Jens Trompeter verantwortet als Vorstand den Bereich Personal beim Softwareentwickler Itemis. Er ist einer der Urheber des radikalen Arbeitszeitmodells “4+1″, das allen Mitarbeitern erlaubt, vier Tage zu arbeiten und sich dann einen Tag weiterzubilden – auf Kosten des Unternehmens. Jede Woche. Itemis wurde dafür auf der Zukunft Personal mit dem Deutschen Personalwirtschaftspreis 2010 ausgezeichnet. Grund genug, um bei dem Personalmanager diesbezüglich genauer nachzufragen…

Herr Trompeter, wann haben Sie sich selbst das letzte Mal weitergebildet?

Das war vor etwa drei Tagen, mein Thema: Usabiliy Engineering. Dabei geht es darum, wie man benutzerfreundliche Software entwirft. Darüber hinaus bilde ich mich gemeinsam mit einer Kollegin aus dem Personalbereich auf den Gebieten Systemisches Coaching und Organisationsentwicklung weiter.

Und wie holen Sie die verlorene Arbeitszeit wieder auf?

Das muss ich nicht. Das 4+1-Modell gibt mir genug Freiräume dafür. Aber es kommt auch schon mal die eine oder andere Stunde in der Freizeit hinzu.

Wie sind Sie denn auf die Idee zu 4+1 gekommen?

Zuerst haben wir die Erkenntnisse aus unseren Bewerbungsgesprächen und einer Mitarbeiterbefragung ausgewertet. Dabei haben wir festgestellt, dass für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes nicht in erster Linie monetäre Aspekte zählen, sondern inhaltliche und die Qualität der Arbeit. Besonders oft wünschten sich die Mitarbeiter und Bewerber interessante und abwechslungsreiche Tätigkeiten, mehr aber noch Freiräume zur Weiterbildung, hohe Flexibilität und Eigenverantwortung. Also haben wir ein Konzept entwickelt, das genau das berücksichtigt.

Wie haben denn Ihre Mitarbeiter das Konzept aufgenommen?

Gut. Jedenfalls gab es keine Bedenken, zumal die Vorgesetzten und der Vorstand zu jeder Phase spürbar dahinter standen. Unsere Mitarbeiter sind ja als Berater täglich bei unseren Kunden vor Ort, um Prozesse zu optimieren. Daher wissen Sie, wie wichtig es ist, sich kontinuierlich weiterzubilden, um immer ein Stück besser zu sein als andere. Die IT-Branche ist schnelllebig, Wissen kann schnell veralten. Entsprechend positiv wurde das 4+1-Modell aufgenommen.

Und wie reagierte die Geschäftsführung?

Die stand sofort voll hinter der Idee. In der IT-Branche sind qualifizierte Mitarbeiter schwer zu bekommen. Wir betrachten unsere Mitarbeiter nicht als Kapital, sondern als Vermögen des Unternehmens. Deshalb sehen wir Weiterbildung auch nicht als Kosten an, sondern als Vermögensaufbau. Die Weiterbildung während der Arbeitszeit zahlt sich also aus.

Hand aufs Herz: Hat noch nie einer versucht, das verlängerte Wochenende in der Toskana als Sprachreise zu deklarieren?

Nein. Mit so etwas gibt es absolut keine Probleme. Unsere Mitarbeiter haben genau das Maß an Eigenverantwortung, um eine solche Regelung nicht zu missbrauchen.

Welche Kurse absolvieren die Mitarbeiter denn so?

Die Spannweite beschränkt sich nicht nur auf die Kernkompetenz des Unternehmens, also die Softwareentwicklung. Sicher werden hierbei die meisten Kurse durchgeführt – vor allem in sogenannten Open-Source-Projekten und Study-Groups. Hier werden neue Technologien ausprobiert, auf ihre Praxistauglichkeit getestet und weiterentwickelt. Die Mitarbeiter beschäftigen sich aber auch mit dem Schreiben von Büchern und Fachtexten. Dabei nutzen einige gerne die Ruhe im eigenen Wohnzimmer, andere entfalten ihre Kreativität unterwegs im Zug. All das ist erlaubt. Englischkurse sind ebenfalls sehr beliebt. Die werden seit 2007 von den Mitarbeitern selbst gestaltet, weil die bis dahin angebotenen externen Kurse nicht angenommen wurden. Darüberhinaus umfasst unser Programm auch Soft-Skill-Themen, wie zum Beispiel “Präsentationen vorbereiten und durchführen” oder “Teamwork”, selbst Sportkurse wie Schwimmen oder die Rückenschule “Rücken fit” fallen darunter.

Wie gehen Sie sicher, dass Belegschaft den Tag tatsächlich zur Weiterbildung nutzt?

Dafür sind bei uns die Teamleiter zuständig. Deren Aufgabe besteht darin, die Weiterbildungsinhalte zu koordinieren und Ideen zu geben – im Sinne eines Mentorings beziehungsweise Coachings. Zudem werden in den Gesprächen konkrete Ziele festgelegt, etwa das Halten eines Vortrags oder das Schreiben eines Fachartikels. So wird die Weiterbildung zwar nicht anhand von Stunden, dafür aber mittels Ergebnissen messbar und kontrolliert.

Und dabei entsteht kein Arbeitsstau? De facto haben Sie ja eine 4-Tage-Woche eingeführt …

Das ist so nicht ganz richtig. 4+1 ist als Quote zu verstehen, an die sich die Mitarbeiter halten können. Unser Konzept bleibt aber flexibel, um sich an unsere Projekte anzupassen. In der schnelllebigen IT-Branche ist das enorm wichtig.

Was passiert denn, wenn besonders viel zu tun ist und die Arbeit für fünf Tage reicht?

Dann wird gearbeitet. Ein Kundenprojekt hat – zumindest eine Zeit lang – immer Vorrang. Dennoch zeigt die Praxis, dass auch dabei immer wieder Freiräume zur Weiterbildung entstehen.

Können die Kollegen die nicht genutzten Weiterbildungstage auch aufsparen und an einem Stück nehmen?

Genau! Wir haben gemerkt, dass es immer wieder Leerlaufzeiten gibt, zum Beispiel zwischen zwei Projekten oder in ruhigeren Phasen eines Projekts. Diese wollen wir mit dem 4+1-Modell effektiv nutzen. Und weil es sich dabei um eine Quote handelt und nicht etwa um eine feste 4-Tage-Woche plus einen Tag Weiterbildung, können Seminare oder Coachings auch am Stück oder auch mal eine ganze Woche lang genommen werden.