eute erzähle ich Ihnen eine Geschichte…
Für die Vorstandssitzung eines internationalen Konzerns wurden die Mitglieder in eines der feinsten und teuersten Restaurants der Stadt eingeladen. Es lag in unmittelbarer Nähe der Firmenzentrale und so erschienen die Vorstände pünktlich und gut gelaunt, plauderten ein wenig beim Champagner und nahmen schließlich an dem luxuriös gedeckten Tisch Platz. Alle freuten sich auf das legendäre Menü des hiesigen Sternekochs. Doch dazu kam es nicht.
Draußen versammelten sich Landstreicher und Obdachlose. Sie blickten durch die Scheiben, drückten ihre staubigen Nasen dagegen und klopften aufdringlich an die Fenster. Das Klappern wurde lauter und mischte sich bald mit Sprechgesängen. An ein gemütliches Mahl war nicht mehr zu denken, und immer mehr Bosse fragten sich, was der Gastgeber dagegen unternehmen würde: Würde er die Penner ignorieren oder die Polizei rufen? Nichts davon passierte. Stattdessen öffnete er die Tür und ließ die Meute herein. Die Leute rochen wie ein Zwischenfall in einem Kölner Chemiewerk. Vor allem aber waren sie hungrig. Zum großen Entsetzen der Vorstände lud sie der CEO an den Tisch.
Die Runde wurde erweitert und die Fremden fielen über die ersten beiden Gänge her als gäb’s kein Morgen. Danach verschwanden sie aber nicht, sondern beschimpften die Manager: Wie könnt ihr euch jeden Tag mit Hummer, Foie gras und Champagner vollstopfen, während wir Hunger leiden? Die Vorstände bemühten sich um Contenance. Sie seien nun mal Führungskräfte eines großen Konzerns und trügen viel Verantwortung, versuchten sie sich zu verteidigen. Die Obdachlosen überzeugte das nicht. Die Manager gerieten zunehmend in die Defensive. Schließlich brach der Gastgeber die Farce ab. Er erklärte seinen verblüfften Kollegen, dass die Vagabunden in Wahrheit Schauspieler seien, engagiert, um alle auf den einzigen Punkt der heutigen Agenda vorzubereiten: die soziale Verantwortung des Unternehmens…
Der Vorfall soll sich tatsächlich zugetragen haben. Wahr oder nicht ist aber unerheblich. Denn die Anekdote lehrt zwei Dinge: Menschen sind durch praktische Erfahrungen viel leichter zu überzeugen als durch theoretische Argumente. Und: Erkenntnisse werden für ein Publikum (oder Blogleser) viel anschaulicher, wenn man dazu eine Geschichte erzählt. Seien es Anekdoten, Allegorien, Seemannsgarn oder Bibel-Gleichnisse – wir alle dürsten nach solchen bunten Lach- und Sach-Geschichten. Richtig aufgebaut und erzählt, merken wir uns solche Geschichten nicht nur leichter, sondern erzählen sie auch bereitwillig weiter – und tragen so dazu bei, dass sich ihre Botschaften spielerisch und wie ein Lauffeuer verbreiten.
Genau dieser Erkenntnis bedient sich ein neuer Managementtrend aus den USA, der gerade Personaler, Fachbuchautoren und Seminaranbieter fesselt: Storytelling gilt als das ultimative Führungswerkzeug für bessere Kommunikation, verständlichere Botschaften, begeisterte Mitarbeiter – und überhaupt: für mehr Unterhaltung bei der Präsentation von drögen Bilanzzahlen, kryptischen Change-Management-Strategien oder komplexen Problemen. In der aktuellen WirtschaftsWoche widmen wir diesem Thema gleich mehrere Seiten (Ein weiteres Whitepaper in Englisch finden Sie noch hier: PDF).
Denn tatsächlich zeigen zahlreiche Studien aus der Hirnforschung, dass wir Informationen besonders bereitwillig aufnehmen, wenn dabei mehrere Sinne einbezogen werden – nicht nur das Hören. Eine bildhafte Sprache, ein lebhafter Erzähler, viele eindrückliche Emotionen – all das begünstigt, dass wir uns noch lange an das Gehörte erinnern.
