Groll’s Arbeitsrechtskolumne

Peter Groll ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt. Für die Karrierebibel analysiert und kommentiert er regelmäßig wichtige und aktuelle Urteile aus dem deutschen Arbeitsrecht. So bleiben Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Fach- und Führungskräfte stets über ihre Rechte und rechtliche Fallstricke informiert.

Strafanzeige kann zur Kündigung führen

Az.: 6 Sa 304/11 Wenn Arbeitnehmer Missstände im Unternehmen aufdecken und an die Öffentlichkeit gehen, nennt man das „Whistleblowing“. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte letztes Jahr entschieden, dass Strafanzeigen gegen den eigenen Arbeitgeber grundsätzlich als freie Meinungsäußerung geschützt sind. Trotzdem sollte man sich so einen Schritt gut überlegen. Das zeigt die Entscheidung des LAG Köln, das die Kündigung eines Busfahrers für wirksam hielt: Hintergrund war der Unfall eines alkoholisierten Jugendlichen, der während der Fahrt den Nothahn eines Busses betätigte um den Bus zu verlassen – mit tödlichem Ende. Der Busfahrer marschierte zur Staatsanwaltschaft und behauptete, dass der Junge noch leben könnte, weil das Busunternehmen es unterlassen habe, eine automatische Bremsvorrichtung einzubauen. Das habe er von einem Kollegen gehört, der diese Äußerung dann allerdings bestritt. Gutachten kamen zum Ergebnis, dass es so eine Vorrichtung überhaupt nicht gibt. Der Mann kann sich jetzt eine neue Arbeit suchen. Die Richter warfen ihm vor, er hätte nicht ungeprüft solche Informationen weiter tragen dürfen.

Nazi-Vergleiche sind Kündigungsgrund

Az.: 2 AZR 355/10 Mit Nazivergleichen sollte man vorsichtig sein, sonst ist der Job schnell Geschichte. Das musste ein 55-jähriger Rettungsassistent lernen, der nach längerer Krankheit ein Gespräch mit seinem Personalleiter führte. Das fasste er dann in einem Schreiben so zusammen: „Ihre Aussage: ‘Wir wollen nur gesunde und voll einsetzbare Mitarbeiter’ ist in meinen Augen vergleichbar mit den Ansichten und Verfahrensweisen im Dritten Reich.“ Der Arbeitgeber lies sich das nicht bieten und kündigte fristlos. Der Mann marschierte durch alle Instanzen und bekam beim Bundesarbeitsgericht Gnade vor Recht. Begründung: Der Vergleich mit dem NS-Regime ist grundsätzlich ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung, er beleidigt die handelnden Personen und verharmlost das in der NS-Zeit begangene Unrecht. Die Richter stellten klar, dass den Mann nur seine lange störungsfreie Betriebszugehörigkeit von 23 Jahren in diesem speziellen Einzelfall rettete.

Zur Kündigung ist Vollmacht erforderlich

Az.: 2 Sa 290/11 Ein Contact Center Manager (CCM) hatte eine Mitarbeiterin mehrfach gekündigt. Diese konnte nach einer Suche im Intranet entnehmen, dass es sich dabei um den Niederlassungsleiter handelte. Mehr wusste die Mitarbeiterin aber nicht und wies die Kündigungen mangels Vollmachtsvorlage direkt zurück. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern bestätigte das. Es sei zwar bekannt, dass ein Niederlassungsleiter in der Regel eine Kündigungsvollmacht besitzt. Wer die Position aber gerade besetzt oder wie man dies herausfindet, war der Mitarbeiterin nicht mitgeteilt worden. Der Arbeitgeber musste daher lernen, dass eine Kündigung nicht nur eigenhändig mit Namensunterschrift unterzeichnet, sondern bei fehlender Bekanntgabe der Vollmachten im Betrieb auch eine Originalvollmacht zur Kündigung beigefügt werden muss. Wird dies bei unklarer Vollmachtslage versäumt und die Kündigung unverzüglich vom Arbeitnehmer zurückgewiesen, dann ist Kündigung unwirksam, selbst wenn tatsächlich eine wirksame Vollmacht intern bestand.