hinterzimmer zu spielen – und mit einer Less-than-Spritgeld-Gage nachts Heimfahrt anzutreten.

Dennoch investiert ihr regelmäßig viel Zeit und Geld in eine neue CD-Produktion. Warum eigentlich?

Bei unserer neuen Scheibe war es eine bewusste Entscheidung, die Songs, die wir in den vergangenen Jahren geschrieben haben, für uns selber festzuhalten. Klar, hatten wir früher auch die Hoffnung, mit hochwertig produzierten Aufnahmen einen möglichst guten Eindruck bei A&R-Managern und Konzertveranstaltern zu machen. Aber wir hatten von Anfang an auch einen hohen Anspruch an uns als Band – selbst wenn es nur ein Hobby ist. Das ist vergleichbar mit jemandem, der gut und leidenschaftlich Tennis spielt: der wird mit einem Schläger vom Discounter auch nicht glücklich. Wieviel uns der Spaß kostet, bleibt aber besser unser Geheimnis – im Discounter waren wir jedenfalls nicht: Während unserer Aufnahmen sind wir unter anderem Christina Stürmer sowie den Bands Juli und Madsen im Tonstudio über den Weg gelaufen.

Wer ist Organic?

Torsten Borrmann, 1976, Gesang: Jede Band sollte eine Diva haben – Organic hat Torsten! Was die Zeit vor dem Spiegel und die Menge an Haarspray angeht, kann er mit jeder Frau mithalten. Auf der Bühne ist er sich aber für nichts zu schade. Vom ersten bis zum letzten Song gibt es alles und titscht umher. Im Privatleben hat sich der gelernte Schaufensterdekorateur vor einiger Zeit selbstständig gemacht (Bandkontakt: 0179-4544565).
Dirk Kruchem, 1976, Gitarre und Backing Vocals: Er hat die Statur eines Türstehers, ist übersäht mit Tattoos und der Rock’n’Roll-Beamte der Band: Stets pünktlich, gewissenhaft, Finanzminister der Band und prädestinierter Bandbusfahrer, weil er wirklich noch nie einen Tropfen Alkohol getrunken hat. Kruchem ist Diplom Konstruktions- und Entwicklungsingenieur und Vater von zwei Töchtern.
Olivier Chavet, 1980, Schlagzeug: Der diplomierte Agronom hat seinen Job als Milchkontrolleur vor zwei Jahren an den Nagel gehängt und finanziert sein Studium der Jazzmusik derzeit mit den Erzeugnissen seines kleinen Bauernhofes. Beim Schlagzeugspielen sieht er aus als würde er entspannt im Wartezimmer sitzen. Viele Worte macht er auch nicht, obwohl er als Ost-Belgier nicht nur Deutsch, sondern auch fließend Flämisch und Französisch parlieren könnte.
Peter Stollenwerk, 1975, Bass und Backing Vocals: Eigentlich ist es Gitarrist und Sänger. Da die Posten aber schon vergeben waren, kaufte er sich einen Bass – und spielt damit, als hätte er nichts anderes gelernt. Hat er aber: Wasserbauingenieur.
Dave Naithani, 1976, Gitarre und Backing Vocals: Der halb-indische Amerikaner macht Dinge gerne auf den letzten Drücker und treibt die anderen mit seinem Hang zum Perfektionismus in den Wahnsinn. Seine Chance auf den musikalischen Durchbruch verpasste der gelernte Krankenpfleger, der nach einem späten Studium heute als PR-Berater tätig ist, als seine Gitarrenschülerin Magarethe Schreinemakers (genau die!) mangels Zeit die Gitarre wieder zur Seite legte.

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Wie muss man sich so eine Studio-Produktion vorstellen?

Es gibt mehrere Phasen im Studio. Die ersten paar Tage sind meist die lustigsten, weil wir da in der Regel vollständig als Band anwesend sind, um gemeinsam das musikalische Grundgerüst einzuspielen. Das hat starken Klassenfahrtcharakter: große Vorfreude, viel Spaß im Kollektiv und wenig Schlaf. Der Rest ist viel Stückwerk. Da wir alle berufstätig sind, mussten wir jeweils an Wochenenden, Urlaubstagen oder nach Feierabend nach Bochum fahren, um unsere jeweiligen Parts einzuspielen. Da wird dann viel experimentiert: welches Mikro, welche Gitarre, welcher Verstärker, welcher Effekt führt zum besten Ergebnis? Dabei entstehen auch komplett neue Ideen, die dann dauerhaft in die Songs einfließen. Vor allem Torsten tobt sich am Ende gerne aus. Sein Lieblingssatz: „Gib mir nochmal eine Spur, ich möchte da grad was ausprobieren…“ Nachdem sich unser Produzent eine Weile zum Abmischen zurückgezogen hat, bekommen wir vorläufige Mixe zugeschickt – und dann ist erstmal Erbsenzählerei angesagt: Hier muss noch irgendwas lauter, da leiser, hier ein Knackser entfernt, da ein verpasster Einstieg gerade gerückt, dort ein Effekt etwas zurückgenommen werden und an anderer Stelle fehlt es an einer Portion Wumms. Das kann pro Lied schon ein paar Abstimmungsrunden in Anspruch nehmen. Nach mehreren Monaten – diesmal war es fast ein Jahr – haben wir uns dann zum finalen Schliff noch mal im Studio getroffen. Das war aber nur der rein musikalische Part. Zu einer CD-Produktion gehören jedoch auch noch Dinge wie das Gestalten des Covers, das Herumschlagen mit der Gema, Pressung, Organisieren der Releaseparty, Marketing, so was. Wenn man die fertige CD dann endlich in Händen hält, ist das auf jeden Fall ein geiles Gefühl!