Die Struktur guter Geschichten
Nur wie sieht die optimale Erzählgeschichte aus? Nach unseren Recherchen braucht eine funktionierende Story vor allem fünf klassische Elemente:
- Eine emotional bedeutende Ausgangssituation.
- Eine (sympathische) Hauptfigur.
- Einen Spannungsbogen durch Ziele und Hindernisse, die die Hauptfigur überwinden muss.
- Eine erkennbare Entwicklung (Vorher-Nachher-Effekt).
- Und ein auf das eigene Leben anwendbares Fazit – die Moral von der Geschichte.
Gerade für den Plot am Ende gibt es noch ein paar zusätzliche Tricks. Denn der muss sitzen: Er wird am besten erinnert und ist natürlich der Höhepunkt jeder Geschichte – die Pointe:
- Verwenden Sie den Puzzle-Plot. Beschreiben Sie zunächst viele miteinander verwobene Rätsel, die Sie mit der Zeit eins ums andere auflösen, um so ein stimmiges Ganzes zu entwickeln. Für das Publikum entsteht so der größtmögliche Aha-Effekt. Denken Sie etwa an den DaVinci Code.
- Nutzen Sie den Netzwerk-Plot. Auch wenn ihre Akteure in der Geschichte zunächst scheinbar nichts miteinander gemeinsam haben – mindestens eine Verbindung gibt es dennoch. Diese arbeiten Sie sukzessive heraus, und die Spannung steigt kontinuierlich.
- Arbeiten Sie mit dem Triumph-Plot. Schildern Sie, wie Sie selbst oder Ihr Protagonist zig Widerstände, Skeptiker, Widersacher, Intriganten, Feinde überwinden musste – und am Ende doch Recht und Erfolg behielt. Den späten Triumph lieben alle, weil er so gerecht wirkt.
Damit ist jede gute Story wie eine klassische Heldensaga (in drei Akten) aufgebaut. Gewiss, das klingt nach Konstruktion, nach kompliziertem Aufbau und Drama, Drama, Drama. Stimmt aber nicht. Wer allein aufmerksam sein Umfeld beobachtet und Bekannten lauscht, findet zig solcher Geschichten. Denn vor allem aus realen Erlebnissen lassen sich ebenso lebendige wie ergreifende Geschichten schöpfen – die „True Stories“, wie sie im Fachjargon genannt werden.
Wer sich damit anfangs noch schwer tut, kann sich die Erzählungen aber auch aus bereits bestehenden Sammlungen ziehen – oder aus diesem Blog (denn auch ich arbeite schon länger damit). Die Links zu den Allegorien und Parabeln habe ich Ihnen im Folgenden zusammengesammelt. Und wenn Sie Ihnen gefallen haben, dann geben Sie sie weiter…
- Leerverkauf – Eine Parabel über die Finanzkrise
- Passt partout – Der Dumme gibt nach
- Phantasiegespinst – Umwege führen schneller zum Ziel
- Parkbank – Das Wesen der Raffinesse
- Memento mori – Der Kluge plant vor
- Knitterpartie – Wer scheitert, wird dadurch nicht wertlos
- Ausdruck – Der wahre Charakter zeigt sich in der Krise
- Verlängerungsschnur – Glück ist relativ
- Alles Banane – Warum Traditionen negativ wirken
- Schlüsseldienst – Wer suchet, der findet noch lange nicht
- Heldentat – Erwarten Sie das Unerwartete
Und als Dreingabe…
Der Blick für das Wesentliche
Sherlock Holmes und Doktor Watson gingen campen. Nachdem sie ihr Zelt aufgebaut hatten, gingen sie früh schlafen. In der Nacht wachte Holmes auf und weckte seinen Assistenten: „Watson“, sagte er, „öffne die Augen und schau hinauf zum Himmel. Was siehst du?“ Watson antwortete schlaftrunken: „Ich sehe Sterne, unendlich viele Sterne.“ – „Und was sagt dir das, Watson?“, fragte Holmes. Watson dachte kurz nach. „Das sagt mir, dass dort draußen unzählige Galaxien und Tausende Planeten sind. Ich nehme deshalb an, dass eine Menge gegen die Theorie spricht, wir wären allein im Universum. Und was sagt es dir, Holmes?“ – „Watson, du bist ein Narr“, rief Holmes. „Mir sagt es, dass jemand unser Zelt gestohlen hat!“
meistermochi
man könnte auch als laberkopp abgestempelt werden. na, vielleicht versuch ichs mal.
