Immer wieder bescheinigen Studien, dass Menschen, wenn sie versuchen Gruppenentscheidungen zu treffen, die meiste Zeit damit verbringen, anderen Dinge zu erzählen, die schon alle wissen. Kaum einer ist bereit, neue Aspekte einzubringen oder Informationen zu teilen, die nur er oder sie besitzt. Und dabei ist es völlig unerheblich, ob diese Teams nach einem neuen Mitarbeiter, dem besten Investment oder nach einem Schuldigen suchen. Das Ergebnis ist in allen Fällen dasselbe: Mittelmaß – und miese Entscheidungen.

Nun gibt es ein ebenso faszinierendes wie kreatives Spiel, auf das mich Bee per Mail hingewiesen hat (Danke!): die sogenannte Marshmallow Challenge, bei der einzelne Teams aus Spaghetti einen Turm bauen sollen. Was aber wirklich dabei passiert, ist: Sie können auf diese Weise ebenso einen subtilen Testlauf absolvieren, wie gut Ihre Teams zusammenarbeiten, bevor Sie sie an ein echtes Projekt setzen. Die Regeln der Marshmallow Challenge sind zudem simpel: Jedes Team bekommt…

  • 20 Spaghetti
  • 1 Rolle Klebeband
  • 1 Rolle Bindfaden
  • 1 Marshmallow

Ziel ist es, binnen 18 Minuten mit den Spaghetti den höchstmöglichen, freistehenden Turm zu bauen auf dessen Spitze der Marshmallow stecken muss.

Keine allzu schwere Aufgabe, sollte man meinen. Und üblicherweise beginnen die Teams auch sofort damit, zu kollaborieren: Sie diskutieren diverse Bauarten, planen das Konstrukt und beginnen schließlich damit, einen solchen Spaghetti-Turm zu erschaffen, bis 18 Minuten später – Ta-da! – der Turm steht und jemand triumphal den Marshmallow oben aufsteckt. Was aber mehrheitlich passiert, ist, dass sich das Ta-da!-Erlebnis in eine Oh-Oh!-Krise verwandelt und der Turm zusammenbricht.

Wie sich bei diversen Experimenten mit der Marshmallow Challenge zeigte, waren die schlechtesten Teams ausgerechnet Absolventen einer Business School: Sie bekriegten und betrogen sich, arbeiteten nicht zusammen, sondern gegeneinander oder ließen andere für sich arbeiten… Kommt Ihnen das bekannt vor?

Dann lesen Sie bitte weiter! Die Gruppen, die dagegen am besten abschnitten und praktisch nie an der Aufgabe scheiterten, waren – Kindergartenkinder.

Warum ist das so?

Nun, die Antwort ist weder überraschend noch so trivial wie sie klingt: Zu keinem Zeitpunkt hat eines der Kinder versucht, CEO von Spaghetti Inc. zu werden. Eitle und Kräfte zehrende Rivalitätskämpfe fielen damit schon einmal weg. Der zweite Grund ist aber noch interessanter: Die Business-School-Absolventen waren darauf trainiert, die einzig richtige Lösung zu finden. Wenn sie dann aber den Marshmallow auf die Spitze piksten und die ganze Konstruktion zusammenbrach, hatten sie keine Zeit mehr, eine neue zu bauen – und erleben eine klassische Krise. Die Kindergartenkinder dagegen begannen einfach mit einer Marshmallow-Spaghetti-Konbination und bauten darauf basierend Prototypen – einen um den anderen. Immer mit dem Marshmallow oben auf. So verbesserten sie ständig ihre Konstruktion, erlebten Erfolge und Irrtümer, hatten am Ende die ungewöhnlichsten Bauwerke – aber eben auch solche, die aufrecht standen. Und natürlich bekam jeder im Kinder-Team unmittelbar Feedback darüber, was funktionierte und was nicht.

Wer baut die höchsten Türme?

Auch das haben die Initiatoren um Tom Wujec, einem eifrigen Anwender der Marshmallow Challenge, gemessen. Ergebnis:

  • Der Durchschnitt kommt auf eine Bauwerkshöhe von 50 Zentimetern.
  • Business-School-Absolventen erreichen im Schnitt nur 25 Zentimeter.
  • Anwälte schaffen immerhin schon eine Höhe von rund 40 Zentimetern.
  • CEOs konstruieren im Schnitt 60 Zentimeter-Bauwerke.
  • Kindergartenkinder bauen bis zu 75 Zentimeter hoch.
  • Teams mit nur einem CEO werden sogar noch besser: rund 80 Zentimeter.
  • Am höchsten aber bauen Ingenieure und Architekten – bis zu einem Meter hoch (wenn sie vorher nich scheitern).

Bemerkenswert ist zudem, was passierte, als Tom Wujec zehn Teams aus Design-Studenten zu einem Wettkampf aufforderte und dem besten davon einen Preis von 10.000 Dollar versprach: nichts. Kein Team erschuf einen haltbaren Turm – im Gegensatz zu den zehn Teams, die ohne Belohnung immerhin ein paar Bauwerke zustande brachten. Als man wiederum denselben Teams vier Monate später dieselbe Aufgabe noch einmal stellte, waren fast alle erfolgreich: Sie hatten erkannt, wie wichtig es ist, miteinander zu arbeiten und obendrein über Prototypen einen standfesten Turm zu entwickeln.

Die ganze Geschichte können Sie sich übrigens auch in diesem sehr spannenden TED-Vortrag von Tom Wujec selbst erzählen lassen. Und ein Blog dazu gibt es inzwischen auch sowie eine Bildergalerie mit zahlreichen Spaghetti-Türmen…