Es war ein einfacher Versuchsaufbau. Ein paar Ärzte wurden in Dreiergruppen aufgeteilt und bekamen je zwei Videos von einem Patienten zu sehen. Das erste Video sahen alle. Vom zweiten Video gab es drei Varianten, so dass in jeder Gruppe die Ärzte je einen zweiten unterschiedlichen Clip sahen. Anschließend sollten Sie eine Diagnose für den Patienten erstellen. Soweit, so normal. Der Knackpunkt in dem Experiment war jedoch: Die entscheidenden Informationen für eine richtige Diagnose lagen in den individuellen Videos. Die Ärzte würden also nur richtig entscheiden können, wenn sie jeweils exklusive Informationen teilen würden. Was passierte?
Vermutlich ahnen Sie es: Weißkittelträger redeten fast ausschließlich über den Film, den alle drei gesehen hatten, mit dem Effekt, dass ihre Diagnose nur suboptimal ausfiel. Frag drei Ärzte, und du bist tot… Dabei kann man den Ärzten eigentlich überhaupt keinen Vorwurf machen: Sie handeln wie wir alle.
Immer wieder bescheinigen psychologische Studien, dass Menschen, wenn sie versuchen Gruppenentscheidungen zu treffen, die meiste Zeit damit verbringen, anderen Dinge zu erzählen, die sie schon alle wissen. Kaum einer ist bereit, neue Aspekte einzubringen oder Informationen zu teilen, die nur er oder sie besitzt. Und dabei ist es völlig unerheblich, ob diese Teams nach einem neuen Mitarbeiter, dem besten Investment oder nach einem Schuldigen suchen. Das Ergebnis ist in allen Fällen dasselbe: Mittelmaß – und miese Entscheidungen.
Warum das so ist? Dafür kommen gleich mehrere Motive infrage:
- Ziele. Die einzelnen Teammitglieder können jeweils unterschiedliche (egoistische) Ziele verfolgen, die mit dem Gruppenziel nicht harmonieren. Entsprechend opportun verhalten sie sich und behalten ihr Herrschaftswissen für sich, weil das aus ihrer Sicht den größeren Vorteil bringt.
- Angst. Gruppendynamik und Gruppenzwang können Diskussionen massiv beeinflussen. Wann immer Mitarbeiter fürchten, wegen ihrer abweichenden Meinung diskriminiert zu werden (und sei es nur, weil sie durch einen intelligenteren Vorschlag aus dem herrschenden Mittelmaß herausragen), halten sie die Klappe.
- Vorurteile. In der Regel ist es so, dass sämtliche Teammitglieder bereits eine Art Vorentscheidung getroffen haben, bevor die Diskussion beginnt. Wenn Sie dann Argumente austauschen, bringen sie jedoch nur noch solche Informationen ein, die – Überraschung! – ihr eigenes Vorurteil bestätigen und allein zu ihrer Entscheidung führen. Kurz: Sie versuchen die Gruppe zu manipulieren. Doch genau diese Vorentscheide beruhen ganz oft – Überraschung zwei! – auf denselben Informationen, die alle haben.
- Erinnerung. Wenn es um schnelle Entscheidungen geht, haben wir leider nicht immer alle Informationen sofort aus dem Gedächtnis parat. Was wir aber meist sehr gut und sehr schnell erinnern, ist das, was alle sowieso schon wissen und deshalb ständig wiederholen.
Typische Syndrome die Herrschaftswissen begünstigen
Es gibt allerdings auch ein paar typische Syndrome (leider haben die allesamt englische Titel), die verhindern, dass Wissen im Betrieb geteilt wird. Diese:
Management | Mitarbeiter |
---|---|
|
|
|
|
Was sich dagegen tun lässt? Nicht viel…
Mehr Kontroverse. „Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer von ihnen überflüssig“, ätzte schon der britische Premierminister Winston Churchill. Und er hat Recht: Je mehr die Teilnehmer untereinander harmonieren, desto weniger Reibereien gibt es. Das mag dann zwar kuschelig sein, es wirkt aber wie Gift fürs Geschäft. Und Kreativitätsforscher wissen: Ist die Gruppe zu gleichartig, entstehen kaum noch brillante Ideen. Die Gedanken drehen sich lediglich im Kreis.
Weniger Gruppendruck. Wenn Teammitglieder das Gefühl haben, neue Ideen sind grundsätzlich willkommen und werden zunächst gehört, dann bekommen sie auch mehr Mut diese zu äußern. Das ist jedoch vor allem eine Management-Aufgabe, Neues und Ungewohntes zuzulassen beziehungsweise zu fördern und zu belohnen.
Advocatus diaboli. Klassische (und erfolgreiche) Kreativtechniken setzen darauf, die Dinge bewusst aus unterschiedlichen Warten zu sehen. Bevor Sie eine Entscheidung treffen, sehen Sie es einmal ganz bewusst von der anderen Warte und bürsten Sie das dicke Fell der Kollegen gegen den Strich. Meist bringt das völlig neue Erkenntnisse – und vielleicht auch bislang exklusive Informationen.
Pingback: Tweets die super artikel zur innerbetrieblichen wissens-rotation: #km erwähnt -- Topsy.com
Pingback: Tweets die „Mengenleere – Warum im Büro so wenig Wissen geteilt wird“ auf karrierebibel.de – Jeden Tag mehr Erfolg! erwähnt -- Topsy.com
Pingback: Geteiltes Wissen: Unternehmen steigern Kompetenz und Gewinn | servicereport.eu
Lutz Breunig
Wissen und Erfahrung gilt heutzutage mehr als je zuvor als ein zu schützendes Gut. Wer es geschickt nutzt, macht sich unentbehrlich; wer es offen legt, schafft sich Konkurrenz und wird gegebenenfalls austauschbar. Dabei ist Spezialwissen bis zu einem bestimmten Grad bei allen Mitarbeitern eines Unternehmens vorhanden.
Pingback: „Puzzle oder Hologramm? Wie Teams erfolgreicher werden“ auf karrierebibel.de – Jeden Tag mehr Erfolg!
Pingback: „Blogschokolade – Die besten Beiträge des Jahres 2010…“ auf karrierebibel.de – Jeden Tag mehr Erfolg!
Pingback: „Drei Büro-Syndrome, die echte Teamarbeit und Innovationen behindern“ auf karrierebibel.de – Jeden Tag mehr Erfolg!
Pingback: „Teile Ideen! – Offensichtlich für einen, genial für andere“ auf karrierebibel.de – Jeden Tag mehr Erfolg!