Jochen Mai
Das ist der übliche Einwand: “Ich kann doch keine Geschichten erzählen…!” Falsch. Sie erzählen ja keine sinnlosen Storys, um Zeit totzuschlagen, sondern Sie erzählen ein Gleichnis, dass Ihre Botschaft illustriert. Und jeder Redner will, dass seine Botschaften gehört und verstanden werden.
Auch hierzu eine Allegorie: Glauben Sie, Jesus Christus hätte diese Massen bewegt, wenn er statt seiner anschaulichen Gleichnisse (aus dem damals aktuellen Alltag und Umfeld seiner Zuhörer) Bulletpoints, Charts und Karten in den Sand gemalt hätte?! Eben.
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Christopher
Geschichten sollte man eher erzählen. Wer es gut kann, wird niemals als Laberkop abgestempelt werden. Ich kann aus meiner Uni-Zeit nur zwei herausragende Professoren nennen: Prof. Bergmann und Prof. Di Fabio. Beide gelten als Virtuosen der Vorlesung. Der erste ist als Unternehmensberater und Lehrer tätig, der andere ist Richter am Bundesverfassungsgericht.
Die Studenten schweigen und hören aufmerksam zu bis die letzte (90) Minute geschlagen hat.
An diesen beiden Beispielen habe ich feststellen können, dass Storytelling wirklich große Macht hat. So leicht aber ist es auch nicht. Man muss unglaublich kompetent sein um die Geschichten richtig erzählen zu können.
Christopher
Noch ein weiteres Beispiel eines erfolgreichen Storytellers: Malcolm Gladwell – jedes seiner 3 Bücher wurde zum Bestseller. Er schreibt für “New Yorker” und ist ein sehr guter Geschichtenerzähler.
Moritz Berger
powerpoint sind bei meinen Vorträgen mittlerweile tabu (Ausnahmen bestätigen die Regel)
Roland Kopp-Wichmann
Es gibt dazu ein tolles Buch von Chip und Dan Heath: “Was bleibt: Wie die richtige Story Ihre Werbung unwiderstehlich macht.” Mit vielen Beispielen. Ich habe auf meinem Blog eine Rezension darüber geschrieben: http://tinyurl.com/lk7foj
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wallibelli
2- tägiger Verbandskongress im Februar 2010 vor ca. 500 Mitgliedern. Unternehmer, Vorstände, Geschaftsführer, leitende Mitarbeiter. Ich war einer von 12 Speakern. Thema: Emotionales Kundenmanagement : “Mit Wohlfühlmanagement zum Wunschkunden” .Alle Speaker hatten Filmchen, Powerpoints. Ich hatte garnichts. 60 Minuten, eine Bühne, ein Mikro und 5 Kurzgeschichten a 10 Minuten über Emotionen im Kundenmanagement. Geschichten, die das Leben zwischen Anbieter, Dienstleister und Kunden schreibt. Geschichten wie sie jeder Zuhörer selbst erlebt bzw. erlbet hat im Positiven wie im Negativen, Geschichten zum Weinen und zum Lachen. Authentisch, wahr, orginell, überraschend, verblüffend, lehrreich. Die Zuhörer fanden sich wieder, es war großes Kino (Orginalfeedback) auch ohne Bilder an der Wand. Sie haben gelauscht, sie haben geschrieben, sie haben gestaunt, sie haben gelacht, sie haben getuschelt. Nach 62 Minuten tosender Ablaus, standing Ovations, in der folgenden Pause unzählige Gratulanten. Ein Dutzend Anrufe in der folgenden Woche. Nach zwei Wochen kam das Feedback des Veranstalters. “Der lt. Teilnahmerbewertung mit Abstand beste Vortrag des Kongresses”.
Storytelling passt nicht für alles. Man braucht das richtige Thema und es muss zum Vortragenden passen. Entscheidend ist, dass die Teilnehmer das Gefühl haben: Der lebt das, was und worüber er uns hier erzählt.
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smiley
Wie viele Möglichkeiten die Technik uns auch bietet, sie schafft auch eine neue Grenze.
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