Ihr habt ja inzwischen alle feste Jobs. Aber was wäre, wenn euch morgen doch noch ein großes Plattenlabel anruft, um euch unter Vertrag zu nehmen?

Ein sehr unrealistisches Szenario, aber wir haben ja Phantasie: In dieser Phantasiewelt stünde in diesem Vertrag, dass wir von Anfang an sehr viel Geld von der Plattenfirma bekommen würden. Genug Geld, um weiter unsere Mieten, Eigentumswohnungen und ein frisch gebautes Haus abzustottern zu können, um unsere jüngst gegründeten Familien zu ernähren und Windeln zu kaufen oder die Autoversicherung zu bezahlen. Was unter diesen Umständen wäre, wenn ein großes Plattenlabel anruft? Rock’n’Roll! Unsere Jobs hinschmeißen, ausgedehnte Konzerttourneen spielen und endlich mal die Verstärker von anderen schleppen lassen! Aber ernsthaft: Wir fänden es natürlich großartig, wenn wir musikalisch so erfolgreich wären, dass wir davon leben könnten. Fakt ist jedoch: Wir sind keine ledigen Studenten mehr, die nur noch für sich selber Verantwortung tragen. Es gibt Verpflichtungen familiärer, finanzieller und beruflicher Art. Und das ist auch gut so. Von daher würden wir uns über den Anruf vom Plattenlabel freuen, aber auf jeden Fall zusammen mit unseren Partnern einen kritischen Blick aufs Kleingedruckte werfen.

Wie würdet ihr eure Musik beschreiben?

Die Kurzfassung: Rock’n Roll der Neuzeit. Emotionsgeladene Gitarrenmusik, die mal mit leisen aber meist mit lauten Tönen daherkommt – ohne Schnickschnack und trotzdem mit Liebe zum Detail. Ohne Scheu vor eingängigen Melodien, aber mit Ecken und Kanten. Worum es uns mit der Musik geht? Wenn du damit die neuen Aufnahmen meinst: Das ist wahrscheinlich ähnlich, wie bei einem Maler, der ein Bild im Kopf hat und das irgendwie auf Leinwand bannen muss und dafür viel Zeit und Herzblut aufbringt. Wir haben einfach nach wie vor Bock darauf. Die Proben sind gleichzeitig unser kreativer Ausgleich und ein Stammtisch mit alten Freunden. Auf Live-Auftritte freuen wir uns, wie ein Kind aufs Phantasialand. Wenn wir dann noch andere für unsere Musik und vielleicht sogar für uns als Band begeistern können, dann ist das natürlich eine Bestätigung. Aber auf jeden Fall haben wir über die Jahre als Band viele Anekdoten ansammeln können, die sich noch unsere Enkel anhören werden müssen.

Hörprobe: World on Fire

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Wer schreibt die Songs bei euch – und was kommt zuerst: der Text oder die Melodie?

In der Regel kommt einer der Gitarristen oder Torsten mit einem Riff, einer Akkordfolge oder einer Melodie in den Proberaum. Wenn die Idee bei den anderen gut ankommt, dann stricken wir als Band einen vollständigen Song daraus. Die Texte kommen fast immer zuletzt. Torsten hat die Gabe, im Proberaum erstmal spontan irgendein Wörtermischmasch drauflossingen zu können und die Texte folgen dann später – manchmal in letzter Minute im Auto auf dem Weg ins Studio. Gefühltermaßen wurden in den Liedern mehr Ex-Freundinnen verarbeitet, als Torsten jemals hatte.

Wie viele Konzerte gebt ihr im Jahr?

Eine zeitlang waren es etwa 30 im Jahr. Da haben wir aber auch noch unsere Urlaube terminlich aufeinander abgestimmt. Aber auch hier haben sich die Dinge geändert. Mittlerweile müssen zusätzlich zu uns Fünfen noch fünf Partner, vier Kinder und unsere Arbeitgeber oder Kunden in die Planung einbezogen werden. So kommt es, dass der eine sich in den Urlaub verabschiedet, wenn der andere gerade zurückkehrt und wir allein deshalb viele Konzertanfragen zurückweisen müssen. Im letzten Jahr konnten wir unsere gemeinsamen Auftritte deshalb leider an einer Hand abzählen. Aber wer weiß, vielleicht wird das mit der neuen Scheibe anders.

Dave, ich danke dir für das Gespräch – und euch allen viel Erfolg!

CDs zu gewinnen!

Unter allen Lesern, die diesen Artikel bei Facebook liken, auf Twitter twittern oder hier kommentieren, verlosen wir zwei Mal ein Exemplar der “Five”-CD von Organic.