Ein Interview mit McKinsey-Recruitingchef Thomas Fritz
Thomas Fritz, 35, ist seit 2008 Director of Recruiting von McKinsey & Company in Deutschland. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität zu Köln begann er von 2001 bis 2003 seine Karriere bei McKinsey. Anschließend promovierte er an der Universität Witten/Herdecke und kehrte 2005 zu McKinsey zurück, um als Projektleiter Klienten aus der Logistikbranche und der Konsumgüterindustrie zu beraten. Zusammen mit Allianz, Bertelsmann und Henkel hat McKinsey kürzlich das Praktikanten-Programm “Gapyear” gestartet. Dabei können Bachelor-Absolventen ein Jahr lang die Zeit bis zum Masterstudium mit Praktika bei einem der assoziierten Unternehmen überbrücken. Die Bewerbungsfrist dauert noch bis Ende Februar. Wir wollten vorher wissen, was das Programm wirklich bringt.
Herr Fritz, haben Allianz, Bertelsmann, Henkel und McKinsey soeben ein Lückenbüßerprogramm orientierungslose Berufseinsteiger geschaffen?
Ganz im Gegenteil! Für viele Studenten steht der Begriff Gapyear nicht für eine Lücke, sondern für eine besonders spannende Zeit zwischen zwei Studienabschnitten. Im Gapyear nehmen sie sich eine Auszeit vom akademischen Curriculum, um die Praxis zu sehen oder einfach die Welt kennenzulernen, bevor es in den Endspurt des Studiums geht. Danach sind sie um viele Erfahrungen reicher und wissen meist auch viel genauer, wo sie hin wollen. Mit zögerlichem Berufseinstieg hat das nichts zu tun. Wir finden es gut, wenn unsere Berater schon etwas erlebt und vielfältige Einblicke in die Praxis gesammelt haben, bevor sie bei uns einsteigen. Das ist mir persönlich auch viel wichtiger als ein im Höchsttempo abgeschlossenes Studium.
Welche Vorteile soll das denn haben, ein ganzes Jahr mit jeweils drei 3-monatigen Praktika zu verbringen?
Wann hat man schon die Gelegenheit, drei so unterschiedliche und weltweit führende Unternehmen von innen zu erleben, teilweise ganz nah am Vorstand oder direkt beim Klienten irgendwo auf der Welt? Dieses Jahr ist in seiner Vielseitigkeit einzigartig. Die Teilnehmer sammeln zum einen viel Erfahrung und können über das ganze Jahr eine enge Beziehung zu Mentoren aus mehreren Unternehmen aufbauen. An Vorteilen mangelt es also sicher nicht. Gleichzeitig ist das Programm äußerst flexibel: Anzahl und Länge der Praktika können individuell variiert werden. Wir passen das Gapyear an die Pläne der Teilnehmer an, denn uns sind auch die persönlichen Projekte der Teilnehmer wichtig. Henkel zum Beispiel vermittelt auch auf Wunsch Projekte aus seinem weltweiten Entwicklungshilfe-Programm.
Wie kamen Sie auf die Idee dazu?
Ganz ehrlich?
Ich hoffe doch, dass Sie ehrlich antworten…
Durch Diskussionen mit unseren Bewerbern und Praktikanten. Wir haben im Gespräch mit ihnen immer wieder gehört, dass es nicht so einfach ist, spannende Praktika mit den teilweise sehr engen Studienplänen in Einklang zu bringen. Viele wollen zudem auf jeden Fall einen Master machen, aber nach dem Bachelor auch Berufserfahrung sammeln. Dabei wollen sie sich aber noch gar nicht auf einen Bereich festlegen oder gar in eine Festanstellung gehen, die sie dann nach ein bis zwei Jahren für den Master wieder kündigen müssten. Da haben wir uns gedacht: Ein Angebot wie unser Gapyear ist genau die richtige Wahl.
Was passiert denn während der Praktika?
Ob zwei oder drei Praktika, ob drei, vier oder sechs Monate – das passen wir individuell an die Pläne und Wünsche der Teilnehmer an. Mindestens drei Monate sollten sie schon dauern, denn nur so lassen sich wirklich nachhaltige Eindrücke sammeln. Während der Bachelor-Semesterferien hat man selten so viel Zeit. Die Praktika selbst sind ganz unterschiedlich: Bei der Allianz forschen die Gapyear-Praktikanten nach neuen Wachstumsfeldern und entwickeln daraus innovative Versicherungsleistungen. Bei Bertelsmann erarbeiten sie Handlungsempfehlungen für den Vorstand. Bei Henkel kann der Einsatzbereich im Brand Management in Shanghai liegen und bei McKinsey sind die Praktikanten immer direkt vor Ort beim Klienten und volles Mitglied des Teams. Ganz wichtig: Jeder Teilnehmer hat in jedem Unternehmen einen persönlichen Mentor, der ihn während des gesamten Programms – auch nach dem Praktikum – unterstützt und den Kontakt hält.
Werden die Praktika bezahlt?
Die Praktika sind jeweils so attraktiv vergütet, dass sich daraus locker auch noch ein mehrmonatiges persönliches Projekt finanzieren lässt.
Wer kann sich denn bei Ihnen bewerben, wie und bis wann?
Das Gapyear-Programm richtet sich an Studenten aller Fachrichtungen, die im Sommer 2012 ihren Bachelor abschließen und die Aufnahme eines Master-Studiums planen. Bewerben kann man sich noch bis zum 28. Februar unter www.gapyear2012.de
Aber Sie nehmen doch sicher nicht jeden?
Wir erwarten von den Teilnehmern schon hervorragende akademische Leistungen in ihrem Fach. Wichtig sind uns aber auch ein Interesse an Wirtschaftsfragen und die Begeisterungsfähigkeit, sich mit völlig neuen Themen und Fragestellungen zu beschäftigen.
Das klingt wie die typischen Anforderungen an talentierte Berufseinsteiger. Ist Gapyear am Ende also eher ein 3-monatiges Vorstellungsgespräch bei einem der vier assoziierten Unternehmen?
Wenn Sie so wollen, kann man das auch so sehen. Als Teilnehmer sammelt man nicht nur wichtige Praxiserfahrung, man kann sich natürlich auch empfehlen für einen Direkteinstieg nach dem Masterabschluss.