Groll’s Arbeitsrechtskolumne
Peter Groll ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt. Für die Karrierebibel analysiert und kommentiert er regelmäßig wichtige und aktuelle Urteile aus dem deutschen Arbeitsrecht. So bleiben Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Fach- und Führungskräfte stets über ihre Rechte und rechtliche Fallstricke informiert.
Betriebsbedingte Kündigung war unwirksam
Az.: 2 Sa 707/10 Ein Verkaufsdirektor fiel beim Vorstand in Ungnade und sollte wegen einer Umstrukturierung aus betriebsbedingten Gründen seinen Posten räumen. Der Vorstand wolle in Zukunft selbst die Arbeit des Verkaufsdirektors übernehmen. Das LAG Berlin-Brandenburg sah das anders und kassierte die Kündigung ein: Zwar seien unternehmerische Entscheidungen in der Regel nicht zu hinterfragen. Geprüft werden dürfe aber, ob die Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Eine Unternehmerentscheidung sei dann willkürlich, wenn es ihr alleiniges Ziel sei, einen bestimmten Arbeitsplatz wegfallen zu lassen um dann den Inhaber dieses Arbeitsplatzes betriebsbedingt zu kündigen, ohne dass damit ein wirtschaftlicher Erfolg verbunden wäre. Da der Arbeitgeber nicht darlegen konnte, wie genau das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer tatsächlich weggefallen ist, unterstellte das LAG eine willkürliche Entscheidung.
Prämie trotz Eigenkündigung
Az.: 1 AZR 412/09 Ein Bankangestellter sollte nach Abschluss des Geschäftsjahres mit dem Juligehalt eine erfolgsabhängige Prämie erhalten. Allerdings hatte der Angestellte noch im alten Kalenderjahr gekündigt – und dabei seine halbjährliche Kündigungsfrist bis zum 30. Juni des darauffolgenden Jahres eingehalten. In der Betriebsvereinbarung stand zudem, dass die Prämie bei Kündigung vor dem Auszahlungsstichtag erlöschen sollte. Also verweigerte der Arbeitgeber die Auszahlung. Zu Unrecht, urteilte das BAG. Es sah hierin einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes und damit in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl. Dieses Recht sei durch die Betriebsvereinbarung unverhältnismäßig stark eingeschränkt worden. Die Prämie sei erfolgsabhängig ausgestaltet und gehöre damit zum bereits verdienten Arbeitsentgelt. Zudem stellten die Richter fest, dass das Zurückhalten einer durch die Arbeitsleistung verdienten Vergütung stets ein unangemessenes Mittel sei, um einen Arbeitsplatzwechsel zu verzögern.
Abmahnt wegen falscher Postleitzahl
Az.: 4 Sa 711/11 Wer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber schickt, sollte hierbei sorgfältig handeln. Eine wirksame Abmahnung kassierte ein Arbeitnehmer, der die falsche Postleitzahl verwendete und dessen AU-Bescheinigung deshalb zu spät im Büro eintrudelte. Der Arbeitnehmer meinte, die Abmahnung sei unverhältnismäßig, er habe richtig handeln wollen und ihm sei nur ein kleiner Fehler unterlaufen. Das aber ließen sowohl die Arbeitsrichter in Bonn wie auch das LAG Köln nicht gelten. Eine Abmahnung setze nicht zwingend einen gravierenden Verstoß gegen Pflichten voraus. Die Abmahnung sei auch nicht so schwerwiegend wie eine Kündigung. Schließlich müsse auch bei einer später erfolgenden Kündigung erneut berücksichtigt werden, dass es sich bei der falschen Postleitzahl nur um einen geringfügigen Verstoß handelte. Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber an dem Ausspruch einer Abmahnung aus Beweisgründen interessiert sein.