Interview mit dem Netzwerkexperten Andreas Heuberger über seine Büro-WG in Frankfurt

Andreas Heuberger ist Gründer der Kommunikationsplattform Rheinmainnetwork, Autor von “Das professionelle 1 x 1: Networking” und Experte für Büro-WGs für Freiberufler.


Heuberger1. Herr Heuberger, Sie haben sich mit anderen 18 Freiberuflern zu einer Bürogemeinschaft zusammengetan. Wie muss man sich Ihren Alltag vorstellen?

Jeder arbeitet zunächst für sich. Allerdings ist ausdrücklich erlaubt, seine Mietkollegen anzusprechen – tendenziell für alles, was interessiert. Als informelle Regel hat sich bewährt, die Tür zum eigenen Büro geschlossen zu halten, wenn man seine Ruhe haben möchte, und offen zu lassen, wenn man für die anderen ansprechbar bleiben möchte. Themen, die alle angehen, können in einer geschlossenen Google-Gruppe angesprochen werden – etwa das richtige Bedienen der Spülmaschine, der Zugang zum Müllcontainer, zur Tiefgarage oder zum Fahrradabstellplatz, wer kauft Kaffee und Zubehör ein… Die alltäglichen Kleinigkeiten eben. Einmal im Monat treffen wir uns zudem zu einem lockeren Mietermeeting und regeln alle anfallende Themen. Eine Pinnwand in der Küche ergänzt die Kommunikation für Küchen-nahe Belange.

2. Gibt es bei Ihnen so eine Art Chef oder Hausmeister?

Einen Hausmeister gibt es zurzeit nur aushilfsweise. Ein regulärer soll aber bald benannt werden. Dieser wird in unserem Fall vom Betreiber der Bürogemeinschaft bestimmt.

3. Was teilen Sie sonst alles?

Wir teilen uns natürlich die Toiletten, die Küche, Kühlschränke, eine Kaffeemaschine, eine Mikrowelle, einen größeren Konferenzraum, inklusive Leinwand und Flipchart; mit interner Google-Kalender-Reservierung sowie zusätzlich eine kleine Lounge für Gespräche im kleinen Kreis. Hinzu kommt – allerdings nicht geplant – die Mitnutzung einer günstigen Cafeteria im Erdgeschoss. Der Minigartenzugang dort ist für die Raucher zudem eine wichtige Anlaufstelle.

4. Können Sie etwas konkreter werden: Was zahlt jeder anteilig für Miete, Putzfrau, Strom, Faxgerät, Infrastruktur?

Jeder Mieter zahlt einen pauschalen Zimmerpreis, in dem die gesamten Nebenkosten enthalten sind, wie etwa den DSL-16.000-Anschluß in allen Räumen. Ein gemeinsames Faxgerät haben wir nicht. In derartigen Fällen helfen die Nachbarn gerne aus. Ähnliches gilt für Kopierer, Scanner, Beamer- und Overhead-Projektor. Was jeder dabei spart, lässt sich schwer beziffern. Wenn jeder einzelne sich diese Leistungen individuell besorgen müsste, wäre das aber erheblich teurer.

5. Wie wählen Sie die Mitglieder Ihrer Büro-WG aus?

Im Prinzip kann sich jeder bewerben, der seine Miete bezahlen kann und in der Lage ist, sich auf eine hochwertige Bürogemeinschaft einzulassen. Nichtpassende Interessenten machten bisher immer von sich aus einen Rückzieher, bevor es ernst wurde. Nicht akzeptieren würden wir aus praktischen Gründen Mieter, die branchentypisch viel Lärm oder Dreck verursachen, also Handwerker oder Callcenter.

6. Und was passiert, wenn einer mal so gar nicht passt oder Pleite geht?

Bis jetzt ist uns das noch nicht passiert. Gegen eine Pleite hilft natürlich die Mietkaution. Sollte ein Mieter einen Monat lang nicht zahlen, wird nachgehakt – und entsprechend reagiert. Darüber hinaus gibt es natürlich ein beidseitiges Kündigungsrecht. Soll heißen: Wenn es mal so gar nicht passt, kann der WG-Betreiber demjenigen auch kündigen.

7. Sie haben über modernes Networking auch ein Buch geschrieben: Netzwerken Sie auch WG intern?

Selbstverständlich und ständig. So checkt zum Beispiel der IT-ler im Haus die Webseite eines anderen Mieters, wieder ein anderer gibt Tipps für eine bessere werbliche Positionierung. Solche Querverbindungen und -empfehlungen finden täglich statt. Als ein nächstes Projekt haben sich zum Beispiel zwei Mieter ausgedacht, sich einen Praktikanten zu teilen.

8. Und wie haben Sie persönlich davon profitiert?

Ich habe so schon viele Ideen für neue Projekte bekommen sowie Anregungen für eigene Networking-Referate und Seminare. Aber auch Empfehlungen waren dabei, die zu neuen Kunden geführt haben. Ich habe so einen Praktikanten gefunden oder Manuskripte korrigiert bekommen.

9. Was raten Sie Freiberuflern, die Ihrem Beispiel folgen wollen?

Wenn sie eine Bürogemeinschaft gründen wollen, sollten Sie vor allem auf die Ortslage, den Branchenmix der Mieter und die möglichen Synergien untereinander achten. Und natürlich darauf, dass alle miteinander harmonieren. Der Austausch untereinander ist gerade für Freiberufler, die vorher allein im Homeoffice gearbeitet haben, ganz wichtig – sei es als indirekte Selbstdisziplinierungshilfe, Motivationshilfe oder eben, um mal mit jemandem zwischendurch plaudern zu können. Die meisten Einzelkämpfer und Kleinstunternehmer unterschätzen oft die Vorzüge und Netzwerkeffekte einer solchen Büro-WG. Das reicht von der Informationsgewinnung über praktisches Sparring bis hin zu Kooperationen auf kleinster Ebene oder Geschäftsanbahnungen.

10. Wo lauern die größten Gefahren?

Es sollte bei einer Bürogemeinschaft unbedingt einen Hauptmieter geben, oder einen Betreiber, wie bei uns. Sonst sind die einzelnen Mieter automatisch eine GbR, mit allen unabsehbaren rechtlichen Folgen. Das könnten etwa Haftungsschäden im weitesten Sinn sein, Beteiligung an der Hausratsversicherung, Entscheidungsbefugnisse im Streitfall, Verantwortung für unabsehbare Folgen auch für „unscheinbar” erscheinende alltägliche Entscheidungen. Gleich danach folgt die Zuständigkeit untereinander: Wer macht was, wann, wie? Je klarer und expliziter die Regeln formuliert sind, umso besser. Der größte Konfliktherd ist meist das Thema Sauberkeit: Wenn die Mieter generell gewissenhaft und ordentlich sind und auch mal so die Spülmaschine anstellen, wenn sie mit dem eigenen Geschirr voll wird oder eine neue Klopapierrolle aus dem Lagerraum auf die Toilette bringen, dann funktioniert es gut. Wenn nicht, haben Sie ständig Ärger.