Resilienz – so heißt die bislang wenig erforschte seelische Kraft, die Menschen dazu befähigt, Niederlagen, Unglücke und Schicksalsschläge besser und schneller zu meistern. Seit Anfang der Neunzigerjahre macht der sperrig klingende Fachterminus in der Verhaltensforschung Furore. Das Wort, vom lateinischen resilio (abprallen, zurückspringen) abgeleitet, kommt aus der Physik und bezeichnet in der Materialforschung hochelastische Werkstoffe, die nach jeder Verformung ihre ursprüngliche Form wieder annehmen. Die Verhaltensforscher haben den Begriff schließlich auf den Menschen übertragen: Resilient ist, wer die emotionale Stärke aufbringt, sich von Stress, Krisen und Schicksalsschlägen nicht charakterlich verbiegen zu lassen, sondern das Beste aus dem Unglück zu machen, daraus zu lernen und durch die Leiderfahrung über sich selbst hinauszuwachsen. Eine Eigenschaft, die gerade in diesem schicksalhaften Jahr erforderlicher ist denn je.

Früher hätte man schlicht von Gelassenheit oder Abhärtung gesprochen – „Was mich nicht umbringt, das macht mich stärker“, sagte Friedrich Nietzsche –, oder man hätte den berühmten Stehaufmännchen-Effekt zur Erklärung herangezogen. Doch die Metapher vom Stehaufmännchen verleitet zum Trugschluss der Unverletzlichkeit: Einmal kurz auf die Nase fallen und dann flugs wieder aufstehen. Bravo! Doch so ist es nicht. Mein WirtschaftsWoche-Kollege, Christian Deysson, hat zu diesem Thema jetzt ein wunderbares Essay verfasst, das wir schließlich zu unserer aktuellen Titelgeschichte gemacht haben. Meine aufrichtige Leseempfehlung!

Schließlich ist niemand immun gegen das Unglück. Schwere Krankheit, ein Autounfall, der Tod des Partners oder eines Kindes, der Verlust des eigenen Arbeitsplatzes oder der Zusammenbruch eines in Jahrzehnten aufgebauten Firmenimperiums wie im Falle des schwäbischen Unternehmers Adolf Merckle können auch den Stärksten niederschmettern. „Das Leben ist eine Gratwanderung zwischen allen Formen der Verletzlichkeit“, sagt etwa der französische Neuropsychiater Boris Cyrulnik, der seit vielen Jahren auf diesem Gebiet forscht und mehrere Bücher über Resilienz verfasst hat. Oder, wie sein Kollege, der an der Universität Jena lehrende Soziologe Bruno Hildenbrand sagt: „Die Krise ist im menschlichen Leben nicht die Ausnahme, sondern eher der Normalfall.“

Zu allen Zeiten versuchte die Philosophie zum souveränen Umgang mit Leid und Krisen zu erziehen. So betrachtet war zum Beispiel die antike Schule der Stoa eine einzige Suche nach Resilienzfaktoren. Inwiefern das, was die römischen Stoiker lehrten, wirklich mit Resilienz zu tun hatte, bleibt aber dahingestellt. Gewiss ging es den großen Gelassenheits-Lehrern von Epiktet über Seneca bis Marc Aurel immer um den rechten Umgang mit dem Leiden und die Suche nach dem Seelenfrieden. Doch wurde die stoische Ethik auch dafür kritisiert, dass sie – ähnlich wie der Buddhismus – das Gefühlsleben im Menschen um den Preis der Selbstverleugnung abtötet, dass sie nur die reine Verstandeshaltung trainiert und letztlich in Gleichgültigkeit, also Indolenz, münden kann – ein Weg, den die heutige Psychiatrie für pathologisch bedenklich hält.

Wahre Lebenskunst kann eben nicht darin liegen, das Leid zu verleugnen, die Schmerzgefühle zu unterdrücken. Leiden gehört einfach dazu. Wie resilient ein Mensch ist, bemisst sich allerdings auch daran, ob der Mensch an der Leiderfahrung wächst und vor allem, ob er für künftige Schicksalsschläge etwas dazulernt. Laut Psychologen sind es vor allem sieben Indizien, die dafür sprechen, dass jemand eine starke Fähigkeit zur Stress- und Krisenbewältigung besitzt. Damit gelten sie auch als die sieben Säulen der Resilienz. Sie können die folgenden Punkte daher auch als eine Art Selbsttest verstehen. Je mehr Sie diese Eigenschaft bei sich erkennen, desto resilienter sind Sie wahrscheinlich. Zur Erläuterung der Resilienz-Säulen klicken Sie bitte auf die jeweiligen Begriffe:

Die 7 Säulen der Resilienz