Groll’s Arbeitsrechtskolumne
Peter Groll ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt. Für die Karrierebibel analysiert und kommentiert er regelmäßig wichtige und aktuelle Urteile aus dem deutschen Arbeitsrecht. So bleiben Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Fach- und Führungskräfte stets über ihre Rechte und rechtliche Fallstricke informiert.
Auch ausländische Verträge zählen beim Kündigungsschutz
Az.: 2 AZR 12/10 Der Kündigungsschutz in Deutschland gehört zu den stärksten der Welt. Unternehmen gelingt es in nur wenigen Fällen eine „wasserdichte“ Kündigung auszusprechen, die nicht später vom Gericht wieder einkassiert wird. Was viele nicht wissen: Das Kündigungsschutzgesetz gilt nur in Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern und erst nach sechs Monaten. Vorher ist man schutzlos, der Arbeitgeber kann einfach kündigen. Das hatte auch eine lettische Bank vor, die für ihre Münchner Zweigstelle einen Filialleiter eingestellt hatte. Doch schon bald waren die Chefs mit dem Mann nicht mehr zufrieden und kündigten ihm im sechsten Monat der Probezeit. Die Klage des Mannes hatte schließlich beim Bundesarbeitsgericht Erfolg. Die Bank hatte nämlich nicht berücksichtigt, dass er insgesamt schon neun Monate tätig war, allerdings die ersten drei Monate mit einem Arbeitsvertrag nach lettischem Recht. Das war den Richtern aber egal – es komme nur auf die tatsächliche Beschäftigung in Deutschland an. Die Bank hatte damit ihren Filialleiter wieder.
Vorgetäuschte Arbeit führt zur Kündigung
Az.: 2 AZR 284/10 Ein Sachbearbeiter im Ordnungsamt war unter anderem damit betraut, die Einsatzfähigkeit und Ausstattung des Rettungsdienstes beim Roten Kreuz sicherzustellen. Die Kontrolle der Katastrophenschutzfahrzeuge wurde ihm dann irgendwann zu viel. Er füllte kurzerhand die Protokolle ungeprüft aus und bestätigte über Jahre, dass alle Fahrzeuge „einsatzfähig und in einem guten Zustand“ seien. Als die Sache aufflog, flog der Mann hochkantig aus seinem Job. Seine Klage hatte nur minimalen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht schrieb ihm ins Gebetbuch, dass er die Allgemeinheit gefährdet habe und der Arbeitgeber kein weiteres Vertrauen in ihn haben dürfte. Das wog so schwer, dass es nicht einmal einer Abmahnung als Warnung bedurfte. Weil die Kontrolle nur einen kleinen Teil seiner gesamten Arbeiten als Sachbearbeiter ausmachte, wandelten die Richter die fristlose Kündigung in eine ordentliche um.
Kündigung nach Stromklau
Az.: 3 Sa 408/11 Arbeitgeber können sehr kreativ sein, wenn es ums Kündigen geht. Das zeigt der Fall eines Anwalts, der seinen Rechtsanwaltsfachangestellten fristlos rausschmiss, weil der seinen elektrischen Rasierapparat in der Kanzlei aufgeladen hatte. Der Anwalt fühlte sich geprellt und nannte das „Stromunterschlagung“. Das Landesarbeitsgericht Köln nannte das eine „Lappalie“ und sah keinen wichtigen Grund für eine Kündigung. Auch der zweite Vorwurf, dass der Mitarbeiter einmal eine Stunde vor Dienstschluss gegangen sei, reichte den Richtern nicht. Trotzdem endete das Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung, denn die Anwaltskanzlei war ein sogenannter Kleinbetrieb, in dem es keinen Kündigungsschutz gibt. Die Streithähne hatten ursprünglich in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich geschlossen. Den brachte der Anwalt aber durch Anfechtung wegen Täuschung zu Fall, weil sein ehemaliger Angestellter in den Vergleichsgesprächen in der Gerichtsverhandlung falsche Angaben gemacht hatte.