Ein Interview mit der Autorin Angelika Gulder

Angelika Gulder ist Diplom-Psychologin und Coach für Persönlichkeitsentwicklung sowie Karriereberaterin. Und sie hat gerade ein Buch über Träume geschrieben, das diese Tage erscheint: Aufgewacht!. Ein erfüllender Job, eine Weltreise, ein Leben als Aussteiger – wir alle haben solche Lebensträume. Die Bestsellerautorin erklärt in ihrem Selbstcoaching-Buch, welche Rolle diese Träume für unsere Psyche spielen, woher sie kommen – und wir haben sie gefragt, wie man sie verwirklicht.

Frau Gulder, wovon träumen Sie gerade?

Beruflich träume ich davon, dass mein neues Buch möglichst viele Menschen erreicht, die ihr Leben dann so leben können, wie es ihnen wirklich entspricht. Privat wünsche ich mir schon seit langem einen zweiten Hund. Und einen zweiten Lebensmittelpunkt, an dem ich in Ruhe meine nächsten Bücher schreiben kann. Der zweite Hund zieht in ein paar Tagen bei uns ein. Der zweite Lebensmittelpunkt wird vermutlich im nächsten Frühjahr Realität. Beides ist auf den ersten Blick nicht wirklich vernünftig, aber es ist das, wonach sich meine Seele sehnt. Das Leben ist zu kurz für Kompromisse.

Sie sagen, jeder kann das Leben seiner Träume führen. Im Ernst?

Davon bin ich absolut überzeugt. Ich bin seit fast 20 Jahren als Coach tätig und habe immer wieder erlebt, wie meine Kunden scheinbar Unmögliches wahr gemacht haben. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir wirklich sicher sind, dass es unsere eigenen Träume sind, die wir da erfüllen wollen. C.G. Jung hat gesagt, unsere Lebensträume sind das Potenzial unseres Wesenskerns, also das, was wir als Anlagen mit in diese Welt gebracht haben, deshalb kann ich was ich träumen kann, auch erreichen. Mit Potenzial allein ist es aber nicht getan. Ich muss auch bereit sein, mich voll einzusetzen und statt abends auf der Couch zu liegen, dann eben die nötige Fortbildung für meinen Traumjob zu machen oder den Nebenjob zu finden, um mir den Traum von der Weltreise zusammenzusparen. Die meisten Träume scheitern nicht, weil sie unerfüllbar sind, sondern weil die Menschen zu bequem sind und sich ständig sagen, warum etwas sowieso nicht geht, statt sich zu fragen, wie es gehen könnte.

Oder wie ich immer sage: Wer etwas will, findet Wege; wer etwas nicht will, findet Gründe. Ihr Buch heißt wohl nicht zufällig “Aufgewacht!”. Viele Menschen träumen doch auch von Dingen, die nicht sinnvoll sind.

Ja, viele Menschen träumen von Dingen, die sie von den Eltern, Partnern, Freunden oder der Gesellschaft übernommen haben. Diese Träume machen dann nicht nur nicht glücklich, wenn sie erfüllt werden, sondern hinterlassen häufig einen schalen Nachgeschmack. Einer meiner Kunden hat sich jahrelang gequält, um endlich den Doktortitel zu haben und ist dann depressiv geworden, als er es endlich geschafft hatte. Das habe ich – leider – in meiner Praxis schon öfter erlebt. Wenn wir übernommene Träume erfüllen, hat am Ende keiner was davon. Deshalb geht es in meinem Buch auch darum, den einen vom anderen Traum unterscheiden zu lernen und Träume, die uns nicht gut tun, aufzugeben.

Vor welchen Träumen warnen Sie denn ganz konkret?

Vor solchen, die wir nur haben, weil sie alle haben oder weil wir damit ein ganz anderes Bedürfnis überdecken wollen. In dem Fall können wir viel Geld, Zeit und Energie verschwenden und am Ende unglücklich werden. Gerade hatte ich wieder den typischen Fall eines Mannes in der Midlife-Crisis, der sich jetzt den Porsche gekauft hat. Kein Klischee, ist wirklich so! Und jetzt fühlt er sich noch schlechter als vorher, denn die erwünschte Anerkennung hat ihm der Porsche nicht gebracht. Dafür ein paar mitleidige Blicke aus seinem Umfeld.

Was ist eigentlich Ihr Lebenstraum-Navigator? Klingt etwas esoterisch…

Das ist eine von mir entwickelte Coaching-Methode, mit der man sich selbst besser kennenlernt, mit seiner Vergangenheit Frieden macht und mit Hilfe des gesunden Menschenverstands und der inneren Stimme seine Träume systematisch analysiert und entwickelt. Der Lebenstraum-Navigator zeigt darüber hinaus im Bereich Partnerschaft, Lebensmittelpunkt, Hobbys, Besitz, Abenteuer und Einsatz für andere, was einen wirklich glücklich macht.

Aber verändern sich manche Träumen denn nicht im Laufe des Lebens?

Doch, natürlich tun sie das, alles andere wäre auch furchtbar langweilig. Als Kind träume ich vielleicht davon, kreativ zu arbeiten und stelle mir dazu einen Künstlerberuf vor. Später wird daraus dann ein eigenes Café. Oder ich träume als Kind vom Haus auf dem Land, als Erwachsene fühle ich mich dann auch mit der Eigentumswohnung mit Garten wohl. Die Grundidee, kreativ zu sein oder im Eigenheim zu wohnen, bleibt dabei aber immer erhalten. Unsere Träume sind die große Überschrift, unter der sich dann viele Facetten des Traums zeigen können und realisiert werden wollen. Hermann Hesse hat dazu geschrieben: „Man muss seinen Traum finden, dann wird der Weg leicht. Aber es gibt keinen immerwährenden Traum, jeden löst ein neuer ab, und keinen darf man festhalten wollen.“.

Jetzt mal konkret: Wie findet man jene Träume, die man verwirklichen sollte?

Was wir als Kinder gelernt haben, prägt unser gesamtes Leben. Heiraten, Häuschen bauen, Kinder kriegen. Ist es wirklich das, was wir wollen? Wir finden unsere wahren Träume, indem wir uns ganz systematisch mit uns selbst auseinander setzen. Statt uns wie ein Automat von Außen bestimmen zu lassen und nur zu tun, was alle tun.

Und wie gelingt es, das dann Realität werden zu lassen?

Ich habe für mein Buch ein Dutzend erfolgreiche Lebenstraum-Profis interviewt, also Menschen, die ihre zum Teil enorm großen Träume wirklich leben. Alle haben eins gemeinsam: Sie sind bereit, alles für ihre Träume zu geben. Wer das als Voraussetzung mitbringt und auch bereit ist, das Risiko einzugehen, zu scheitern und noch mal von vorne anzufangen, der wird das Leben seiner Träume finden. Sie wollen eine Weltreise machen? Verkaufen Sie Ihr Haus! Verrückt? Aber wieso eigentlich nicht? Wer bereit ist, alles zu wagen, dem tun sich Wege auf, die er zuvor nicht gesehen hat. Deshalb lautet das Motto meiner Arbeit: „Ich bin diesen Weg gegangen, ich bin jenen Weg gegangen, dann bin ich meinen Weg gegangen“.