Groll’s Arbeitsrechtskolumne

Peter Groll ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt. Für die Karrierebibel analysiert und kommentiert er regelmäßig wichtige und aktuelle Urteile aus dem deutschen Arbeitsrecht. So bleiben Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Fach- und Führungskräfte stets über ihre Rechte und rechtliche Fallstricke informiert.

Keine Kündigung nach hohem Schaden

Az.: 5 Sa 107/11 Der Assistent der Geschäftsleitung hatte Solarmodule im Wert von 1,6 Millionen Euro bestellt. Wohl nicht ganz im Sinne seines Chefs, denn der stornierte noch am selben Tag die Bestellung, was allerdings zu einer Stornogebühr in Höhe von zehn Prozent der Auftragssumme führte. Kein Peanuts also. Da kündigte der Arbeitgeber seinem Angestellten fristlos, Begründung: dieser habe seine Kompetenzen deutlich überschritten. Das akzeptierte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz jedoch nicht und hob die Kündigung auf. Ein eigenmächtiges Überschreiten von Kompetenzen könne zwar arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, doch setze dies eine konkrete und wirksame Vollmachtsbeschränkung voraus. Und selbst dann sei immer auf den Einzelfall abzustellen und eine Abmahnung vor der Kündigung erforderlich. Einzige Ausnahme: Dem Arbeitnehmer sei ein extremer Ausnahmefall anzulasten.

Job weg nach Stalking im Büro

Az.: 2 AZR 258/11 Nicht nur sexuelle Belästigung kann zur Kündigung führen – Stalking ebenso. Das musste ein Verwaltungsangestellter lernen, der bereits im Jahr 2007 eine Beschwerde wegen Belästigung einer Kollegin kassiert hatte. Sein Arbeitgeber verbot ihm daraufhin jegliche Kontaktaufnahme mit der Frau. Der Sinn dieser Warnung ging an dem Mann aber offenbar vorbei: Im Jahr 2009 belästigte schon wieder eine Kollegin, eine andere zwar, dafür mit hunderten E-Mails, unerwünschten Anrufen, Bürobesuchen und zunehmender Einmischung in deren Privatleben. Folge: fristlose Kündigung, die allerdings vom Hessischen Landesarbeitsgericht für unwirksam erklärt wurde – aber nur, weil es vorher keine Abmahnung gab. Der Arbeitgeber marschierte zum Bundesarbeitsgericht und bekam dort Recht: Eine Abmahnung brauche es hier nicht, weil der Übeltäter durch die bisherigen Umstände mehr als gewarnt war.

Keine Tantieme ohne Dividende

Az.: 10 AZR 670/10 Führungskräfte in der Finanzbranche erhalten zum Festgehalt oft zusätzlich eine Tantieme. Diese setzt in den meisten Fällen voraus, dass auch eine Dividende an die Aktionäre gezahlt wird. Daran störte sich ein Mitarbeiter, der im Krisenjahr 2008 aus genau diesem Grund erstmals keine Tantieme bekam. Er klagte bis zum Bundesarbeitsgericht und verlor in allen Instanzen. Die Richter entschieden dass die Regelung üblich und auch verständlich ist, da klar zu erkennen sei, dass es nur dann eine Tantieme gibt, wenn auch eine Dividende ausgeschüttet wird. Der Mann könne sich auch nicht auf eine betriebliche Übung berufen, weil in den jährlichen Bonusbriefen nicht mehr darauf hingewiesen wurde, dass die Tantieme von der Dividende abhängt. Jedenfalls lasse sich daraus kein Angebot auf eine unbedingte Zahlung ablesen. Oder kurz: Bei wirtschaftlichem Misserfolg leiden Aktionäre und Mitarbeiter gleichermaßen.